G7-Gipfel: 7.500 demonstrierten in Garmisch Patenkirchen

Bericht aus Deutschland
Ursel Beck, CWI-Deutschland

Einen Tag vor Beginn des G7-Gipfels fand nach der Demo von 40.000 in München am 4.6. eine weitere Demo statt. Diesmal ganz in der Nähe des offiziellen Tagungsortes Schloss Elmau im oberbayrischen Partenkirchen. Nach Angaben des Bündnisses „Stop G7 Elmau“ waren es 7.500 DemoteilnehmerInnen.

Kein Demoteilnehmer wusste, ob er an diesem Tag überhaupt in der Hochsicherheitszone in und um Garmisch-Partenkirchen bis zum Demoort durchkommt. Unser von attac und ver.di Stuttgart organisierter Bus musste zwei Polizei-Kontrollstellen passieren. Die befürchteten Durchsuchungen und Personenkontrollen blieben jedoch aus. Aber tausende mehr Polizisten als in Heiligendamm vor 8 Jahren wurden aufgeboten, um zu verhindern, dass es wie damals dazu kommt, dass der Gipfel gestört wird. Die Angaben über die Zahl der eingesetzten Polizisten schwanken von 19.000 bis 24.500. Und so sah man bei der Anfahrt bereits mehr Bullen am Straßenrand als Kühe auf der Weide.

Bunter Demozug

Nach einer kurzen Auftaktkundgebung formierte sich der Demozug über die Straßen von Partenkirchen und über all die wegen der Gipfelproteste zugeschweißten Gullis. Auffallend waren die vielen selbst gemachten Schilder und Transparente gegen die G7, gegen TTIP, gegen Gentechnik, für Demokratie. Von den politischen Parteien war in Partenkirchen – im Unterschied zu München – nur DIE LINKE mit einem Infostand und einem leider sehr bescheidenen Demoblock präsent. SAV-Mitglieder in NRW waren maßgeblich an der Organisierung eines linksjugend [‘solid] Blocks beteiligt. Mitgebracht hatten sie große Banner mit der Aufschrift „Stop g7! Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte“ und „Nieder mit dem Kapitalismus! Weltweit gegen Ausbeutung, Krieg und Krise! Für sozialistische Demokratie.“

Leider war es eine Stop- und Go-Demo bei dem die Stops länger waren. Entschädigt wurden die Demoteilnehmer dabei mit dem Ausblick auf das grandiose Alpenpanorama und den schneebedeckten mehr als 2.000 Meter hohen Waxenstein.

Als die Demo an einem Flüchtlingswohnheim Stop machte, wurde von einem Lautsprecherwagen eine kurze Rede zur Flüchtlingsfrage gehalten und der Sprechchor gerufen „Say it loud, say it clear, Refugees are welcome here“..

Polizeiprovokationen gegen Demo

Die massiv aufgebotenen Polizeikräfte mussten offensichtlich ihre Präsenz irgendwie rechtfertigen und suchten ständig nach nicht genehmigten Protestformen, wie angebliche zu langen oder zusammengeknoteten Transparenten,. Das nahmen sie zum Anlass immer wieder die Demo aufzuhalten. Während einer Zwischenkundgebung gab es ein Aktionstheater auf der Bühne des vordersten Lautsprecherwagens. Es ging dabei um eine Kritik an dem täglichen Massenmord im Mittelmeer und den Kriegseinsätzen der G7. Die Polizei provozierte währenddessen eine Rangelei und setzte Schlagstock und Pfefferspray ein. Es gab einige verletzte Demonstranten. Nachdem die Demo von der Polizei lange vorne abgeblockt wurde, entschied die Demo-Leitung einige Zeit umzukehren und auf der gleichen Route zurückzugehen.

Am Kundgebungsplatz angekommen zog leider ein schweres Unwetter auf. Die Abschlusskundgebung fiel buchstäblich ins Wasser. Ohnehin traten die meisten Busse bereits um 19.00 Uhr die Heimreise an. Andere DemoteilnehmerInnen flüchteten vor dem Regen in eine Unterführung oder ins Bahnhofsgebäude. Jemand machte hier die Durchsage, dass eine Frau aus Partenkirchen für zwei Frauen einen Übernachtungsplatz anbiete. Auf der Bündnis-Fayebook-Seite wurde am Abend gemeldet, dass „immer mehr Anwohner_innen“ Schlafplätze anbieten würden. Auch trockene Wechselklamotten waren nach dem Regen blitzschnell aufgetaucht.

