Die deutsche PDS auf dem Weg zur "Normalität"

Nadelstreif, statt roter Socken
John Evers

Zwölf Jahre nachdem die Mauer fiel, versinkt Berlin im Sumpf aus Korruption und Spekulation. 70 Milliarden Mark Schulden und ein Defizit von 4 Milliarden -  nach dieser Bilanz musste die große Koalition unter Bürgermeister Diepgen (CDU) vorzeitig abtreten. Am 21. Oktober wird gewählt. Die Medien erwarten ein politisches Erdbeben...
Gregor Gysi, Star und ehemaliger Vorsitzender der "Partei des demokratischen Sozialismus"  ist der beliebteste aller SpitzenkandidatInnen. Sein erklärtes (und realistisches) Ziel: 20 Prozent plus X für die PDS - als Grundlage für eine Koalition mit der SPD. Vor allem die CDU sieht darin einen Tabubruch und malt die Schreckgespenster des kalten Kriegs an die Wand. Doch angesichts der Rolle, der sich die PDS verschrieben hat ist das mehr als lächerlich? Hinter dem Wahlslo-gan "Menschen für Gysi und Berlin für Alle" steht ein klares neoliberales Bekenntnis: " Eine Flucht in die Verschuldung ist unsozial. Sie nutzt vor allem den Banken und untergräbt die Handlungsfähigkeit des Landes. Deshalb streben wir an, die Neuverschuldung des Landes bis zum Ende des Jahrzehnts auf Null zu senken."  (Wahlprogramm der PDS Berlin 2001). Geschehen soll das durch Privatisierungen und "schmerzhafte Einschnitte, wie im Öffentlichen Dienst. Die "Partei des demokratischen Sozialismus" stellt damit klar: Sie ist bereit jeden Preis für den Eintritt in die künftige Stadt-regierung zu bezahlen.  PDS am Wendepunkt Das Ende des Anspruchs "linke Opposition" sein zu wollen, ist besiegelt. Ideologische Buntheit oder Unverbindlichkeit waren bisher das Markenzeichen der PDS. Originelles Auftreten und Selbstverständnis, als einzig wahre "Ostpartei" reichte, um bestehenden Unmut in Wahlsiege umzumünzen. Doch der PDS-Alltag blieb grau: Die Partei war und ist keine Kraft, die ArbeitnehmerInnen und Jugend-liche im Widerstand organisiert. Die Westausdehnung der PDS ist gescheitert, die Parteibasis alt und passiv: Von den 80.000 Mitgliedern in den neuen Ländern (4.000 im Westen) sind nur 0,6 % unter 30 Jahren - der Trend weiter rückläufig. Die Parteispitze zieht aus alledem einen Schluss: Die PDS hat nur Zukunft, wenn sie den Medien und der SPD ihre Nützlichkeit beim Regieren und Verwalten beweist. Dazu wird sie - nicht zuletzt wegen der Schwindsucht der anderen Parteien im Osten - tatsächlich zunehmend benötigt. Schon jetzt ist die PDS in zwei Bundesländern verlässlicher Bündnispartner für neoliberale Politik. Nur vor diesem Hintergrund, läßt sich erklären, dass die PDS gerade jetzt in die künftige Regierung Berlins drängt, obwohl abzusehen ist, dass jede künftige Regierungs-koalition unter gewaltigem Sanierungsdruck stehen wird. "Unsere Strategie besteht darin, die PDS und Gysi als Anwälte der sozialen Gerechtigkeit zu zeigen. Gerade angesichts der bevorstehenden harten Einsparungen in Berlin, die wir mittragen müssen."  (Andre Brie, Wahlkampf-leiter von Gregor Gysi und Programmautor des neuen Parteiprogramms, FAZ 16.8).
Die Zeit ist reif für eine neue Partei. Das "linke" Feigenblatt für neoliberale Regierungspolitik - so soll der künftige Kurs der PDS aussehen. Gysi steht wie kein anderer für dieses Projekt: Sein Wahlkampf und seine Inhalte sind ganz auf liberale Medien und sogenannte Meinungsträger zugeschnitten. Der Gysi-Wahlzirkus bietet keine sozialistische Alternative für ArbeitnehmerInnen und Jugend-liche zu den etablierten Parteien. Unsere Schwesterpartei SAV wird deshalb bei den kommenden Wahlen antreten.

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