Ist der Mensch zu schlecht für den Sozialismus?

Manuel Schwaiger

Die tägliche Praxis zeigt, dass der Kapitalismus zu schlecht für den Menschen ist!

Spätestens seit Beginn der Weltwirtschaftskrise 2008 wird immer mehr Menschen klar, dass der Kapitalismus nicht funktioniert. Viele suchen nach einer Alternative, und immer öfter kommt „Sozialismus“ ins Spiel. Doch da kommen Argumente wie: “Der Sozialismus ist eine schöne Idee – aber er funktioniert nicht.” Aber stimmt das tatsächlich?

Die herrschenden KapitalistInnen versuchen, ihr System zu legitimieren – genau wie SklavenhalterInnen, Kirchenfürsten, KönigInnen und KaiserInnen auch versuchten, ihre jeweiligen Systeme als alternativlos darzustellen, bis sie dann doch gestürzt wurden. Die abschreckenden Beispiele der stalinistischen Staaten machen es ihnen leichter, den Kapitalismus als bestes System zu präsentieren. Wir zeigen in unserer Broschüre “Ist der Mensch zu schlecht für den Sozialismus?”, dass Sozialismus den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Menschen weit mehr entspricht und greifen gängige Vorurteile auf. Hier ein kurzer Überblick:

Das wohl häufigste Argument ist, Menschen seien zu gierig oder zu egoistisch, um in einer solidarischen Gesellschaft zu leben. Menschen schließen sich in Gruppen (Gesellschaften) zusammen, um bestimmte Bedürfnisse befriedigen zu können. Der Stand der Naturbeherrschung und die Form, wie Gesellschaften die Güter produzieren, die sie benötigen, stellen somit die Rahmenbedingungen für das Verhalten der Gesellschaftsmitglieder dar. Keine „menschliche Natur“ bestimmt unser Verhalten, sondern die Strukturen, die wir vorfinden, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Der Versuch, sich anderen gegenüber einen Vorteil zu verschaffen entsteht dort, wo es nötig ist, wo Mangel herrscht. So würde in Österreich niemand auf die Idee kommen, massenhaft Wasser zu horten, während solche Handlungen in trockeneren Staaten bewaffnete Konflikte auslösen können. Die technische Entwicklung hat uns längst in die Lage versetzt, alle lebenswichtigen Güter für alle im Überfluss zur Verfügung zu stellen. Im Kapitalismus ist das jedoch nicht der Zweck der Produktion von Gütern – sondern der Verkauf von Waren, also der Profit. So schafft der Kapitalismus künstliche Mängel. Diese Mängel und nicht die menschliche Natur führen auch zur Anwendung von Gewalt. Kriege etwa werden nicht durch die Bösartigkeit einzelner Personen verursacht, sondern stehen im Zusammenhang mit dem imperialistischen Wettstreit um Ressourcen und Absatzmärkte. Menschen werden auf allen Ebenen in Konkurrenz zueinander gedrängt: Firma gegen Firma, Staat gegen Staat, AusländerInnen gegen InländerInnen, Männer gegen Frauen usw. Dieses „Alle gegen alle“-System bringt Egoismus und Gewalt hervor. Rassismus, Sexismus und Homophobie werden als Antworten gesehen, um im allgemeinen Hauen und Stechen nicht selbst unter die Räder zu kommen. Das nützt den herrschenden Eliten. Sie stehen zwar selbst in Konkurrenz zueinander, haben jedoch das gemeinsame Interesse, jene, die die Profite für sie erarbeiten, unten zu halten. Die Aussicht, keinen Job und keine Zukunft zu haben, macht zu recht wütend. Gibt es kein Angebot, diesen Zustand durch eine starke ArbeiterInnenbewegung zu verändern, reagieren manche Menschen auf diese Verzweiflung mit Gewalt oder schließen sich terroristischen Gruppen an, die scheinbar Antworten auf ihre Probleme liefern. Die kapitalistische Ausbeutung und die imperialistischen Kriege erzeugen sowohl Flüchtlinge als auch Terrorismus. Der Kampf gegen Gewalt und Terrorismus muss daher letztlich auch immer ein Kampf gegen Kapitalismus sein.

Trotz all dieser gesellschaftlichen Zwänge handeln unzählige Menschen in zahlreichen Bereichen sozial, etwa durch ehrenamtliche Aktivität bei sozialen Projekten, Gewerkschaften und Parteien, freiwilligen Feuerwehren oder bei der Flüchtlingshilfe. Gerade diese Beispiele zeigen auch, dass Menschen keineswegs von Natur aus „faul“ sind und zur Arbeit gezwungen werden müssen. Menschen arbeiten gerne und viel - wenn sie Sinn und Nutzen, sowohl persönlichen als auch gesellschaftlichen, in ihrer Arbeit sehen. Arbeit im Kapitalismus ist oft sinnlos, schlecht organisiert, mies bezahlt, gefährlich und unangenehm. In einer sozialistischen Gesellschaft kann durch demokratische und deswegen effizientere Planung der Wirtschaft und den Einsatz aller technischen Möglichkeiten bei gleichzeitiger Abschaffung von z.B. schadhaften, unnötigen oder gefährlichen Produkten die Arbeitszeit stark reduziert werden. Wirtschaftlicher Fortschritt würde steigenden Lebensstandard bedeuten – nicht Profite. Unter solchen Bedingungen wäre Arbeit deutlich weniger unangenehm und ein Zwang zur Arbeit, wie er heute existiert, nicht mehr notwendig. Heute wird die Verschiedenheit von Menschen und ihren Bedürfnissen ignoriert, alle müssen “leisten” und “funktionieren”. Wenn aber die Menschen und ihre Bedürfnisse im Zentrum stehen, dann sind wir alle in unserer Verschiedenheit gleichwertig und können Potentiale entfalten, die im Kapitalismus z.B. durch Armut behindert werden.

Der Sturz des Kapitalismus durch die ArbeiterInnenklasse ist immer noch notwendig und möglich. Zwar mag der typische Industriearbeiter immer seltener werden. Aber auch Angestellte, prekär Beschäftigte und viele der „Freien DienstnehmerInnen“ sind ArbeiterInnen, die dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft gegen Lohn zu verkaufen. Oft sind gerade diese „neuen“ Schichten der ArbeiterInnenklasse am kämpferischsten: In den USA erkämpfen ArbeiterInnen von Fast-Food und Einzelhandelsketten den $15-Mindestlohn, in Deutschland und Österreich brodelt es ständig im Sozial- und Gesundheitsbereich. Auch revolutionäre Massenbewegungen brechen immer wieder aus. Aber wie der arabische Frühling gezeigt hat, können sie geschlagen werden, wenn es in diesen Bewegungen keine starken und organisierten Kräfte mit sozialistischer Perspektive gibt – mit all den schrecklichen Konsequenzen, die wir gerade sehen.

Die stalinistischen Staaten dienen den Herrschenden als abschreckendes Beispiel gegen sozialistische Ideen. Doch die Analyse der Entwicklung in Russland in den 1920er Jahren zeigt, dass es ein unterentwickeltes und armes Land war, das sich bereits seit Jahren im Krieg befand. Die Verwüstungen von Krieg und Bürgerkrieg zerstörten große Teile der Wirtschaft des Landes. Der massive Mangel war die Grundlage für die Entstehung einer abgehobenen Bürokratie, die sozialistische Konzepte brutal mit Füßen trat. Aufgrund der technischen Entwicklung und auch der Erfahrungen sind die Grundlagen für eine erfolgreiche sozialistische Revolution und die Errichtung einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft heute weit besser.

Es werden in der Zukunft wieder revolutionäre Situationen kommen – ob wir dann den Kapitalismus endgültig stürzen können hängt auch von Dir ab! Denn nicht der Mensch ist zu schlecht für den Sozialismus, sondern der Kapitalismus ist zu schlecht für den Menschen!

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