Generalstreik in Belgien geplant

Lena Goeth

Generalstreik in Belgien geplant

Obwohl Gewerkschaften eine stärkere Tradition haben als in Österreich, wurde auch dort Corona als Vorwand genommen, keine Arbeitskämpfe zu führen. Nun aber hat die Gewerkschaft zu einem Generalstreik am 9.11. aufgerufen. Während in der österreichischen Herbstlohnrunde nur die Metaller-Forderungen die (offizielle) Inflation abdecken, ist die automatische Inflationsanpassung in Belgien erkämpft und mittlerweile gesetzlich geregelt. 

Zuletzt kam es 2014 in Belgien zu einem Generalstreik: Im Dezember hatten in den Provinzen Streiks begonnen, die sich bald aufs ganze Land ausweiteten. Weihnachten und die Terroranschläge um “Charlie Hebdo” wurden als Vorwand genutzt, die Streiks nicht fortzusetzen. Noch heute fühlen sich viele der Arbeiter*innen betrogen, was die Gewerkschaften in Kombination mit der derzeitigen Situation unter Zugzwang bringt. 

2022 - 2 Jahre Pandemie und ein Krieg, in beiden wird zum nationalen Schulterschluss aufgerufen. Dass dieser Kürzungen für die Beschäftigten zur Folge hatte, wurde spätestens dann klar, als die Profite der Konzerne stiegen und die Löhne gerade mal an den offiziellen Inflationsindex angepasst wurden.

Mit dem Generalstreik soll auch die Abschaffung des Gesetzes von 1996 erkämpft werden. Dieses besagt, dass die Forderung der Lohnerhöhung (nicht Indexanpassung!!) nie höher als die durchschnittliche Lohnerhöhung der Nachbarländer sein darf, was kaum Spielraum lässt. Die Beschäftigten selbst wollen und brauchen aber mehr.

 

“Wir brauchen einen Eskalationsplan”

Interview mit Wouter, 38 einem Betriebsrat im Genter Sozialbereich und Aktivist der belgischen Sektion der ISA.

Wouter, wie kann die Gewerkschaft so viele Menschen in den Streik führen?

In Belgien sind 55% der Bevölkerung gewerkschaftlich organisiert, da Gewerkschaften unter anderem als Sozialservice fungieren. In den letzten 150 Jahren hat sich eine Streiktradition entwickelt. Momentan mobilisieren wir von der LSP/PSL (ISA in Belgien) mit der “Operation Wahrheit", um zu zeigen, wie viel Gewinn die Konzerne die letzten Jahre gemacht haben. Letztendlich ist das Thema selbst und die Einstellung der Betriebsräte ausschlaggebend. 

Die automatische Inflationsanpassung klingt super. Stimmt die Berechnung?

Die Anpassung stimmt zwar, jedoch sind einzelne Sektoren aus der Berechnung ausgenommen und so sinken die Reallöhne. Z.B. wurden in den 90ern Benzin, Gas, Tabak und Alkohol aus der Berechnung exkludiert. Je nach Sektor wird monatlich, quartalsweise oder jährlich angepasst. All das verzerrt die Berechnung stark. Außerdem sind z.B. Scheinselbstständige von Lieferdiensten etc. ausgenommen. Dafür ist ein Kollektivvertrag nötig.

Was sind die konkreten Forderungen für den Generalstreik?

Unsere Hauptforderung ist die Lohnerhöhung um 2€ pro Stunde statt Einmalzahlungen sowie die Verstaatlichung und die demokratische Kontrolle des Energiesektors. Besonders ist, dass wir keine prozentuale Lohnerhöhung fordern, um kleine Löhne zu bevorzugen. Natürlich sind wir auch für die Abschaffung des Gesetzes von ‘96.

Wie wird der Streik organisiert und wie kann der Kampf gewonnen werden?

Im Juni fand eine Demonstration mit 80.000 Menschen gegen das Gesetz von ‘96 statt. Die sozialistische Gewerkschaft hat die Stimmung aufgegriffen und Aktionen im September angekündigt. Am 21.9. konnten über 10.000 aktive Gewerkschafter*innen mobilisiert werden, um demonstrierend zur Vertretung der Wirtschaft zu gehen. Die Forderung von LSP/PSL nach Verstaatlichung des Energiesektors ist auf offene Ohren gestoßen. Jedoch fehlt es an einem Eskalationsplan. Wir schlagen Betriebsrät*innen vor, Treffen zur “Operation Wahrheit” zu organisieren und Eskalationsmöglichkeiten zu diskutieren, um so Druck von unten aufzubauen.

 

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