Mexiko: Wieder Diebstahl einer Präsidentschaft?

Im Land drohen Kämpfe auszubrechen, wenn die Rechte ein weiteres Mal eine Wahl fälscht.
Alan Jones, New York, CWI-USA

Lateinamerika befindet sich mitten in einer kontinentalen Revolte gegen die Regierungen und die herrschenden Eliten, die seit mehr als einem Jahrzehnt unnachgiebig eine neoliberale Politik des freien Marktes verfolgt haben. Über 215 Millionen, schwindelerregende 41 %, leben in Lateinamerika „in Armut“, während zusätzliche 18 % dem Hunger ausgeliefert sind.

Infolgedessen ist es zu einer Explosion der Opposition der Massen gekommen. In Chile, Peru, Argentinien, Kolumbien und vielen anderen Ländern sind Kämpfe der ArbeiterInnen, der Kleinbauern/bäuerinnen, der indigenen Bevölkerung, der StudentInnen und anderer vom Kapitalismus und Imperialismus Ausgebeuteter ausgebrochen. In Venezuela und Bolivien hatten Massenbewegungen die Wahl von linkspopulistischen Regierungen zur Folge, die den US-Imperialismus herausfordern.

Polarisierte Wahlen

Die Wahlen in Mexico am 2. Juli waren ein erbittert geführter, polarisierter Wahlkampf, der von der New York Times als ein Gegensatz zwischen „Hoffnung und Furcht“ beschrieben wurde. Der Teil der „Hoffnung“ repräsentierte die leeren Versprechungen nach Arbeit und einem passablen Leben durch den an der Harvard-Universität ausgebildeten Millionär, den rechten Kandidaten der Nationalen Aktions-Partei (PAN), Felipe Calderón. Die „Furcht“ stand für die große Angst der mexikanischen und US-amerikanischen herrschenden Klasse vor einem möglichen Sieg des radikalen Populisten López Obrador, dem Kandidaten der Demokratisch-Revolutionären Partei (PRD).

Obrador lag in den Meinungsumfragen vor den Wahlen monatelang voran und alle Umfragen über den Wahlausgang sahen den PRD-Kandidaten in Führung. Doch nach der Wahl und bei 3 Millionen Stimmen, die als „vermisst“ gemeldet wurden, beanspruchten beide, Obrador und Calderón, den Sieg. Zum Zeitpunkt dieses Artikels gab es Berichte, dass Calderón um 0,6 % „voran“ liegen würde (Calderón und Obrador hatten jeweils ungefähr kolportierte 36 % und der PRI-Kandidat hatte 21 %) und es wurde gerade mit mehreren Nachzählungen der Stimmzettel begonnen. Am 5. Juli zeigte eine später vorgenommene Teilauszählung wieder Obrador in Führung, was dazu führte, dass aufgrund der Unsicherheit und Spannung der mexikanische Aktienindex um 4 % fiel und der Peso gegen den Dollar abstürzte.

In den US-amerikanischen und mexikanischen Medien gab es Ängste, es könnte zu Zusammenstößen kommen, da die Polarisierung und die Wut gegen den Wahlbetrug sprunghaft hochzukommen drohten.

Geschichte von Wahlbetrügereien

Die Ereignisse, die auf die Wahl vom 2. Juli folgten, weisen eine unheimliche Ähnlichkeit mit den Präsidentschaftswahlen von 1988 auf, als der aufwieglerische linke Kandidat der PRD, Cárdenas, durch einen groß angelegten Wahlbetrug nach einem „Computerkollaps“ und einem Wahlentscheid zu Gunsten von Salinas von der korrupten PRI (Institutionelle Revolutionäre Partei) besiegt wurde. Salinas und nach ihm Zedillo und der gegenwärtige Präsident der PAN, Vicente Fox, setzten ein groß angelegtes Privatisierungsprogramm und Angriffe auf den Lebensstandard von Millionen mexikanischer ArbeiterInnen und Kleinbauern/bäuerinnen um, während sie das Land zur Plünderung und Ausbeutung durch das US-Kapital durch die NAFTA (Nordamerikanisches Freihandelsabkommen) öffneten.

