Der Terroranschlag von Moskau

Für ArbeiterInneneinheit gegen Terror, Unterdrückung, Rassismus und Kapitalismus
Igor Yasin und Rob Jones, CWI-Russland

Über 80 Menschen starben bei den Bombenexplosionen in der Moskauer U-Bahn am 29. März 2010. Der Anschlag führte nicht nur zu einer Tragödie bei der größtenteils Beschäftigte, die auf dem Weg zur Arbeit waren, getötet wurden. Der Anschlag soll Angst verbreiten und wird weitreichende soziale und politische Konsequenzen haben.

Zusammenfassung eines Artikels von Igor Yasin und Rob Jones aus Moskau

Die Menschen in Moskau sind schockiert und entsetzt. Viele fordern Rache. Ebenso gibt es zum Beispiel Wut auf Taxifahrer, die ihre Preise verzehnfachten, um aus der zeitweiligen Schließung der Metro Profit zu schlagen. Es gibt auch Forderungen, diesen Anschlag nicht zu ‘politisieren’. Das ist teilweise verständlich. Denn die russischen Behörden und Regierung sind nicht bekannt dafür, dass sie Verantwortung übernehmen, sondern solche Ereignisse schnell dazu nutzen, ihre eigene Position zu stärken. Doch, um den Terroranschlag zu verstehen, muss man die politischen Hintergründe verstehen.

Wachsendes Chaos

Die Wirtschaftskrise führt in Russland zur Zeit zu steigenden Preisen, Lohnsenkungen und Verzögerungen bei Lohnauszahlungen. Tausende Menschen haben begonnen in Städten wie Archangelsk, Orel und Kaliningrad, trotz Polizeirepression, zu demonstrieren. Die soziale Basis der Regierung wird schwächer, die Regierungspartei hat bei den letzten Wahlen weniger Stimmen erreicht, als erwartet. Vor diesem Hintergrund werden die Anschläge das Gefühl, dass die russische Gesellschaft ins Chaos gerät verstärken

Die Debatten im Internet zur Frage, wer hinter dem Anschlag steckt, benennen drei mögliche Optionen: islamische Fundamentalisten, Rechtsextremisten oder der russische Geheimdienst. Es überrascht nicht, dass einige Menschen denken, der Staat könnte für den Anschlag verantwortlich sein. Schließlich wird allgemein angenommen, dass der Inlandsgeheimdienst FSB hinter den schrecklichen Anschlägen in Moskau im Jahr 1999 steckte. Diese gaben dem Regime damals den Vorwand den zweiten Krieg gegen Tschetschenien zu beginnen und waren eine Hilfe für Putin, die damaligen Präsidentschaftswahlen zu gewinnen.

Die Videoaufnahmen aus der Metro scheinen aber darauf hinzuweisen, dass die Anschläge in dieser Woche von Selbstmordattentäterinnen ausgeführt wurden. Die Medien gehen davon aus, dass es sich bei ihnen um so genannte ‘schwarze Witwen’ handelte - Frauen aus dem Nordkaukasus, die in den brutalen von Russland geführten Kriegen ihre Ehemänner, Söhne oder andere Familienmitglieder verloren haben und seitdem von politischen Islamisten angeworben wurden.

Regierung nutzt die Anschläge um gegen jede Opposition vorzugehen

Wer auch immer hinter den Anschlägen steckt, sie haben in die Hände des russischen Regimes gespielt. Die herrschende Elite verstand es immer einen Sündenbock zu schaffen, um von den tatsächlichen Problemen der Menschen abzulenken, wenn sie spürte, dass sie sich auf dünnem Eis bewegt.

Präsident Medwedew und Premierminister Putin haben nun versprochen die Terroristen zu vernichten. Andere Politiker blasen in dasselbe Horn. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Suganow, fordert ein Ende des Moratoriums auf die Todesstrafe. Der Rechtspopulist Abeltsew fordert die Konfiszierung des Eigentums von Verwandten der Selbstmordattentäterinnen. Selbst liberale Politiker, die Opfer polizeilicher Repression waren, rufen nun zur Zusammenarbeit mit der Polizei auf. Der Führer des Jugendverbandes der Regierungspartei, Boris Yakimenko, schiebt die Verantwortung für die Anschläge offen auf die Opposition und beschuldigt "diejenigen, die Unterstützung aus dem Ausland erhalten, Faschisten, Nationalisten, Menschenrechtsaktivisten die Stabilität des Landes zu untergraben.

