Frächterskandal: Willkommen im freien Markt!

Michael Gehmacher

Die Behörden von Luxemburg und Deutschland haben geschafft, was weder der Brand im Tauerntunnel, noch die Debatte über die Transitbelastung erreicht haben: Endlich wird über die skandalösen Zustände im Frächtergewerbe berichtet.

Der Regierung waren die Zustände länger bekannt. Doch der politische und wirtschaftliche Einfluß der Frächterlobby (mehrere große Frächter beraten Minister und Landeshauptleute) hat eine öffentliche Debatte und entsprechende gesetzliche Verbesserungen verhindert.

Wirtschaftlicher Rahmen

Als Frachtunternehmer kann man viel Geld verdienen. Zum Einen definiert sich die EU klar als Gemeinschaft der Warenfreiheit. Und natürlich kaufen Unternehmen Material und Produkte dort wo es am billigsten ist. Klarerweise müssen diese Güter transportiert werden. Zum Andern liegt es in Zeiten der „just-in-time-Produktion“ auf der Hand, dass die Eisenbahn keine Chance gegen den LKW-Verkehr hat, wenn es darum geht, das gewünschte Material rechtzeitig in ein Werk zu bringen. Das Strassennetz ist um ein Vielfaches besser ausgebaut als das Schienennetz. Auch dafür hat die Frächterlobby mit Unterstützung der gesamten Wirtschaft gesorgt. Jede Firma versucht sich in Zeiten der Wirtschaftskrise Kosten und vor allem auch Lagerkosten zu sparen. „Mein Lager ist die Autobahn“, lautet das heutige Motto des Kapitals.

16 Stunden durch

Wer kein Lager braucht, braucht auch keine Lagerarbeiter. Das wirkt sich direkt auf die Arbeitsbedingungen vieler LKW-Fahrer aus. Grundsätzlich ist nach 9 Stunden eine Pause vorgeschrieben, nach 16 Stunden eine längere Ruhezeit. In diesen Zeiten müssen Fahrer den LKW oft beladen und entladen. In den Stundenlisten oder auf der Tachoscheibe scheinen solche Zeiten natürlich als Ruhezeiten auf. Daher verhindert die Wirtschaft auch die Anerkennung des LKW-Fahrers als Fachberuf. Einem Hilfsarbeiter kann man mehr anschaffen! Ruhebestimmungen und Arbeitszeitgesetz werden so gut wie nicht eingehalten. Der Soziologe Konrad Hofer hat schon vor einigen Jahren in einem Buch auf die Arbeitsituation bei LKW-Fahrern aufmerksam gemacht. Schon bei seiner ersten Fahrt als Begleiter ist der LKW-Fahrer mehrmals eingeschlafen! Viele Fahrer werden nach einem Sekundenschlaf erst durch andere Kollegen (durch Hupen oder Funken) oder durch das Fahren über den Pannenstreifen (Rütteleffekt) geweckt. Ein Arbeitstag mit mehr als 17 Stunden täglich ist keine Seltenheit. Ein durchschnittliches Bruttogehalt von EUR 876/ ATS 12.000,- (KV-Lohn EUR 5,91/ ATS 81,-/Stunde!) zwingt zu Überstunden. Der soziale Druck zur Überschreitung der Ruhezeiten ist daher nur logisch. Wobei Konrad Hofer betont, dass sich viele Fahrer Kontrollen wünschen, weil sie dann die „Schuld“ für Ruhezeiten den Behörden zuschreiben können.

Unternehmer profitieren vom Rassismus

Anders ist die Lage für die tausenden illegal Beschäftigten:  Sie fürchten dank der rassistischen Fremdengesetze jede Kontrolle und werden als moderne Arbeitssklaven gehalten. Kriminalfälle wie die um den Frächter Kralowetz (ehemaliger Funktionär der FPÖ-Studenten RFS) sind hier nur die Spitze des Eisbergs. Der „Frächterskandal“ ist ein Produkt der freien Marktwirtschaft. Zustände wie Scheinselbständigkeit, Subunternehmertum, illegale Beschäftigung, brutale Aus- beutung durch permanente Gesetzesübertretung gibt es auch in der Bauwirtschaft, im Gastgewerbe und in anderen Teilen des Diensleistungssektors. Die Lösung des LKW-Problems liegt, zumindest im Fernverkehr, auf der Schiene und in einem zentralen Verkehrsplan. Nur eine Wirtschaft, die demokratisch und zentral plant, kann letztlich ein „Kilometerschinden“ und einen permanenten Wettlauf gegen die Zeit verhindern.

Notwendig: Bruch mit der Marktlogik

Dort wo es möglich ist, sollte die Schiene den LKW ersetzen. Ein gutes Schienennetz ist wesentlich effizienter, sozialer und ökologischer. Ein Bruch mit der Marktlogik ist dazu eine Voraussetzung. Ein erster Schritt wäre eine Gewerkschaft, die auch mit Kampfmaßnahmen gegen die Zustände kämpft und sich nicht auf den Ruf nach neuen Gesetzen und dem Eingreifen der Behörden beschränkt.

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