Griechenland-Krise: was tun GewerkschafterInnen?

Die Gewerkschaft Bau-Holz veröffentlichte Ende Juni eine Resolution unter dem Titel "Griechenland: Ja zu Hilfsmaßnahmen - Nein zu Schuldenerlass". Vorwärts bat den Vorsitzenden der Gewerkschaft Bau-Holz, Johann Holper, um eine Stellungnahme. Franz Neuhold vom SLP-Bundesvorstand erklärt die Position der SLP.

Von Johann Holper, GBH Bundesvorsitzender

"Natürlich ist die Wirtschafts- bzw. Finanzkrise in der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) ein brandheißes Thema und wird intensiv analysiert und diskutiert.

Beim GBH–Bundesvorstand im Juni waren die Vorkommnisse rund um Griechenland und die Probleme der Euro-Zone wichtige Themen. Im Beisein von Experten wurden mögliche Szenarien vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Nach konstruktiven Debatten und ausführlichen Beratungen haben wir uns als Gewerkschaft Bau- Holz entschlossen, gegen einen Schuldenerlass für Griechenland Partei zu ergreifen.

Das größte Risiko eines etwaigen Schuldenerlasses ist, dass es ab dem Zeitpunkt wo der sogenannte „haircut“ (kompletter Schuldenerlass) erfolgt, für Griechenland fast unmöglich wird, über den Finanz- und Kapitalmarkt liquide Mittel aufzunehmen. Das würde die letzte Glaubwürdigkeit in die griechische Finanzpolitik vernichten.

Eine weitere Folge könnte sein, dass dieser „haircut“ auf weitere Länder der Euro-Zone eine beispielgebende Wirkung haben könnte: Warum sollten dann z. B. nicht auch Irland die Schulden erlassen werden? Die logische Folge wäre ein kompletter Zusammenbruch der europäischen Finanz- und Bankenwelt. Ohne Zweifel wären in diesem Horrorszenario wieder nur die Arbeiterinnen und Arbeiter „dran“. Dies kann und darf nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Die arbeitenden Menschen – egal ob in Griechenland oder Österreich – haben einen Anspruch auf die von Ihnen erwirtschafteten Werte. Zusätzlich würde ein Schuldenerlass die weltweite Privatisierungslawine wahrscheinlich weiter antreiben. Eines steht zweifelsfrei fest: Auch zukünftige Gläubiger werden von Griechenland Sicherheiten für ihre Kredite verlangen. Dieses Risiko, dann auch noch die letzten griechischen Vermögenswerte zu verlieren, ist den griechischen Arbeiterinnen und Arbeitern nicht zuzumuten.

Wir die Gewerkschaftsbewegung verstehen uns seit jeher als internationale, solidarische Gemeinschaft – und somit sind wir überzeugt, dass diese Systemkrise nur durch gemeinsame Anstrengungen und ein nachhaltiges Engagement von allen demokratischen Kräften zu meistern bzw. zu überwinden ist. Schlussendlich wäre das auch ein fatales Signal, vor allem an die junge europäische Bevölkerung – nach dem Motto „Alles egal – nach mir die Sintflut!“. Einen politischen Stil dieser Prägung können und wollen wir im Interesse aller nicht gutheißen."

Von Franz Neuhold, SLP-Bundesvorstand

"In Griechenland droht eine Halbierung der Durchschnitts-Löhne. Zwei Drittel der PensionistInnen erhalten weniger als 600 €. Die Arbeitslosigkeit trifft dauerhaft über 25% der Bevölkerung. Im Öffentlichen Dienst sollen 150.000 Jobs zerstört werden. Auf den Kündigungslisten stehen ganz oben v.a. Gewerkschafts-AktivistInnen. Dabei haben die ArbeiterInnen die Krise nicht verschuldet. Was soll eine Gewerkschaft in dieser dramatischen Lage tun?
Der Vorsitzende der GBH, Johann Holper, erkennt in der besagten Resolution zwar an: "Die ArbeitnehmerInnen zahlen die Zeche". Doch die wesentliche Forderung der GBH dreht sich allein um die "Reduzierung von Budgetdefiziten" und Eurostabilität. Man ist eigentlich zur Genüge gewohnt, diese Begriffe von Bankern und der bürgerlichen Politik zu hören. Doch die Menschen in Griechenland spüren am eigenen Leib, wofür diese Wörter stehen: Verfall des Lebensstandards.
Griechenland ist nicht gleich Griechenland. Sind die Interessen der arbeitenden und arbeitslosen Menschen gemeint oder jene der Banken und Superreichen, die allein im letzten Jahr 60 Milliarden € außer Landes geschafft haben? Wo sind die satten Gewinne der Periode von Mitte der 90er bis 2007?
Die kapitalistischen Lösungsversuche sind zum Scheitern verurteilt: EU und Währungsfonds erzwingen den Sozialkahlschlag als Bedingung für den "Rettungsschirm", der in erster Linie nur den Banken im In- und Ausland nützt. In Folge werden Betriebe deutlich unter Wert privatisiert, die Löhne sinken dramatisch und mit ihnen die Kaufkraft. Während die Superreichen verschont bleiben und der Zinsendienst fröhlich weiterläuft, wird die Staatsverschuldung wahrscheinlich weiter steigen. Vom ersten "Memorandum" 2010 bis heute kletterte sie von 140 auf knapp 160% des BIP. Es geht nicht darum, einen Schuldenerlass von den Herrschenden in Europa zu erbitten sondern darum, dass die griechischen (und auch andere) ArbeiterInnen in Massenbewegungen erkämpfen, dass die Schulden nicht bezahlt werden.
Eine grundsätzliche Schlussfolgerung aus alldem wäre, dass die ArbeiterInnen als maßgebliche gesellschaftliche Kraft das Heft in die Hand nehmen und die Kontrolle der Wirtschaft den Händen der korrupten Eliten entreißen. Das würde auch die Forderung nach Enteignung der rund 200 Milliarden € bedeuten, die gegenwärtig (noch) von griechischen Kapitalisten im Inland gehortet werden. Gewerkschaften sollten hierfür ein organisatorisches Werkzeug sein. Die Zwangsjacke der kapitalistischen Logik anzubehalten würde hingegen in die Katastrophe führen."

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