Reaktion der einheimischen Bevölkerung

Im Unterschied zur Demo in München, haben sich wohl nicht viele EinwohnerInnen an der Demo in Partenkirchen beteiligt. Im Vorfeld war die Bevölkerung von Oberbayern durch die Polizeipräsenz, die Sicherheitsmaßnahmen und eine unglaubliche Hetzkampagne gegen angeblich „gewaltbereite Demo-Chaoten“ aufgehetzt worden. In den Schaufenstern der Geschäfte hingen Zettel mit der Aufschrift „Aus Sicherheitsgründen haben wir vom 5.6. bis 8.6. geschlossen“ Einige Hofeinfahrten und Schaufenster waren mit Spanplatten vernagelt. Viele BewohnerInnen aus dem Ort standen jedoch am Straßenrand. Andere schauten aus den Fenstern. Manche haben freundlich gewunken. Vereinzelt hingen Transparente gegen den Gipfel aus den Fenstern. Ich hab niemand gesehen, der DemoteilnehmerInnen angepöbelt hat. Die Organisatoren hatten Flyer zur Verteilung an die Bevölkerung vorbereitet. Eine ältere Frau gibt sich mir gegenüber als Ortsansässige zu erkennen. Auf die Frage, warum sie sich an der Demo beteiligt, sagte sie: „Es müsse sich jetzt mal was ändern. So geht es einfach nicht mehr weiter“ Sie berichtet mir auch davon, wie die Bevölkerung im Vorfeld der Proteste gegen die Protestierenden aufgehetzt worden war. Aber das war für sie erst recht ein Grund sich daran zu beteiligen. Auf die Frage, wie viel sich denn sonst noch aus dem Ort in die Demo eingereiht haben, meint sie: „nicht viele“. Auffallend bei der Demo waren aber GentechnikgegnerInnen aus bayrischen Landkreisen. So wie die einheimischen DemoteilnehmerInnen haben sich auch noch andere BewohnerInnen der Drohung auf Ächtung bei jedweiter Zusammenarbeit mit den DemonstrantInnen widersetzt. Dazu gehört der Bauer, der für das Protestcamp seine Wiese zur Verfügung gestellt hat. Ein Campteilnehmer aus Stuttgart berichtet mir, der Bauer sei sogar beim Eröffnungsplenum gewesen sei und hätte was gesagt. Bei der Auftaktkundgebung wurde berichtet, dass die katholischen Landfrauen für die CampteilnehmerInnen Suppe gekocht und angeboten hätten bei ihnen zu Hause zu duschen. Ein Bäcker habe Mehl und mehrmals Brot und Kuchen vorbeigebracht. Einheimische seien zum Camp gekommen. Erst wohl aus Neugier und wegen der Attraktion. Aber dann sei man auch ins Gespräch gekommen, berichtet ein Camp-Teilnehmer. Wahrscheinlich hat der Staatsapparat mit seiner massiven Polizeiaufgebot bereits Wochen vor dem Gipfel die Bevölkerung vor Ort nicht, wie erwartet auf seine Seite gebracht, sondern eher Fragen, Zweifel und sogar Unmut provoziert. Auch die Tatsache, dass der Gipfel 370 Millionen Euro kostet, ein 16 km langer Zaun gezogen wurde und plötzlich Geld für Infrastrukturmaßnahmen rausgehauen wurde, während es sonst ja immer fehlt, hat mit Sicherheit keine Sympathiepunkte gebracht. Bei der Demo wurde berichtet, dass ein Brand in einem Ort erst mit Verzögerung gelöscht werden konnte, weil alle Löschfahrzeuge der Feuerwehr in der Umgebung für die Sicherheit des G7-Gipfels requiriert waren. Erwähnt werden sollte an dieser Stelle auch, dass die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen das politische Establishment und Sportfunktionäre im Jahr 2013 damit geschockt hat, dass sie eine mit einem enormen Propagandaaufwand eingefädelte Bewerbung für die olympischen Winterspiele 2022 mit einem Bürgerentscheid zu Fall gebracht hat.

Deutlich kleinere Protest als beim G8-Gipfel in Heiligendamm

Die Proteste in Heiligendamm waren viel kleiner als 2007 in Heiligendamm. Damals waren 80.000 auf einer Demo in Rostock und 18.000 bei den Protestcamps und den Blockaden. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass es angesichts der topografischen Lage des Tagungsortes Schloss Elmau und noch mehr Polizisten als in Heiligendamm aussichtslos erschien, ähnlich zu stören wie vor acht Jahren. Es hätte die Kräfte auf der Linken wohl auch überfordert nach den Blockupy-Protesten in Frankfurt im März innerhalb weniger Monate zwei ressourcenaufwendige Mobilisierungen hinzubekommen. Hinzu kam, dass das Protestcamp zunächst verboten war und dieses Verbot erst am 2. Juni vom Verwaltungsgericht München aufgehoben wurde. Die Interventionistische Linke, die in Heiligendamm und bei Blockupy eine große Rolle spielte, war in Garmisch wenig präsent. Die Partei DIE LINKE hatte am selben Wochenende ihren Bundesparteitag in Bielefeld.

