Gesundheit im Sozialismus

Befreit die Gesundheit von Markt und Profit!
Carsten Becker

Der Artikel erschien zuerst auf der deutschen Homepage der SAV (deutsche Schwesterorganisation der SLP) http://sozialismus.info, die nachfolgenden Forderungen beziehen sich auf Deutschland.

 

Natürlich kann keiner wissen, wie ein Gesundheitssystem im Sozialismus genau aussehen würde, aber einige Eckpunkte können sicherlich heute schon schlaglichtartig beleuchtet werden. Denn vieles für die Gesundheit und zur Vermeidung von Krankheit Notwendige ist bereits seit über hundert Jahren bekannt, wird aber wegen den menschenverachtenden „Gesetzmäßigkeiten des Marktes“ erst in einer sozialistischen Gesellschaft umgesetzt werden.

Die größten katastrophalen Missstände heutiger Gesundheitspolitik haben ihre Ursache im Unvermögen, auf der Grundlage der derzeitigen Gesellschaftsordnung längst gewonnene Erkenntnisse umzusetzen.

Armut macht krank

Die meisten Menschen, die auf Grund einer Erkrankung sterben, sterben an heilbaren Krankheiten. Hunger und Armut sind die Haupttodesursachen auf unserem Planeten. Nur ein Drittel der Menschen in Asien und Afrika haben Zugang zu sanitären Einrichtungen. Die Verbesserung des Gesundheitszustandes ist in erster Linie einfach eine Frage der Verbesserung der Lebensbedingungen. Und diese Erkenntnis ist weder neu noch ausgesprochen sozialistisch. Schon 1848 schrieb der Meiziner Richard Virchow: „Wenn der Staat es zulässt, dass durch irgend welche Vorgänge, sei es des Himmels oder des täglichen Lebens, Bürger in die Lage gebracht werden, verhungern zu müssen, so hört er rechtlich auf, Staat zu sein, er legalisiert den Diebstahl (die Selbsthülfe) und beraubt sich jedes sittlichen Grundes, die Sicherheit der Personen oder des Eigenthums zu wahren. Dasselbe ist der Fall, wenn er zulässt, dass ein Bürger gezwungen wird, in einer Lage zu beharren, bei der seine Gesundheit nicht bestehen kann.“

Länger leben

Auch vor unserer Haustür haben die gesellschaftlichen Bedingungen sogar wieder im verstärkten Maße unmittelbare Auswirkung auf die Gesundheit. In den armen Stadtvierteln Berlins ist die durchschnittliche Lebenserwartung zehn Jahre kürzer als in den noblen Vierteln im Südwesten der Stadt.

Eben solches gilt auch für die Arbeitsbedingungen. Stress, Arbeitsverdichtung, zu lange Lebensarbeitszeit, Nachtarbeit und Schichtdienst (allein das verkürzt die Lebenserwartung statistisch gesehen um zehn Jahre), Arbeitslosigkeit und in weiten Teilen der Welt Kinderarbeit – all dieses im Interesse der Beschäftigten konsequent anzugehen, wäre ein weiterer Meilenstein zur Genesung der Menschheit. Arbeitspolitik ist Gesundheitspolitik!

Zugang zu medizinischen Einrichtungen

Ein weiterer einfacher, aber ebenso wirksamer Schritt wäre der freie, kostenlose Zugang zu medizinischen Einrichtungen und Medikamenten. Es sind allein die gesellschaftlichen Bedingungen und die Profitgier der Pharmakonzerne, sowie der Industrie für Medizinprodukte beziehungsweise -geräte, die dieses verhindern und Millionen von Menschen an heilbaren/behandelbaren Erkrankungen sterben lassen.

Flächendeckende Schwangerenvor- und -nachsorge und ausreichender Impfschutz für alle Kinder dieser Welt würde die Kindersterblichkeit auf einen Schlag um ein Vielfaches reduzieren.

Krankheiten im Sozialismus?

Auch in einer sozialistischen Gesellschaft oder auch später noch, wenn diese sich weiterentwickelt hat, werden Menschen krank, kommen krank oder mit Behinderungen oder Fehlbildungen auf die Welt.

