Ein Gespräch über den Sozialismus …

Margarita Döller, Jg. 1985, Tischler-Lehrling, Mitglied im Bundesvorstand der SLP und seit sieben Jahren Sozialistin,  im Interview

Margarita, bist du Sozialistin geworden, weil Du die Welt verbessern willst?

Nein, weil ich das System ändern will! Ich bin mit vielen Dingen um mich herum nicht zufrieden und glaube aber, dass das nicht an „den Menschen”, sondern an bestimmten Strukturen liegt, die unser Leben bestimmen. Konkret aktiv geworden bin ich weil ich mich als SchülerInnenvertreterin gegen Sozial- und Bildungsabbau gewehrt habe. SozialistInnen konnten mir damals als einzige plausibel erklären, warum es die Angriffe auf das Bildungssystem gibt – nämlich weil Sozial- und Bildungsabbau mit dem Kapitalismus und seiner Krise zusammenhängen.   

Und heute bist du sieben Jahre später grundsätzlich noch immer gegen den Kapitalismus? Warum?

Warum nicht? Nichts hat sich in den letzten sieben Jahren nichts zum besseren gewendet. Im Gegenteil: Es gibt mehr soziale Probleme, immer neue Sparpakete und Angriffe auf ArbeiternehmerInnen und Jugendliche, mehr Arbeitslosigkeit und mehr Armut. Wir brauchen Lösungen!

Es heißt immer, die meisten Jugendlichen und ArbeitnehmerInnen reagieren darauf mit Politikverdrossenheit

Die etablierte Politik hat auf diese Probleme zunächst tatsächlich keine Antwort – alle Parlamentsparteien, aber auch die Medien predigen denselben neoliberalen Einheitsbrei. Sparpakete und Sozialabbau werden hier als Sachzwang dargestellt. Besonders problematisch ist allerdings, dass die Gewerkschaften sich ebenso viel zu stark darin einfügen und somit irgendwie zu dieser alternativlosen Stimmung beitragen. Mit dieser haben wir als SozialistInnen tatsächlich dann zu kämpfen, wenn wir versuchen unsere Alternativen klar zu machen.  

Über welche Frage diskutierst Du meistens mit Deinen KollegInnen?

Tischler gehören zu jenen hunderttausenden Fachkräften in Österreich die vielfach unter 1.000 Euro im Monat verdienen. Natürlich spielen also soziale Probleme, aber auch die Verdrossenheit über die etablierte Politik eine große Rolle. Offensiv muss man sich aber auch mit Vorurteilen gegen ausländische KollegInnen auseinandersetzen, dass ist leider ein Dauerthema.

Worauf führst Du Ausländerfeindlichkeit in der ArbeiterInnenklasse zurück?

Tatsächlich ist es zunächst ein reales Problem, dass es kaum ausländische Tischler gibt und somit keinen Kontakt in diesem Gewerbe zwischen in- und ausländischen KollegInnen. Dann wären die Vorurteile sicher nicht so schlimm. Der Rassismus wird hier ganz klar von außen hineingetragen. Vor allem der FPÖ-Wahlkampf und die Tatsache, dass Strache soziale Probleme wie Jugendarbeitslosigkeit einfach nur angesprochen hat, wirkt leider.  

Und welche Antworten versuchst Du zu geben?

„Ausländer Raus” bedeutet weder steigende Einkommen für irgendeinen Arbeiternehmer noch ein Stopp von Sozialabbau. Die FPÖ war immer eine Partei, welche Unternehmerinteressen vertreten hat. Rassismus ist aber nicht nur einfach widerlich, weil er sich gegen Menschen richtet, die genauso hier leben und arbeiten, zur Schule gehen ... Er soll uns vor allem spalten, um als ArbeitnehmerInnen nicht gemeinsam unsere Interessen besser wahrnehmen zu können. Im Grunde versuche ich als Antwort immer wieder die einfache Frage aufzuwerfen: Warum richten wir uns gegen ausländische KollegInnen, die wir zumeist konkret gar nicht kennen, statt gegen die eigene Regierung oder Industriellenvereinung, die wir sehr wohl kennen?

Die SLP hat viele „große” Forderungen. Was etwa der Kampf gegen Privatisierung mit den konkreten Interessen von Lehrlingen und ArbeiternehmerInnen zu tun?

Nehmen wir das Beispiel ÖBB! Dort gibt es nicht nur Verschlechterungen im Dienstrecht für die KollegInnen, sondern auch die Schließung von Lehrwerkstätten aus Profitgründen. Das bedeutet weniger Chancen und höhere Arbeitslosigkeit für alle Jugendliche. Ebenso drohen – wie in Britannien – noch höhere Tarife, schlechtere Verbindungen und Sparen bei der Sicherheit. Davon ist jede/r ArbeitnehmerIn oder Lehrling betroffen. Privatisieren heißt aber nicht nur etwas der Profitlogik zu unterwerfen – das ist in jedem Fall schlecht für uns. Es heißt auch, jede Chance auf demokratische Kontrolle auszuschalten.

Sind SozialistInnen heute nicht viel zu schwach, um etwas verändern zu können? Die SLP errang beispielsweise bei den Wiener Wahlen gerade einmal 0,02 % der Stimmen. Was ist das schon gegen 15 % für die FPÖ?

Aber was hat diese „kleine” SLP bereits alles getan – und könnte noch viel mehr tun, wenn wir nur etwas stärker werden? Die SLP ist in sehr vielen Fragen – leider – als einzige Partei wirklich aktiv; gegen die radikalen AbtreibungsgegnerInnen (HLI), gegen den Bund freier Jugend in Oberösterreich, in internationalen Kampagnen wie Mondi (Neusiedler), für GewerkschafterInnen in Kaschmir, Nigeria, Pakistan, Sri Lanka ...

Als SLP-Mitglied ist man im „Komitee für eine ArbeiterInneninternationale” organisiert, eine Struktur, die in über 30 Ländern existiert mit einem internationalen Vorstand und gemeinsamen Strukturen. Was bringt eine solche Internationale für eine österreichische Sozialistin?

Es gibt beispielsweise konkreten Erfahrungsaustausch bei internationalen Konferenzen und Treffen. Das hat nichts mit diplomatischen Gesten zu tun – wir besprechen sehr kritisch unsere Arbeit und Kampagnen und stellen vor allem auch gemeinsame Aktionen auf die Beine. Natürlich leben ArbeiterInnen und Jugendliche weltweit auch unter unterschiedlichen Bedingungen. Aber überall geht es letztlich um Verteilungskämpfe, Widerstand gegen Privatisierung und Sozialabbau und seine Organisierung, sowie die Frage nach einer anderen, sozialistischen Gesellschaft. Es ist heute viel von Globalisierung die Rede. Wir leben tatsächlich schon länger in einer kapitalistischen Weltwirtschaft. Daher war und ist es notwendig für SozialistInnen, internationale Zusammenhänge zu erkennen, eine gemeinsame Vorgehensweise zu entwickeln und schlagkräftige internationale Strukturen aufzubauen. Sowie meiner Meinung nach Sozialismus nur auf internationaler Ebene durchgesetzt werden kann, ist der Kampf am Arbeitsplatz oder in der Schule gegen die Auswirkungen des Kapitalismus nur zu führen, wenn man ständig über den Tellerrand hinaus blickt. Wie soll man sich sonst gegen das Gegeneinanderausspielen ganzer Belegschaften rund um den Globus wehren? Für mich ist es aber einfach auch positiv zu wissen, dass an vielen Orten der Welt SozialistInnen mit mir in derselben Organisation für die gleiche Sache eintreten.

Aber was bringt die SLP Deinen KollegInnen vor Ort. Macht es konkret einen Unterschied, ob ein/e SozialistIn in einem Betrieb oder einer Schule vorhanden ist oder nicht?

Ja! SozialistInnen wollen ja keine Luftschlösser bauen, sondern sehen ihre Aufgabe immer und überall konkret für die Rechte und Interessen von ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen zu kämpfen. Dabei kann man übrigens auch von internationalen Erfahrungen profitieren. Das war auch schon vor 100 Jahren so, wo SozialistInnen Kollektivverträge und Gewerkschaften die es woanders schon gab, erstmals bei uns durchgesetzt haben. Viele Mitglieder der SLP waren oder sind etwa aktive Betriebsräte und SchülerInnenvertreterInnen. Wir lehnen aber die gerade in Österreich übliche StellvertreterInnenpolitik entschieden ab: SLP-Mitglieder versuchen in ihrer Schule oder in ihrem Betrieb möglichst viele KollegInnen zu organisieren. Das ist schon alleine notwendig, weil wir grundsätzlich nicht glauben, dass es in der Wirtschaft faire, sozialpartnerschaftliche Kompromisse gibt. ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen haben grundsätzlich unterschiedliche Interessen – davon gehen wir aus.

Als SozialistIn bist du ja grundsätzlich für eine Gesellschaft ohne Unternehmer. Kann das überhaupt funktionieren?

Gegenfrage: Funktioniert Kapitalismus? Kapitalismus ist weder effizient – man denke nur an die Krisen – noch demokratisch. Warum soll das eine Planwirtschaft nicht grundsätzlich besser können? Selbstverständlich kommt es auf das „wie” an: Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft – das ist Sozialismus. Genau daran ist übrigens die Planwirtschaft in Osteuropa gescheitert – dort gab es keine Demokratie, dafür aber eine privilegierte Bürokratie.

Wie lange bist du bereit, noch auf den Sozialismus zu warten

Also ich gehöre sicher nicht zu den Menschen, die irgendwann sagen, sie waren halt in der Jugend Sozialisten und sind jetzt gescheiter ... Vielleicht waren sie halt nur in der falschen Partei, oder hatten zu wenig Geduld, die richtige aufzubauen. Vor allem warte ich nicht! Ich bin aktiv, weil ich glaube, dass wir Sozialismus dringend brauchen und daher es in jedem Fall die richtige Entscheidung ist, SozialistIn zu sein oder zu werden. 

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