Kulturkampf statt Klassenkampf?

Strache und Diskriminierung entgegentreten! Gemeinsam gegen Sozialabbau, Rassismus und Frauenunterdrückung!
Sonja Grusch

Schleier tragende Frauen, Minarette und Gebetsräume, Kinder die Mohammed oder Leila heißen – droht Österreich eine Islamisierung? Sonja Grusch, Bundessprecherin der SLP, untersucht, wer von der Debatte über Islam und Terrorismus profitiert.

Zahlen & Fakten zum Islam:

  • Von den weltweit 1,2 Mrd. Moslems/Muslima leben rund 12,5 Mio. in Europa, 400.000 davon in Österreich (davon 120.000 in 2. Generation)
  • In Österreich seit 1874 bzw. 1912 anerkannte Religionsgemeinschaft
  • Es gibt nur zwei Moscheen (Wien, Telfs) und ca. 200 Gebetsträume
  • Herkunft der Moslems/Muslima: 36,3 % Türkei, 28,3% Österreich, 28,7% Ex-Jugoslawien
  • Bedeutung der Religion: Für ¾ spielt Religion keine Rolle im Alltag, 55% "Taufschein"-Moslems, 0,7% Islamisten (für Sharia statt Verfassung), 4% Fundamentalisten (enge Auslegung des Islam)

Soziale Situation von MigrantInnen

20% der Moslems/Muslima leben in sozial prekären Verhältnissen. Die Ursache liegt v.a. in der Diskriminierung von MigrantInnen bzw. Menschen mit Migrationshintergrund. Ihre Wohnungen sind verhältnismäßig teuerer (bzw. schlechter). Sie sind häufiger arbeitslos und verdienen weniger (nur zwei Drittel des Durchschnittsgehalts) – beides nicht weil sie schlechter arbeiten, sondern weil sie erpressbarer sind. Die rechtliche Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund ist eine wesentliche Ursache für ihre oft verzweifelte soziale Situation. Besonders betroffen davon sind Frauen, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt noch öfter verweigert wird als Männern. Wer aber nicht legal arbeiten darf hat nur zwei Möglichkeiten - illegal arbeiten oder von jemand anderem abhängig sein.

Ausgrenzung beginnt bei den Jüngsten

Die Ausgrenzung von MigrantInnen, ihre Isolation und der damit verbundene Einfluss von religiösen Fundamentalisten, wird durch das österreichische Schulsystem noch verstärkt. Dieses System hat eine starke soziale Differenzierung. Durch die frühe Trennung in Hauptschule und AHS wird das (Aus)bildungsniveau der Eltern (die meisten haben logischerweise in Österreich überhaupt keine Ausbildung absolvieren können) nämlich häufig quasi vererbt: 2/3 der AMS-Klienten ohne Schulabschluss sind MigrantInnen! (Der Standard, 18.8.2007). Umgekehrt fühlt sich fast die Hälfte aller (!) arbeitssuchenden Jugendlichen in Wien aufgrund "ihrer dunkleren Hautfarbe oder Kleidungsstücken wie dem Kopftuch diskriminiert." (http://wien.orf.at/stories/211813/).

Um religiösen Fundamentalismus an diesem zentralen Punkt zurückzudrängen braucht es daher drei wesentliche Maßnahmen:

  • Die völlige Trennung von Religion (egal welcher) und Staat – also keine finanzielle Unterstützung, kein Religionsunterricht an den Schulen, keine religiösen Symbole in öffentlichen Gebäuden.
  • Eine gemeinsame Schule aller 6–19-jährigen inklusive Berufsausbildung ist die beste Integration und die beste Grundlage gegen religiösen Fundamentalismus.
  • Die Öffentliche Hand muss umfassende und kostenlose soziale Betreuung anbieten – Schulen, Kinderbetreuung, Pflege, Krankenhäuser etc. – und darf diese Leistungen nicht an (oft religiöse) Einrichtungen abgeben.

Strache als Rekrutierungsoffizier für den radikalen Islamismus?!

Hetzte die FPÖ in den 1990er Jahren noch gegen "Nigerianische Drogendealer" so hat sich ihr Feindbild nun zu Moslems/Muslima verschoben. Obwohl für die überwältigende Mehrheit aller Moslems/Muslima nach eigenen Angaben die Religion im Alltag keine Rolle spielt, zeichnet die FPÖ ein Bild, als ob alle burkatragende, bombenbastelnde Fundamentalisten wären. Mit Hetze a'la "Daham statt Islam" geht die FPÖ auf Stimmenfang. Sie lenkt damit ganz gezielt von ihrer eigenen Verantwortung (Stichwort: Zustimmung zur Pensionsreform) für die miese soziale Situation in Österreich ab.
Die Hetze hat aber auch noch eine andere Konsequenz: gerade junge Moslems/Muslima, die eigentlich eher säkular aufgewachsen sind, werden durch die ständige Ausgrenzung dem radikalen Islam geradezu in die Arme getrieben. Der Hassprediger Strache ist wohl einer der besten Rekrutierungsoffiziere für den radikalen Islamismus in Österreich.

