Ladenöffnungszeiten

Die unendliche Geschichte
David Mum

Österreich diskutiert wieder einmal die Ladenöffnungszeiten. Im Sommer 99 – beim letzten Höhepunkt der Debatte – ging es um den Sonn- und Feiertagsverkauf in Bahnhofssupermärkten. Die neue Bundesregierung macht jetzt ernst: Es sollen nicht nur die Rahmenöffnungszeiten von 66 auf 72 Stunden verlängert, sondern auch deren zeitliche Verteilung freigegeben werden. Der Wirtschaftsminister will bis zum Frühjahr 2001 die Ladenöffnungszeiten weitgehend freigeben, einkaufen und arbeiten rund um die Uhr soll Realität werden.

Schon nach den Nationalratswahlen kamen die Ladenöffnungszeiten wieder ins Gerede. Die ÖVP machte das zu einem ihrer Eckpunkte und es gab von der SPÖ Kompromissbereitschaft. Der damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Rudas meinte zur Freigabe, außer Sonntags, mit der ÖVP Gemeinsamkeiten zu erkennen.
Unabhängig von der realen Inanspruchnahme der gegebenen Öffnungszeiten, den Bedürfnissen der Handelsangestellten, aber auch der meisten Händler und KonsumentInnen finden es wieder einmal eine Reihe von Politikern, Funktionären und Wirtschaftstreibenden an der Zeit, die bestehenden Regelungen in Frage zu stellen. Dieser blinde Glauben an den unregulierten Markt ist ein Merkmal des Vormarsches des Neoliberalismus und dessen nachteiligen Wirkungen für die ArbeitnehmerInnen. Dabei zählen auch Argumente nicht viel, weil die Freigabe für die Wirtschaftsliberalen keine Frage von pro und contra ist, sondern eine Glaubensfrage. So meint der zuständige Wirtschaftsminister Bartenstein: “Der Wegfall von Reglementierungen ist per se ein Wert, den sollte man hochhalten”. Über “Werte per se” braucht man/frau nicht diskutieren, denn die werden grundsätzlich nicht hinterfragt und mit der Realität konfrontiert.
Dabei wird in der Diskussion die bemerkenswert faktenfreie These aufgestellt, dass längere Öffnungszeiten die Nachfrage erhöhen würde. Im Wirtschaftsbericht der Bundesregierung heißt es dementsprechend: “Auch Geschäftsinhaber sollen ihren Kunden durch nachfragegerechtere Öffnungszeiten entgegenkom- men und damit speziell in Ballungszentren zusätzliche Nachfrage schaffen können.” (Wirtschaftsbericht 2000, S.33)

Der Traum vom Umsatzplus

Längere Öffnungszeiten führen zu keiner erhöhten Nachfrage, sondern zu einer zeitlichen Verlagerung der Einkäufe. Dabei können die Branchenriesen, die über die notwendige Flexibilität verfügen, auf Kosten der kleineren Betriebe und der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten Umsätze und Marktanteile gewinnen. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass der Ruf nach längeren Öffnungszeiten von den “Großen” kommt. Marktführer Rewe/ Billa hat dies öffentlich gefordert hat, “da dem Unternehmen ansonsten im Hinblick eines einheitlichen europäischen Marktes ein gravierender Wettbewerbsnachteil entsteht.”
Die Gewerkschaft hat sich in der Arbeitszeitfrage in den letzten Jahren auf eine Verteidigungsposition zurückgezogen. Und spätestens seit dem Fall des 8. Dezembers als Feiertag für die Handelsangestellten nicht einmal mehr das. Sie beschränkt sich darauf, nur noch möglichst hohe Zuschläge auszuhandeln. Nachdem nun die Unternehmer seit Jahren in Fragen der Ladenöffnungszeiten von einem Sieg zum anderen gehen, werden jetzt auch die Zuschläge (z.B. wie von Robert Hartlauer) als solches in Frage gestellt.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen deutlich, wie die Öffnungszeiten von den Unternehmern aufgebrochen wurden. Zuerst wird versucht, die Beschäftigten mit Zuschlägen für Sonn-, Feier-, Nacht- oder Abendarbeit zu ködern. Ist das aber einmal gelungen und sind die Öffnungszeiten freigegeben, wächst der Druck der Unternehmer, diese Zuschläge wieder abzuschaffen. Die Nachfrage, die sich aus längeren Öffnungszeiten angeblich ergibt, bleibt aus und die Diskussion beginnt von vorn – nur stehen jetzt die Zuschläge auf der Abschussliste der Unternehmer. Solange die Gewerkschaft sich dieser „Logik“ des Ausverhandelns von Zuschlägen beugt, sind die nächsten Niederlagen vorprogrammiert und das Kräfteverhältnis verschiebt sich noch weiter zu Gunsten der Unternehmer und gegen die Interessen der Beschäftigten.

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