Die Kehrseite der Medaille

Potemkinsche Dörfer in Südafrika vor der Fussball-Weltmeisterschaft
Ianka Pigors, CWI-Deutschland

Am 11. Juni beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Die südafrikanische Regierung lässt sich das Spektakel einiges kosten. Umgerechnet etwa zwei Milliarden Euro sind dafür vorgesehen. Präsident Jacob Zuma verspricht eine verbesserte Infrastruktur und mehr Arbeitsplätze. Und die Verschönerungsmaßnahmen für die ausländischen Gäste sollen angeblich zur Schaffung von besserem Wohnraum führen.

In Südafrika hat die Weltwirtschaftskrise über eine Million Jobs gekostet, die offizielle Zahl der Arbeitslosen ist auf acht Millionen hochgeschnellt. Der seit 1994 regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) war nach dem Ende der Apartheid nicht in der Lage, die sozialen Probleme zu lösen. Stattdessen fuhren korrupte Parteifunktionäre einen neoliberalen Kurs. SüdafrikanerInnen sagen heute, sie würden in einer "Irish-Coffee-Gesellschaft" leben: unten viel schwarzer Kaffee, oben fette weiße Sahne, garniert mit einigen nicht weniger fetten, schwarzen Schokoladenkrümeln.

Die WM-Milliarden sind eine lohnende Beute für die Reichen. Während die FIFA wüste Drohungen gegen Straßenhändler ausstößt, die es wagen sollten, unlizenzierte WM-Andenken anzubieten, wollen die oberen Zehntausend die Fußball-Begeisterung ausnutzen, um einige unpopuläre Privatisierungsmaßnahmen durchzusetzen.

Zwangsumsiedlungen

In Kapstadt entstehen derzeit an der zentralen Zufahrtsstraße vom Flughafen zur Innenstadt - also genau dort, wo die Touristen bei ihrer Ankunft zuerst vorbeifahren - auf einem zehn Kilometer langen Streifen 22.000 neue Wohneinheiten, das "N2-Gateway"-Projekt. Lange Zeit erweckte die Regierung den Eindruck, diese Wohnungen wären für die bisher "illegal" in Wellblech-Siedlungen lebenden EinwohnerInnen bestimmt.

Illegale Siedlungen sind in ganz Afrika häufig. Wer einmal beobachtet hat, wie für den Dienstleistungsjob in der Innenstadt gekleidete Kolleginnen morgens in Schlapplatschen, die Pumps für die Arbeit zum Schutz gegen den allgegenwärtigen Staub in einer Tüte unter dem Arm, aus diesen Siedlungen kommen und die Trampelpfade zur Autobahn hochklettern, um zur Haltestelle der Sammeltaxis zu gehen und zur Arbeit zu fahren, der weiß, dass in diesen Siedlungen nicht nur die Ärmsten der Armen wohnen müssen. Diese Leute, die zum Teil seit Jahren auf Wartelisten für Sozialwohnungen stehen, glaubten, die WM würde ihre Versorgung mit menschenwürdigem Wohnraum beschleunigen. Bis sie sich plötzlich in so genannten TRAs ("Temporary Relocation Areas", also "zeitweiligen Umsiedlungsgebieten") wiederfanden, wohin sie zwangsumgesiedelt wurden. Die Behausungen in den sehr abgelegenen TRAs bestehen lediglich aus vier Wänden mit einem Dach. Dort gibt es weder Strom noch Wasser.

Wohnungsprojekt bringt hohe Renditen

Auch für diejenigen, die sich eine der "N2-Gateway"-Wohnungen leisten können, gibt es viele Nachteile. Die Wohnungen bestehen lediglich aus zwei Räumen ohne Küche und einem winzigen Bad. Sie haben zwei Eingänge, was im kriminalitätsgeschüttelten Südafrika die Gefahr eines Einbruchs erheblich erhöht. Außerdem wurde beim Bau oft gepfuscht. Die Mieten sind hoch.

Das für Bauunternehmer lukrative Großprojekt "N2-Gateway" hat - trotz zum Teil militanter Proteste der EinwohnerInnen - bestehende Nachbarschaften auseinander gerissen, ohne eine akzeptable Alternative zu schaffen. Aber die Zufahrtsstraße nach Kapstadt bietet nun angeblich einen gepflegten Anblick für WM-Touristen. Ein gutes Beispiel, wie im Namen von Mega-Events auf Kosten der normalen Bevölkerung Profit gemacht und Potemkinsche Dörfer errichtet werden. Eine Weltmeisterschaft, die eigentlich eine Gelegenheit sein sollte, den afrikanischen Fußball international gebührend zu feiern, wird so unter kapitalistischen Bedingungen für viele SüdafrikanerInnen zu einem Trauerspiel.