Aktuelle Brennpunkte: Wien: Dammstraße, Telfs, Bad Vöslau

Obwohl der Islam in Österreich seit 1874 bzw. 1912 eine anerkannte Religionsgemeinschaft ist gibt es nur zwei Moscheen – in Wien und Telfs (und ca. 200 Gebetsträume). In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Fällen wo Moslems/Muslima in ihrem Recht, ihre Religion zu leben und auszuüben eingeschränkt wurden. Rechtsextreme und faschistische Gruppen, von FPÖ bis BFJ/AFP und NVP, aber wie im Fall der Brigittenau in Wien auch die ÖVP, wettern gegen Moscheen, Gebetsräume und Frauenschwimmtage. Die Argumente sind stets ähnlich: "die Moslems" würden sich "nicht integrieren", sie würden "unsere abendländische Kultur" nicht teilen, wären "rückständig", "frauenfeindlich", "antidemokratisch" und "reaktionär". Diese Argumente kommen von Organisationen die zuweilen dem NS-Staat positive Seiten abgewinnen können, radikale AbtreibungsgegnerInnen unterstützen und Gesetze beschließen, die demokratische Rechte massiv einschränken. Ganz bewusst wird rassistisch argumentiert, wird Stimmung gemacht. Die FPÖ z.B. hat ein Interesse daran, dass die Spannungen aufrecht bleiben – bieten sie doch eine Grundlage für den nächsten Wahlkampf.

Wir verteidigen demgegenüber die demokratischen Rechte aller (!) ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen, die hier leben. Das bedeutet u.a. auch:

  • Das Recht aller Menschen, ihre Religion auszuüben, inklusive des Rechtes, Moscheen zu bauen.
  • Die rechtliche Gleichstellung aller in Österreich lebenden Menschen inkl. der Möglichkeit für Doppelstaatsbürgerschaft

Wo ist die Trennlinie: Klasse oder Religion?

Tatsächlich müssen wir die Frage stellen: Was trennt wen und was sind die Gemeinsamkeiten? Moslems/Muslima arbeiten als Putzfrau und Bauarbeiter (die "Klassiker") aber auch als ÄrztInnen, LehrerInnen, StraßenbahnfahrerInnen, PolizistInnen, Büroangestellte, KFZ-MechanikerInnen. Sie sind selbstständig, haben einen Job oder sind arbeitslos. Sie leiden unter hohen Mieten, steigendem Arbeitsdruck und sinkenden Reallöhnen – wie auch christliche, jüdische und nicht-religiöse Beschäftigte. Die Trennlinie verläuft hier offensichtlich nicht zwischen Menschen unterschiedlicher Religion, sondern zwischen oben und unten, zwischen arm und reich. Religiöse und kulturelle Trennlinien – vor allem wenn sie bewusst neu gezogen oder aktuell besonders betont werden – verfolgenden demgegenüber einen klaren Zweck; ganz nach dem Motto "Wenn sich zwei streiten freut sich der dritte". Die Dritten sind in diesem Fall PolitikerInnen und Unternehmen, die ihren Sozialabbau betreiben und Beschäftigte gegeneinander ausspielen können. Oder eben Hassprediger á la Strache die ihre gesamte (jämmerliche) Existenzberechtigung aus dem Schüren solcher Konflikte beziehen. Teile der Gewerkschaften, bzw. ihrer Führung machen bei dieser Politik leider mit. Erst auf Druck der EU wurde in Österreich das passive Betriebsratswahlrecht für Nicht-StaatsbürgerInnen eingeführt. Im ÖGB gibt es kaum FunktionärInnen mit Migrationshintergrund. Trotz Lippenbekenntnissen setzt sich der ÖGB nach wie vor in erster Linie für ältere, männliche, österreichische Beschäftigte ein. Dadurch wird die gesamte ArbeiterInnenbewegung geschwächt. Daher:

  • Für kämpferische und demokratischeGewerkschaften, die gemeinsame Kämpfe von In- und AusländerInnen, egal ob religiös oder nicht, organisieren. So kann die Spaltung entlang ethnischer, religiöser bzw. nationalistischer Trennlinien überwunden werden.

Gemeinsam gegen Sozialabbau und Rassismus

Der Klassenkampf von oben wird mit voller Härte geführt. Milch, Fleisch und Wohnen werden immer teurer. Die Reallöhne sinken während die Gewinne explodieren.

Damit die Unternehmen nicht mehr die lachenden Dritten sind gilt es gemeinsam gegen Sozialabbau und Rassismus aktiv zu werden.

  • Arbeitszeitverkürzung und ein Mindestlohn für alle Beschäftigten – das schafft Jobs und ein Einkommen von dem mensch auch Leben kann. Und ist damit die beste Grundlage gegen die "Teile und Herrsche"-Politik
  • Für den Aufbau einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche mit sozialistischem Programm – denn religiöser Fundamentalismus und Rassismus bieten nur Scheinlösungen.
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