Von Seattle 1999 über Genua 2001 bis Heiligendamm 2007 waren Proteste gegen Gipfeltreffen in den letzten 15 Jahren eine zentrale Protestform von GlobalisierungsgegnerInnen und Linken. Das war damals von großer Bedeutung. Weil es der Anfang davon war nach der Restauration des Kapitalismus und der damit verbundenen neoliberalen Politik der Herrschenden wieder in die Offensive zu kommen. Aber inzwischen sind solche Proteste Proteste unter vielen. Es ist ein Fortschritt wenn mehr und mehr Menschen vor Ort aktiv werden, wie z.B. gegen Stuttgart 21, gegen Neonazis und Rassismus, gegen den Mietenwahnsinn und vieles mehr. Die Streiks der LokführerInnen, der ErzieherInnen, der Post- und Einzelhandelsbeschäftigten sind eine neue Qualität direkte Klassenauseinandersetzung und es ist gut, wenn die politische Linke sie vor Ort unterstützt. Treffen von PolitikerInnen, die nur Marionetten der Konzerne und Banken verlieren vor diesem Hintergrund ihre überragende Bedeutung.

G7 – Gipfel der Arroganz, Anmaßung und Heuchelei

Arroganz deshalb, weil sich die Regierungschefs der G7-Länder (USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Japan, Frankreich, Italien) und ihre Lobbyisten auf einem zur Festung ausgebauten Schloss fernab von den Problemen und Protesthochburgen in der Welt, in einen idyllischen Winkel zu Geheimverhandlungen zurückziehen, sich von tausenden von Polizisten schützen lassen und für ihr zweitägiges Event in Zeiten wachsenden Elends 370 Millionen Euro verprassen. Zum Vergleich: der Gipfel in Heiligendamm hat 92 Millionen Euro gekostet.

Anmaßung deshalb, weil die Mächtigen der G 7, einzig aus ihrer ökonomischen und militärischen Überlegenheit ein politisches Mandat für eine Art Weltregierung ableiten. Dabei leben in diesen Ländern nur knapp 10% der Weltbevölkerung.

Heuchelei deshalb weil die G7-Chefs so tun, als sie Probleme der Welt lösen würden, die sie selber verursachen. Ihr Gipfel-Erklärungen sind das Papier nicht wert auf dem sie stehen. Der Globalisierungsgegner Jean Ziegler hat bei seiner Rede bei der Großdemonstration am 4. Juni daran erinnert, dass der Gipfel in Heiligendamm beschlossen hätte, Spekulation mit Nahrungsmitteln zu verbieten. Heute würde mehr mit Nahrungsmitteln spekuliert als vor acht Jahren, so Ziegler.

Auf der Demo in Partenkirchen wurde ein Flyer mit einem Zitat des früheren Außenministers der USA, Henry Kissingers über den Zweck solcher Gipfel verteilt:

„Die Idee von Wirtschaftsgipfeln geht auf die Überlegung zurück, dass die Führer des Westens ihren Völkern Vertrauen einflößen, ihren Völkern das Gefühl geben müssen, dass sie die Entwicklung im Griff haben, die demokratischen Industrienationen immer noch Herren ihres Schicks, nicht die Opfer blind wirkender Kräfte sind…“

Das ist wohl wahr. Um dies in die Welt hinauszuposaunen wurden 3.000 Journalisten in ein extra dafür eingerichtetes Medienzentrum außerhalb des Gipfels eingeladen. Persönlich betreut von Kanzlerlinnen-Sprecher Seibert und gehätschelt durch gutes Essen und Trinken.

Gemeinsame kapitalistische Interessen ausloten

Darüber hinaus geht es bei den G7-Gipfeln darum, gemeinsame Interessen auszuloten und Strategien zu entwickeln, zur Durchsetzung von TTIP, zum gemeinsamen Vorgehen gegen Regionalmächte wie Russland, und konkurrierende Zusammenschlüsse von kapitalistischen Staaten wie BRICS.

Auch wenn die Proteste in Elmau kleiner und wirkungsloser waren als in Heiligendamm, Proteste, Widerstand, Streiks und Aufstände gegen den von den G-7-Mächtigen angeführten kapitalistischen Wahnsinn nehmen zu. In einem Gespräch mit Sebastian Gehrke von der Süddeutschen Zeitung vom 4. Juni 2015 sagte Jean Ziegler: „Das anthropologische Zerrbild des Menschen, der seine Ketten mit Freuden trägt, ist falsch. Wir stehen an der Schwelle zum Aufstand. Das kann sehr schnell gehen.“

Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus – SAV aufbauen

Die Frage ist allerdings wohin diese Aufstände führen. Der arabische Frühling und Länder wie Libyen und Ägypten zeigen, dass Aufstände nicht automatisch in besseren Verhältnissen enden. Es geht darum eine Organisation aufzubauen, die eine grundlegende Alternative zum Kapitalismus aufzeigt, Bewegungen eine antikapitalistische Richtung gibt und in der Lage ist künftigen Aufständen eine sozialistische Perspektive zu geben. Eine solche Organisation bauen SAV und CWI auf (und in Österreich die SLP).