Massenproteste in der Ukraine

Gangsterkapitalismus in Osteuropa
Margarita Döller

Kiew, die Hauptstadt der Ukraine, ist seit Monaten Schauplatz wütender Demonstrationen. Im Mittelpunkt stehen Korruption und die Politik des amtierenden Präsidenten Leonid Kutschma. Ausgangspunkt für die Proteste quer durch alle Bevölkerungsschichten war die Ermordung des Journalisten Georgij Gongadse. Allem Anschein nach soll er direkt auf Befehl des Präsidenten endgültig zum Schweigen gebracht worden sein.

Beweise für die Verbindung zwischen dem Tod von Gongadse und Kutschma  wurden von Alexander Moros, Führer der “Sozialistischen Partei” (SP), an die Öffentlichkeit gebracht. Dabei ist die Ermordung Gongadses selbst nur einer von fünf „mysteriösen“ Todesfällen von Journalisten in den letzten drei Jahren. Und auch sie sind nur die Spitze eines Eisbergs aus Korruption und Repression gegen Oppositionelle.

Politik des IWF

Der Internationale Währungsfond (IWF) und die Weltbank übten massiven Druck auf Kutschma in den vergangenen Jahren aus. So wurde der pro-imperalistische und neo-liberale Viktor Juschtschenko zum neuen Premierminister ernannt, um die Zahlungen des IWFs zu sichern. Als Gegenleistung für ihre Kredite fordert der Westen und seine Institutionen (Weltbank, IWF etc.) rigorose „Strukturanpassungsprogramme“. Was soviel heißt wie dass ehemalige Staatsbetriebe, die nicht privatisiert werden können, zunehmend stillgelegt werden. Dazu wird dann noch gefordert, die Staatsausgaben drastisch zu senken. Überschattet wird das Ganze durch eine immer stärker ausufernde Korruption, die einen großen Teil dieser Gelder verschlingt. Als Folge dieses Gangsterkapitalismus werden immer mehr Menschen in tiefe Armut gedrängt. Die anfängliche Euphorie nach dem Kollaps des Stalinismus hat sich in Enttäuschung und Wut über die herrschende Situation verwandelt.

Proteste, wer gegen wen?

Juschtschenko ist Mitglied der Partei „Batkivschina“, die zusammen mit der SP den “Ukraine ohne Kutschma”-Block bildet. Er trieb im Sinne von IWF und Weltbank die Privatisierungen im Land voran. Anfang dieses Jahres wurde Juschtschenko vom Parlament jedoch abgewählt und von Kutschma verabschiedet, weil er in ihm eine zunehmende Bedrohung sah.
Den vorläufigen Höhepunkt der Demonstrationen bildete das Camp, das mitten in Kiew errichtet und am 9. Mai von der Regierung gewaltsam abgebrochen wurde. Mittlerweile wurde die Bewegung auch von reaktionären Kräften benutzt. Unter den 200 Verhafteten befanden sich viele Mitglieder der faschistischen Organisation UNSO-UNA, die zuvor linke DemonstrantInnen angriffen. Neben ihr beteiligte sich die SP, Batkivschina, die progressive sozialistische Partei (alle drei sehen in Juschtschenko eine Alternative) und die ukrainische Sektion des CWI - Robitnichi Sprotiv Robitnichi (=Widerstand der ArbeiterInnen) - an den Protesten. Die stärkste Fraktion, die Kommunistische Partei, hatte weder ein Programm noch klare Slogans, den sie vertreten konnten.
Robitnichi Sprotiv Robitnichi drückte sich als eine der Einzigen klar gegen Kutschma UND Juschtschenko als Vertreter eines anderen Gangster-Flügels aus. Es geht nicht darum, wie sooft augenscheinlich das „kleinere Übel“ zu wählen, sondern eine echte Opposition in Form einer neuen ArbeiterInnenpartei aufzubauen. Dazu gab es bereits erste erfolgreiche Gespräche mit anderen linken Organisationen. Zunehmende Armut, Korruption und ein Ansteigen faschistischer Tendenzen sind kein ukrainisches Phänomen, sondern an allen Ecken und Enden der Welt festzustellen. Sie sind vielmehr Ausdruck des Kapitalismus als ein Gesellschaftssystem, das nicht in der Lage ist, den Menschen ein Leben in Wohlstand und Frieden zu gewährleisten.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: