Irische SozialistInnen bleiben bei Nein zum Lissabon-Vertrag

Konsequente Kampagne auch bei Gegenwind
Jan Rybak

Als „campaign of fear“ – Kampagne der Angst wurde die Propaganda für eine „Ja“-Stimme für den Lissabonvertrag in Irland genannt. Einer breiten Einheit aus fast sämtlichen bürgerlichen Parteien, der Regierung, Banken, Konzernen und fast sämtlicher Medien gelang es mit Millionenaufwand das „Ja“ der irischen Bevölkerung für den Lissabonvertrag zu gewinnen. Zentrale Aussage war: Wenn ihr mit „Nein“ stimmt wird die Krise nur noch schlimmer, dann drohen Massenarbeitslosigkeit und Armut. Tatsächlich ist der Kern des Lissabonvertrags jedoch die Intensivierung eben jener Politik von Privatisierungen und Deregulierungen, die erst die Auslöser für die aktuelle Wirtschaftskrise waren. Zusätzlich würden alle EU-Länder zum Aufbau einer neuen EU-Armee verpflichtet, um die „wirtschaftlichen und politischen Interessen Europas zu verteidigen“. Dabei sind natürlich die wirtschaftlichen Interessen des europäischen Kapitals gemeint, die eine EU-Armee international durchsetzen soll. Das bedeutet Angriffskriege und Besetzungen.

ArbeiterInnen und Jugendliche sagten schon einmal „Nein!“

Im Juni 2008 erteilte die irische Bevölkerung dem Vertrag bereits eine klare Absage. 53,4 Prozent stimmten damals mit „Nein“. Zentraler Faktor in der Kampagne: Die Socialist Party (die irische Schwesterorganisation der SLP). Die SP betonte in ihrer Kampagne von Anfang an die Verschlechterungen auf sozialer wie auf politischer Ebene, die die Ratifizierung des Vertrages für die irische ArbeiterInnenklasse bedeuten würde. Dabei lehnte sie den bornierten Nationalismus von Organisationen wie der „Libertas“ von Declan Ganley immer grundsätzlich ab und bestand auf einer konsequenten internationalistischen Position. Die überwiegende Mehrheit der irischen ArbeiterInnenklasse und der Jugend stimmte maßgeblich in Folge der Kampagne der Socialist Party mit „Nein“. In Folge wurde auch Joe Higgins, Mitglied der Socialist Party und von den „Irish Times“ als einer der sieben wichtigsten Gründe für das Nein der IrInnen genannt. Bei den Wahlen vergangenen Juni wurde er in seinem Wahlkreis ins europäische Parlament gewählt.
Da das irische Referendum nicht den Wünschen der Regierungen entsprach wurde ganz einfach noch einmal abgestimmt. Das zweite Referendum fand in der Situation einer tiefen Wirtschaftskrise statt. Irland ist besonders stark betroffen. Zehntausende haben ihre Arbeitsplätze verloren. Mit Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und der Streichung von Sozialleistungen versucht die Regierung ihr tiefrotes Budget auf Kosten der ArbeiterInnenklasse und der Jugend zu sanieren. Dementsprechend verhasst ist die Regierung – 83 Prozent der IrInnen lehnen sie ab. Die Krise wurde von den Herrschenden genutzt um eine beispiellose Kampagne für den Lissabonvertrag zu starten. Der Chef von Ryanair – damit reich geworden, dass er die Rechte seiner Beschäftigten mit Füssen tritt – steuerte alleine 500.000 Euro für die „Ja“-Kampagne bei. Auf seinen Plakaten hetzte er gegen die GegnerInnen des Vertrages, allen voran Joe Higgins, Europaparlamentarier der Socialist Party. Und das nicht ohne Grund. Auch diesmal stand die SP an der Spitze der Bewegung gegen den Lissabonvertrag. Unzählige Plakate wurde geklebt und abertausende Flugblätter wurden verteilt. Joe Higgins nützte die Bühne des Europäischen Parlaments um die Kampagne gegen den Vertrag zu unterstützen.
Selbst ein Teil der Gewerkschaftsbürokratie unterstützte den Vertrag. Ungeachtet der Tatsache, dass er Lohndruck, Arbeitsplatzabbau, Privatisierungen und die Zurückdrängung der Gewerkschaften beinhaltet.
Nur Massenbewegung kann Angriffe jetzt noch stoppen.
Die Zustimmung der IrInnen zu dem Vertrag war ein Resultat der massiven (Lügen)Kampagne von Regierung und UnternehmerInnen. Sie, die die Krise selbst verursacht haben verkauften den Lissabonvertrag als Ausweg aus eben dieser. Das Votum war klar für den Vertrag. Es zeigt sich allerdings eine starke soziale Polarisierung. Reiche und Angehörige der „Mittelklassen“ stimmten mit überwältigender Mehrheit für den Vertrag. In den ArbeiterInnenvierteln von Dublin – hier lag auch der Schwerpunkt der Kampagne der Socialist Party – sah es allerdings ganz anders aus. Vor allem Frauen und junge ArbeiterInnen stimmten überwiegend gegen den Vertrag.
Eine Annahme des Vertrages – es fehlt nur noch die Unterschrift des tschechischen Präsidenten – wird schwere Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und die Jugend in Europa zur Folge haben. Der Aufbau einer neuen internationalen Massenbewegung um diese zu stoppen ist dringend notwendig. Die Angriffe, die im europäischen Maßstab wie in den einzelnen Ländern bevorstehen, werden hart sein. Die Socialist Party in Irland und ihre Schwesterorganisationen in ganz Europa haben gezeigt, wie eine intensive Kampagne gegen die neoliberalen Angriffe von Regierung und Kapital erfolgreich sein kann. Wir müssen heute beginnen uns zu organisieren um die kommenden Angriffe zurückweisen zu können. 

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