Wer geboren wird, muss sterben. „Denn alles, was entsteht ist wert, dass es zu Grunde geht“ (Goethe, „Faust“). Aus diesem biologischen Grundsatz schöpft die Natur dieses Planeten ihre Kraft zu Vielfalt, Veränderungen und Weiterentwicklung, auch die der Gattung Mensch.

Die Verinnerlichung dieses Grundsatzes in der Gestaltung eines menschenwürdigen Lebens auch in Krankheit und/oder mit Behinderung, sowie ein menschenwürdiges Sterben werden die Hauptaufgaben der Medizin der Zukunft sein.

Natürlich wird es weitere Durchbrüche in der Diagnostik und Behandlung von Leiden und Erkrankungen geben. Insbesondere, wenn die Forschung nicht mehr behindert wird durch ihre Bezahlbarkeit und die künftige Profitabilität auf dem Gesundheitsmarkt.

Auch wird es sicherlich Veränderungen in Diagnostik und Behandlungen geben, wenn die „Schulmedizin“ von der Profitgier des Gesundheitsmarktes befreit und mit dem verknüpft werden könnte, was von der „alternativen Medizin“ und der „Naturheilkunde“ übrig bleibt, wenn diese von ihrem esoterischen und pseudo-religiösen und religiösen Beiwerk befreit werden.

Für demokratische Strukturen

Gesundheit im Sozialismus bedeutet zunächst also Verbesserung der Lebensbedingungen und einen freien Zugang zu medizinischen Einrichtungen. Ergänzt durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen würde dieses zur wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes der Menschheit beitragen.

Eine von „Marktzwängen“ befreite Forschung und eine Bildung für alle werden zu einem enormen Schub in wissenschaftlichen Erkenntnissen allgemein und damit auch zu verbesserter Diagnostik und Behandlung in der Medizin führen.

Die größten Veränderungen werden aber, in meinen Augen, geschaffen durch eine neue Sicht auf Gesundheit und Krankheit in einer von Profitgier sowie Ausgrenzung und Unterdrückung befreiten Gesellschaft.

Carsten Becker ist Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe am Berliner Uniklinikum Charité*.
*Angabe der Funktion dient nur zur Kenntlichmachung der Person

 

Forderungen der SAV*:

*Die SAV ist die deutsche Schwesterorganisation der SLP.

  • Sofortige und nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern durch die Schaffung von 160.000 Stellen bundesweit.
  • Wie an der Charité: Kampf für eine Mindestpersonalbesetzung per Tarifvertrag. Dadurch kann der Druck für eine einheitliche gesetzliche Regelung gesteigert werden.
  • Für massives staatliches Investitionsprogramm zur Sanierung von Krankenhäusern, zum Aufbau eines Netzes von Polikliniken, zur Verbesserung und Förderung der Gesundheitsvorsorge und Forschung
  • Drastische Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich
  • Weg mit den Fallpauschalen. Wettbewerbs- und Profitprinzip haben in Krankenhäusern und im Gesundheitswesen nichts zu suchen.
  • Keine Privatisierung. Rekommunalisierung privatisierter Häuser und Wiedereingliederung ausgegliederter Betriebsteile.
  • Für die Zusammenführung aller Krankenkassen (auch aller Privatversicherungen) zu einer einzigen öffentlichen Krankenkasse bei Arbeitsplatzgarantie für alle Beschäftigten ein. Das wäre ein erster Schritt zur Umwandlung des Gesundheitswesens zu einem kostenlosen, staatlichen, also steuerfinanzierten, Gesundheitswesen.
  • Überführung privater Klinik- und Pharmakonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und PatientInnen
  • Die Errichtung von demokratischen Strukturen in den Gesundheitseinrichtungen, in denen Beschäftigte, ExpertInnen, PatientInnen und Bevölkerung zusammen arbeiten, werden ebenfalls weitere Veränderungen und Verbesserungen in der Gesundheitspolitik bringen.