Internationaler Frauentag

Kampf für gleiche Rechte: Eingestaubtes Relikt oder notwendiger denn je?
Christine Lehnert, CWI-Deutschland

„Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ So stand es noch bis 1976 im „Gleichberechtigungsgesetz“ der Bundesrepublik. Nach den Buchstaben des Gesetzes sind Frauen heute gleichberechtigt. Wozu also noch der Frauentag?

Mädchen und Frauen werden wieder vermehrt mit konservativen Rollenbildern à la Eva Herman konfrontiert. Und auch die Einführung der Modegröße XS ist alles andere als entspannend für uns.

Weniger Geld für gleiche Arbeit

Viele Kämpfe der Frauen- und Arbeiterbewegung waren nötig, um der Frau den Weg vom Herd ins Berufsleben zu ermöglichen. Trotz aller Fortschritte müssen Frauen heute immer noch ungleiche Bedingungen ertragen.

Der Anteil von Frauen an allen Erwerbstätigen ist seit 1991 von 41,6 Prozent auf etwa 45 Prozent gestiegen (Statistisches Bundesamt). In den vergangenen Jahren hat die Frauenerwerbstätigkeit zwar zugenommen, das geht allerdings allein auf mehr Teilzeit-Beschäftigung zurück. Zwischen 1991 und 2004 sank die Zahl der Frauen, die Vollzeit arbeiten, um 1,6 Millionen, während die Zahl der Frauen, die Teilzeit arbeiten, um 1,8 Millionen anstieg. Die Quote der Frauen erhöhte sich von 30 Prozent auf 42 Prozent, wobei im Westen deutlich häufiger in Teilzeit (45 Prozent) gearbeitet wird als in Ostdeutschland (28 Prozent). Bei den Männern hingegen arbeiten nur knapp über sechs Prozent Teilzeit!

Frauen verdienen durchschnittlich nur 78 Prozent des Einkommens von Männern – bei gleichwertiger Arbeit. Im Westen verdienen Frauen im Durchschnitt 23 Prozent, in Ostdeutschland etwa zehn Prozent weniger. In Westdeutschland hat sich an dieser Situation in den letzten 50 Jahren wenig geändert.

Armut ist weiblich

Frauen sind generell stärker von Armut betroffen als Männer – obwohl sich der Abstand zwischen den Geschlechtern zunehmend verringert. Allerdings findet die Angleichung nach unten statt! 12,8 Prozent der Frauen in Westdeutschand und 21,1 Prozent im Osten waren offiziell im Jahr 2003 arm. Bei den Männern sind es „nur“ 11,6 Prozent beziehungsweise 17,1 Prozent. Besonders sind alleinerziehende Frauen betroffen. Über 84 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen und über ein Drittel von ihnen gilt als arm. Nachdem die Kinder dann aus dem Haus sind, ist allerdings kein Aufatmen angesagt. Denn schlechter bezahlte Frauenberufe, ungleicher Lohn trotz gleichwertiger Arbeit und die höhere Anzahl von Teilzeit-Beschäftigungen unter den Frauen führen zusätzlich dazu, dass Frauen im Alter häufiger als Männer von Armut betroffen sind. Im Westen sind die eigenständigen Renten der Frauen (keine Witwenrenten oder ähnliches) etwa halb so hoch wie jene der Männer, im Osten etwa zwei Drittel (WSI-FrauenDatenReport 2005).

Haushalt und Kinder sind immer noch Frauensache

Beruf und Kinder unter einen Hut zu bekommen, ist für Frauen nach wie vor extrem schwer. Immer noch ist Hausarbeit vorrangig Frauensache. Laut „Vorwerk Familienstudie 2006“ teilen sich nur fünf Prozent der Paare die Hausarbeit gleichberechtigt.

Die neu eingeführte Elternzeit bietet zwar auf dem Papier sowohl Frauen als auch Männern die Möglichkeit, eine Babypause zu machen. Doch da das Elterngeld mit 67 Prozent des Nettolohns einfach zu wenig ist, um mit dem Nachwuchs finanziell gut klar zu kommen, muss in der Partnerschaft derjenige weiterarbeiten, der mehr Geld verdient – und das ist, wie schon erwähnt, meist der Mann. So haben 2007 nur sieben Prozent der Väter für ihre Kleinen eine berufliche Auszeit genommen. Gleichberechtigung – Fehlanzeige!

In Deutschland sind lediglich 44,3 Prozent der Mütter mit kleinen Kindern und nur 37,1 Prozent der allein erziehenden Mütter berufstätig. Kein Wunder – wird doch für Westdeutschland erst für das Jahr 2013 eine 33 prozentige Versorgung mit Kinderkrippenplätzen angestrebt (Studie zur „Vereinbarkeit von Familie und Beruf im internationalen Vergleich“ im Auftrag des Bundesfamilienministeriums).

