Eurovision: lustige Propaganda-Show

Noah Koinig

Als der erste “Eurovision Song Contest” (ESC) 1956 stattfand wurden Grundregeln festgelegt, so auch, dass dieser nicht übermäßig politisch sein darf. Deswegen treffen sich auch heuer wieder Menschen zusammen, um einen rein künstlerischen Wettbewerb zu halten, oder? Nein. Jede Bühne wird für politische Statements genutzt, erlaubt sind aber nur die, die dem System passen: So bestimmen die Herrschenden auch kulturelle Veranstaltungen.

Schon Marx sprach von der Macht der Herrschenden in allen Bereichen des Lebens, auch in Kunst und Kultur. Die Herrschenden tun was ihnen nutzt: es gibt keine freie, unpolitische Unterhaltung, denn überall ist die Ideologie der Herrschenden - mehr oder weniger sichtbar - drin. Die Ideologie der Herrschenden ist oft weniger erkennbar, weil sie ist, was wir dauernd und überall vorgesetzt bekommen. Filme, Fernsehen, Musik, Sport und eben auch der ESC: all diese dient zur Erhaltung ihrer Herrschaft.

Natürlich ist so ein europaweiter Wettkampf ein riesen Geschäft für die Herrschenden. Aus diesen Gründen haben sie auch Regelungen durchgesetzt, beispielsweise dass wirtschaftlich starke Länder - wie Deutschland und Britannien - automatisch die Qualifikationsrunde schaffen.

Ideologie der Herrschenden beim ESC

Schon beim Namen Eurovision und bei der Ausführung sieht man einen großen Widerspruch. Wenn es sich um einen europäischen Wettbewerb handelt, warum sind dann Länder wie Israel vertreten? Grund ist die politische Zusammenarbeit zwischen Europa und Israel. 

Selbst die „demokratische“ Jury folgt der Ideologie der Herrschenden - in diesem Fall der European Broadcasting Union (EBU). Diese dient als Mittel zur Kontrolle. Vor 20 Jahren war “Mitbestimmung” hip und die Bevölkerungen erhielten volle Abstimmungsmöglichkeiten im Finale. Das führte aber zu Vorfälle, die nicht zur “heilen Welt"-Ideologie passten, wie Spaßnummern oder eine Heavy Metal Band als Gewinner und führte wieder zu strengerer Kontrolle. Ab 2008 wurde die Jury wieder eingeführt und erhielt 50% des Stimmrechts. Begründung war, dass die “Jury als Gegengewicht zu Punkteschiebereien unter Nachbarländern” fungiert - während die Jury selbst gerne Punkteschieberei bei politischen Beziehungen macht, wie Griechenland und Zypern. Die Jury bestand nun aus “Expert*innen”, die von der EBU gestellt wurden. Zusammengefasst hatte die Bevölkerung bei einem „demokratischen” Wettbewerb das gleiche Stimmrecht wie die EBU selbst.

Die Ideologie der Herrschenden wird gern unter dem Vorwand, „unpolitisch" zu sein, durchgesetzt. So wurden in der Vergangenheit Songs verboten, da sie zu „politisch“ waren: Auch politische Taten allgemein wurden bestraft. Die österreichische Politband Schmetterlinge wurde 1977 für “Boom Boom Boomerang” das die Musikindustrie kritisiert, abgestraft. Und auch 2019 in Israel: Die isländische Band Hatari zeigte im Finale eine palästinensische Flagge, um auf den Israel-Palästina Konflikt aufmerksam zu machen. Daraufhin bekam die Band eine Geldstrafe und der Vorfall wurde aus der finalen Version herausgeschnitten. 

Der ESC hat eine lange Geschichte an Rainbow-Washing und wird gern als „Gay-Christmas“ bezeichnet. Das hat nichts damit zu tun, dass sich die EBU aktiv für LGBTQ+ Rechte einsetzt, sondern nur um ihnen ein queeres Image zu geben. Am ESC nehmen jährlich mehrere Länder mit starker anti-LGBTQ+ Politik teil, wie Polen und Ungarn. Ein Wettbewerb, der “queere Identität zelebriert", wird aber nicht als Plattform genutzt, um sich gegen Homophobie auszusprechen. Der Grund ist, dass Länder wie Polen wirtschaftliche und politische Bündnispartner sind und man will ja nicht die Partner verärgern.

Kritik bei Kunst und Kultur

Jede Art von „unpolitischer“ Kunst läuft streng nach der Ideologie der Herrschenden. Und diese bestimmen auch, was als politisch gilt und was nicht - so ist die Kritik an Israel von Hatari zu politisch, aber Kritik gegenüber dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist erwünscht. Aus diesem Grund kann die EBU trotz all der politischen Botschaften am ESC jedes Jahr unterstreichen, dass der Songcontest nicht politisch sei - und damit ihre Ideologie der unpolitischen Kunst verbreiten. Aus diesen Gründen soll jeder Mensch kulturellen Veranstaltungen durchaus mit Kritik gegenüberstehen. 

 

Info:

Eurovision und Russland haben eine lange Beziehung. Nachdem Russland wieder Teil der kapitalistischen Welt wurde ist es seit 1994 jedes Jahr beim ESC vertreten. 2022 wurde Russland zum ersten Mal vom Wettbewerb ausgeschlossen von der EBU aufgrund des Krieges in der Ukraine. In der Vergangenheit wurde bei kriegerischen Auseinandersetzungen Russlands weggeschaut: so auch beim Georgienkrieg in 2008 - Russland war sogar im folgenden Jahr Austragungsort des ESC - oder bei der Annexion der Krim. Es handelt sich also nicht um Friedenspolitik des ESC sondern um geopolitische Interessen.

 

Bild: Michael Doherty / Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en

Erscheint in Zeitungsausgabe: