Die Politik der AKP-Regierung und der Krieg in Syrien

Regionalmacht Türkei
Nihat Boyraz

Die Türkei ist ein tief im syrischen Bürgerkrieg verstricktes Land. Ermutigt vom wirtschaftlichen Wachstum der letzten Jahre, haben die türkischen Kapitalisten und ihre Vertreter in der AKP-Regierung ihre Bestrebungen, eine Regionalmacht zu werden, verstärkt. Ihre wirtschaftlichen Interessen und die neo-osmanische Machtpolitik mit ihrer antikurdischen Strategie bestimmen die türkische Politik in Syrien.

Bis zum „Arabischen Frühling“ betrieb die AKP-Regierung eine Art Kuschelkurs gegenüber ihren Nachbarländern und trat als ein Versöhner und Beschützer der MuslimInnen in der Region auf. Sie verteidigte die Rechte der PalästinenserInnen, legte sich mit Israel an und brach die politischen Beziehungen mit dessen Regierung ab. Damit stieg die Popularität von Erdoğan und seiner neoliberalen Partei AKP in vielen muslimischen Länder, und in Tunesien, Syrien und anderen Ländern der Region wurden Parteien mit ähnlichen Namen gegründet. Unter der ArbeiterInnenklasse und armen Menschen in arabischen Ländern entstanden Illusionen, dass die Türkei mit ihrer „Demokratie“ ein Modell für die muslimischen Länder sein könnte.

Nachdem die Proteste gegen die Assad-Diktatur in Syrien begonnen hatten, nutzte die Türkei die Situation umgehend zum Eingreifen, um vehement Einfluss auf syrische Oppositionelle zu nehmen. Sie stellte sich als deren Beschützerin dar, organisierte in Städten wie Istanbul und Antalya Konferenzen für sie, und sowohl der Syrische Nationalrat als auch die Freie Syrische Armee (FSA) wurden in der Türkei gegründet. Zeitweilig gab die FSA auf ihrer Website die türkische Stadt Hatay als Standtort ihres Hauptquartiers an.

Erdoğan und Davutoğlu träumten davon, in kurzer Zeit ihr Freitagsgebet in der Umayyaden-Moschee in Damaskus abhalten zu können. Aber mit dem Scheitern der Versuche, das Assad-Regime zu stürzen, ist auch die Strategie der Türkei vorerst gescheitert. Dennoch dient deren Staatsgebiet weiterhin nicht nur der FSA, sondern auch anderen dschihadistischen Gruppen wie Al-Nusra und IS(IS) als Rückzugsgebiet. Diese erhalten über die Türkei umfassende logistische Unterstützung und Waffenlieferungen.

Vorgehen gegen KurdInnen

Sobald im Juli 2012 die Kurden in Syrien die Kontrolle in ihren Gebieten übernahmen und anfingen, die Strukturen eines Staates aufzubauen (Rojava), versuchte die Türkei mit allen Mitteln, dies zu verhindern. Erst lies die türkische Regierung Al Nusra, dann den IS(IS) Rojava angreifen. Insbesondere der schwächste Kanton von Rojava, die Stadt Kobanê, wurde mit der Hilfe des türkischen Staates mehrmals heftig angegriffen. Aber letztendlich wurde der IS(IS) zuerst aus Kobanê, dann im Juni 2015 aus der Stadt Tel Abyad zwischen Kobanê und Cizire vertrieben. Das war ein großer Schlag nicht nur gegen den IS(IS), sondern auch gegen die Pläne der türkischen Regierung.

Nun konzentriert sich die türkische Regierung auf das kurdische Gebiet zwischen Kobanê und Afrin westlich des Euphrats. Dieses steht derzeit noch unter der Kontrolle des IS(IS) und ist die einzige Verbindung zwischen seiner Hauptstadt Ar-Rakka und der Türkei. Die türkische Regierung erklärte mehrmals, ein Überschreiten des Euphrats durch die KurdInnen verhindern zu wollen, und fordert die Einrichtung einer Pufferzone dort.

Imperialistische Spannungen

Die Türkei ist ein NATO-Staat und somit ein wichtiger Verbündeter der USA und Deutschlands. Sie gehört mit Saudi-Arabien und Katar zum sunnitisch-islamischen Block, der dem schiitisch-islamischen Block mit dem Iran, dem Assad-Regime und der irakischen Regierung gegenüber steht. Während sich Russland als eine der größeren Mächte hinter das Assad-Regime bzw. den schiitischen Block stellt, unterstützen die NATO-Staaten wie USA und Deutschland die Türkei bzw. den sunnitischen Block. Die Türkei führt Krieg gegen die KurdInnen; die Tatsache, dass die kurdischen Einheiten in der Region die wichtigste Kraft gegen den IS(IS) darstellen, welchen sowohl Russland als auch die USA beseitigen wollen, macht die Lage für die USA noch komplizierter. Sie können weder die Türkei, eine militärisch und geostrategisch wichtige Partnerin, aufgeben, noch im Kampf gegen den IS(IS) auf die kurdischen Einheiten verzichten. Während die USA versucht, mit beiden Seiten eine Dreiecksbeziehung zu führen, verfolgt die Türkei ihre eigenen Ziele und nutzt dabei die Widersprüche zwischen den Großmächten aus. Mit dem Abschuss eines russischen Militärflugzeuges hat sie sich kürzlich wieder ins Spiel der ImperialistInnen in der Region eingemischt.