Magermodels und Schönheitswahn

Seit den 68ern ist viel in Bewegung geraten in puncto Gleichberechtigung. Trotz alledem sind die meisten Frauen nicht frei – von Selbstzweifeln, Kritik am eigenen Aussehen, dem eigenen Körper und dem Streben nach dem Schönheitsbild der Modewelt. Mehr denn je stehen Frauen heute unter dem Druck der Schönheitsindustrie, sich zu rasieren, epilieren, cremen, färben, bräunen, Extensions einzusetzen...

Gerade bei jungen Mädchen führen die stereotypen Vorstellungen vom Schönsein zu massiven Selbstbewusstseinsstörungen. Gut die Hälfte der 13- bis 14-Jährigen wollen nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung dünner sein. 63 Prozent sagen, dass sie gerne besser aussehen würden. Knapp zwei Drittel aller weiblichen Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr haben nach Angaben der Ärztekammer Niedersachsen mindestens einmal eine Diät zur Gewichtsreduzierung gemacht.

Aber auch erwachsene Frauen können sich dem Schönheitswahn nicht entziehen. Weniger als die Hälfte der befragten Frauen (41 Prozent) äußerten sich wirklich zufrieden mit ihrem Aussehen – 1978 waren das noch 56 Prozent (Brigitte-Umfrage). Um dem Schlankheitsideal zu entsprechen, hat mehr als jede fünfte Frau – aber nur jeder zehnte Mann – schon öfter versucht, ihr Gewicht durch Diäten oder Medikamente zu reduzieren.

Die Frau von heute soll neben dem Beruf auch noch Kind und Haushalt auf die Reihe kriegen und dabei das sexy Weib sein. „Desperate Housewives“ lässt grüßen. Auf Werbeplakaten und im TV lächeln uns die schönen, super-schlanken, faltenfreien Frauen an und erzeugen neben Selbstzweifeln auch noch einen weiteren negativen Effekt – sie präsentieren die Frau als Sexobjekt. Stets erotisch und willig, über Prostitution sogar käuflich. Wie eine Ware – im Warenhaus Kapitalismus. Dass MANN mit dieser Ware nicht immer sorgsam umgeht, ist dann eine logische Konsequenz.

Gewalt gegen Mädchen und Frauen

Jede Frau kennt die Angst vor einem Überfall, wenn sie abends durch einen dunklen Park geht. Viele nehmen Umwege in Kauf oder lassen sich abends abholen. Was für eine Welt, in der eine solche Beeinträchtigung des Lebens schon völlig normal erscheint! Dabei ist der Täter oft gar nicht der Fremde, vielmehr geschehen 70 Prozent der Übergriffe in Wohnungen. Schon jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren, die in einer Partnerschaft lebt oder gelebt hat, hat die Erfahrung mit Gewalt machen müssen. 58 Prozent der Frauen in Deutschland sind schon sexuell belästigt worden. 37 Prozent der Befragten sind Opfer körperlicher Misshandlung geworden.

Auch sexuelle Belästigung und sexualisierte Übergriffe am Arbeits- oder Ausbildungsplatz sind leider keine Seltenheit. So haben 22 Prozent aller befragten Frauen Situationen sexueller Belästigung in Arbeit, Schule oder Ausbildung seit dem 16. Lebensjahr mindestens ein Mal erlebt. Besonders Frauen in Probezeit oder anderen unsicheren Beschäftigungsverhältnissen werden häufig Opfer, da die Täter sich in Sicherheit wiegen, solange die Frauen Angst haben, den Job oder Ausbildungsplatz zu verlieren. Dabei geht es bei seelischen Verletzungen, sexuellen Angriffen oder körperlichen Schlägen um das Ausspielen von Macht durch die männlichen Täter. Vergewaltigungstäter wollen ihre Opfer erniedrigen und ihre Macht demonstrieren. Gerade hier ist noch viel zum Schutz von Mädchen und Frauen zu tun.

Die Betroffenen benötigen eine Perspektive, wie sie der Gewaltspirale entkommen können. Doch angesichts der leeren Kassen der Kommunen wird genau hier immer mehr gekürzt und so fallen Frauenhäuser und Projekte dem Rotstift zum Opfer. Die Frauen werden wieder allein gelassen.

Situation von Frauen weltweit

Die kapitalistische Globalisierung erschwert die Lage der Frauen in vielen Ländern. Frauen sind besonders betroffen, wenn Gesundheitsprogramme gestrichen werden. Frauen sind global Opfer von Krieg und Gewalt, von Mädchenhandel und Zwangsprostitution. Die Frauenarmut hat weltweit zugenommen. Noch immer haben Frauen in keinem Land der Erde den gleichen Zugang zu Bildung, Arbeit, Vermögen, politischer Betätigung und persönlicher Freiheit wie Männer.