Millionen von zwangsumgesiedelten und verarmten mexikanischen Kleinbauern/bäuerinnen und ArbeiterInnen, vor allem aus dem Süden, mussten innerhalb des Landes zu den neuen Fabriken in den Maquiladoras oder als ImmigrantInnen ohne Papiere in die USA auswandern, um zu überleben. Als ein Ergebnis von NAFTA sind die tatsächlichen Löhne der ungelernten ArbeiterInnen seit dem Kollaps der mexikanischen Wirtschaft 1980 weiter gesunken und mexikanische ArbeiterInnen sehen sich nun dem steigenden Lohndruck von China ausgesetzt.

Die Einsetzung von Felipe Calderón als Präsidenten würde die Fortsetzung der selben Politik bedeuten, was die Gefahr des Ausbruchs einer sozialen Explosion heraufbeschwört. Die Wahl fand statt, als Hunderttausende von BergarbeiterInnen, LehrerInnen und andere ArbeiterInnen Streiks und Demonstrationen in ganz Mexico abhielten. Nach dem Tod von 65 KohlebergarbeiterInnen im Staat Coahuila breiteten sich im Februar sprunghaft Kämpfe der BergarbeiterInnen und MetallarbeiterInnen aus, die eine Lohnerhöhung als sofortige Notmaßnahme, sichere Arbeitsbedingungen und ein Ende der Privatisierungen forderten.

Volksaufstand

Im Juli streikten 70.000 LehrerInnen im Staat Oaxaca für höhere Löhne. Bei den darauf folgenden Angriffen durch 1.700 Mann Bereitschaftspolizei lieferten sich die mit Knüppeln und Steinen bewaffneten LehrerInnen eine offene Schlacht mit ihnen und überwältigten sie schließlich. Die Bewegung in Oaxaca hat sich zu einem Volksaufstand ausgeweitet. Mittlerweile rufen Hunderte Gewerkschaften und Gemeindeorganisationen, die über 10 Millionen ArbeiterInnen repräsentieren, zu einem landesweiten Generalstreik für 28. Juli auf.

Die Massenuntersützung für die Wahlkampagne von Obrador war ein Zeichen der Entschlossenheit der ArbeiterInnenklasse und der am meisten Unterdrückten, die neoliberale Politik beseitigen zu wollen. López Obrador führte den Wahlkampf als ein Populist, der sich den Slogan „Zum Nutzen für JedeN, die Armen zuerst“ zu eigen machte. Obrador sicherte zu, Teile des NAFTA neu verhandeln zu wollen, um einheimische ProduzentInnen vor den US-amerikanischen landwirtschaftlichen Importen zu schützen. Zur selben Zeit hat er Geschäfts- und Bankengruppen gegenüber wiederholt klar gemacht, dass man sich auf ihn verlassen kann, dass er ihre Interessen schützen und das Budget ausgleichen wird.

Eine von López Obrador geführte Regierung wäre für George Bush, der es bisher nur mit dem willfährigen rechten Präsidenten Vicente Fox zu tun hatte, eine äußerst irritierende. Sein Sieg könnte vielleicht die Schleusen zu einer neuen Welle von Kämpfen der mexikanischen ArbeiterInnen und Kleinbauern/bäuerinnen öffnen und wird bedeutende Auswirkungen nördlich der Grenze auf die Latino-Bevölkerung in den USA, insbesondere in der Frage der ImmigrantInnen ohne Papiere, haben. Die Überweisungen der mexikanischen ImmigrantInnen in den USA - ungefähr 18 Milliarden Dollar pro Jahr - sind nun die zweitwichtigste Devisenquelle nach dem Erdöl, die nach Mexico fließt.

Der einzige Weg, um den Wahlbetrug zu beseitigen, der von der herrschenden Klasse und ihren Ausführungsorganen organisiert wurde, besteht für die unabhängigen Gewerkschaften und Gemeindeorganisationen, die Obrador unterstützten, darin, in ganz Mexico Massendemonstrationen auszurufen, Aktionskomitees zu organisieren und einen Generalstreik vorzubereiten, der das Land zum Stillstand bringt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Obrador und die PRD eine solche Aktion vornehmen werden, da ihr Programm und ihre Politik kaum das Herzstück der Krise angreifen - den Kapitalismus. Der einzige Weg, um die Angriffe auf den Lebensstandard der Masse der Bevölkerung rückgängig zu machen, ist der, mit dem Kapitalismus komplett zu brechen - durch Verstaatlichung der Banken, der Großindustrie und der großen Handelsunternehmen.

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