Die großen Konzerne erzielen ihre Profite allzu oft auf dem Rücken der Frauen, die unter skandalösen Bedingungen in sogenannten Sweatshops arbeiten. Ihre Löhne sind so niedrig, dass sie kaum die Existenz sichern und die Frauen sind häufig sexueller Belästigung ausgesetzt.

Weltweit wird mindestens eine von drei Frauen im Laufe ihres Lebens geschlagen, zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder anderweitig sexuell missbraucht.

„Gender Mainstreaming“ oder Kampf für gleiche Rechte?

Das kapitalistische System hat auf alles eine Antwort und doch für nichts eine Lösung. Die Antwort auf das Drängen der Frauen nach Gleichberechtigung heißt heute „Gender Mainstreaming“. Das soll dazu führen, dass strukturelle geschlechtsspezifische Benachteiligungen auf allen Ebenen vermieden werden. Alles ganz offiziell, schließlich haben es die EU-Mitgliedsländer bereits im Amsterdamer Vertrag verankert.

Doch wie immer klafft hier eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Zwar gibt es nun Schulungen, Quoten und Gesetze, doch die ökonomische und soziale Stellung der Frau hat sich nicht wirklich angeglichen. Wie schon belegt, rangieren Frauen in puncto Lohn, Arbeit, Arbeitszeit, Familie, Berufswahl immer noch hinter den Männern und beim Faktor Dreifachbelastung unendlich weit vorn.

Die von oben verordnete Gleichstellung ist nichts anderes als eine Beruhigungspille für uns Frauen. Wirkliche Gleichberechtigung in Form von gleichem Lohn für gleiche Arbeit, ausreichend Kitaplätzen oder mehr finanzieller Unterstützung für Alleinerziehende würde Geld kosten und das geht den Vertretern der Banken und Konzerne gegen den Strich. Sie wollen natürlich keine höheren Löhne zahlen. Und Senkungen der Unternehmenssteuern sind ihnen lieber als Erhöhungen staatlicher Gelder für kostenlose Kitaplätze (Kindertagesstätten,  Anm.).

Da müssen wir den Herren und auch den Damen in den Chefetagen und in der Regierung einen Strich durch die Rechnung machen. Denn der Kampf für gleiche Rechte ist noch lange nicht zu Ende. Mit dem Wiedererstarken der Linken in Deutschland, mit einer steigenden Anzahl von Streiks und Kämpfen werden auch die Belange der Frauen wieder vermehrt auf die Tagesordnung gesetzt. Gemeinsam mit den männlichen Kollegen werden Frauen sich im Betrieb und im Stadtteil zur Wehr setzen und deutlich machen, dass die Grenze auch hier nicht zwischen Mann und Frau, sondern zwischen oben und unten verläuft.

Freiheit durch Sozialismus

Die Diskriminierung und Unterdrückung der Frau ist so alt wie die Teilung der Gesellschaft in Herrschende und Beherrschte. Die systematische Benachteiligung der Frauen ist rein zahlenmäßig die größte Spaltung der Gesellschaft. Teile und Herrsche, ohne dieses Prinzip könnte eine kleine Minderheit nicht die große Mehrheit beherrschen.

Um die Unterdrückung der Frau zu beenden, muss eine Gesellschaft errichtet werden, in der die Unterdrückung überhaupt beendet ist. Das ist nur möglich in einer vollkommen demokratischen, sozialistischen Gesellschaft. Sie schafft nicht nur die politischen, sondern auch die materiellen Grundlagen für die Befreiung der Frau. Dazu gehören insbesondere eine personell optimal ausgestattete öffentliche Betreuung der Kinder. Und dazu zählt die Befreiung von der alltäglichen Mühsal der Hausarbeit – für Frauen und Männer – durch ein für alle bezahlbares Angebot qualitativ hochwertiger öffentlicher Küchen, außerdem die Möglichkeit eines Waschservices, um das leidige Waschen und Bügeln zu rationalisieren (wie es in der Industrie längst üblich ist). Eine radikale Arbeitszeitverkürzung ist möglich und schafft die Voraussetzung, dass Frauen und Männer Zeit für sich und ihre Kinder haben.

Erst dann werden Frauen sicher und frei leben können. Erst dann werden Frau und Mann keine Gegner mehr sein und Bücher wie „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ nur noch ein verwundertes Kopfschütteln hervorrufen.

Christine Lehnert ist für die SAV/Liste gegen Sozialkahlschlag Mitglied in der Rostocker Bürgerschaft

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