Diese Stellungnahmen zeigen, dass die herrschende Elite versuchen wird die reaktionären Terroristen mit jeder politischer Opposition in einen Topf zu werfen. Schon jetzt wird eine Kampagne gegen "Extremismus geführt, die auch gegen Linke und GewerkschafterInnen zielt und demokratische Rechte insgesamt in Frage stellt. Schon nach dem Massaker in der Schule von Beslan im Jahr 2004 waren Wahlen zum Regionalgouverneur abgesagt worden. Nach einem Bombenanschlag auf den Newski-Express (Zuglinie zwischen Moskau und St. Petersburg) wurden Gesetzesänderungen durchgeführt, die nun jegliche Verkehrsblockaden zu einem “Akt des Extremismus” machen.

Die Rechtsextremen versuchen auch den Anschlag auszunutzen und ihren Terror gegen MigrantInnen zu steigern. Es gibt schon verschiedene Berichte, dass Menschen aus dem Kaukasus und Frauen mit Kopftuch in der Moskauer U-Bahn angegriffen wurden.

Es wird sicherlich auch eine Verschärfung der Visa-Vergabe geben, aber es gibt auch schon Forderungen ‘israelisches Know-How zu nutzen’ und eine Mauer zur Isolierung der nordkaukasischen Republiken zu bauen.

Der Nordkaukasus - Gebiet ohne Hoffnung

Nach dem Anschlag auf den Newski-Express hat die Regierung schon eine Verwaltungsreform im Kaukasus durchgeführt. Diese ist aber nur Ausdruck der Tatsache, dass die russische Regierung die Probleme der Region nicht lösen kann. Die dort herrschenden schrecklichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Sicherheitslage lassen es geradezu überraschend erscheinen, dass es nicht mehr Terroranschläge in Moskau gibt.

Denn die Mehrheit der Bevölkerung im Nordkaukasus hat Schwierigkeiten die von der UNO als Armutsgrenze definierten zwei US-Dollar am Tag zusammen zu kratzen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei zwanzig Prozent, in Inguschetien sogar bei 56 Prozent. Dies wird durch die aktuelle Wirtschaftskrise weiter verschärft.

In den letzten Monaten wurden Militär- und Polizeioperationen im Nordkaukasus verstärkt. Es gibt so viele Militäroperationen, Explosionen, Razzien, Ermordungen, dass man die Region problemlos als “Kriegsgebiet” bezeichnen kann.

Vor diesem Hintergrund verschärfen die versuche des Kreml die nationalen Konflikte militärisch zu lösen die Spannungen nur. Politische Islamisten finden unter den vielen Menschen, die Familienmitglieder durch russische Angriffe verloren haben oder in Armut leben müssen, viele willige Rekruten.

Können Terroranschläge verhindert werden?

Selbst diejenigen, die nach stärkerer Repression rufen, glauben nicht, dass dies wirken wird. Viele Menschen sagen, dass die Versprechen von Medwedew und Putin, die Terroristen zu vernichten, ihnen kein Gefühl von Sicherheit geben. Tatsächlich liegt der tiefere Grund des Problems nicht in der Existenz terroristischer Organisationen, sondern in der Existenz des Kapitalismus, der massenhafte Armut, Verzweiflung und Entwürdigung schafft und damit das Gefühl von Perspektivlosigkeit.

Nur die Solidarität der Arbeiterklasse kann Terror gegen unschuldige Zivilisten stoppen. Dazu ist gemeinsamer und internationaler Kampf gegen Armut und für demokratische Rechte nötig und müssen Arbeitsplätze, angemessene Löhne und menschenwürdige Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser geschaffen werden. Wenn man den tödlichen Kreislauf von Unterdrückung und Terror beenden will, reicht es nicht ein paar Bürokraten oder die ganze Regierung auszutauschen. Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse müssen geändert werden.

Deshalb ist der effektivste Weg zu einem Ende von Terroranschlägen der Kampf für ein Ende des Systems, das Gewalt und Terror hervorbringt. Der kriminelle und parasitäre Kapitalismus muss durch eine demokratische verwaltete Planwirtschaft auf der Basis von öffentlichem Eigentum an der Wirtschaft ersetzt werden. Das würde auch das Recht auf Selbstbestimmung für alle Nationalitäten beinhalten und könnte das Ende von Korruption, Arbeitslosigkeit, Armut und Hierarchien bedeuten, die Gewalt und Terror hervorbringen.

Der ursprüngliche Artikel erschien am 30. März 2010 auf www.socialistworld.net
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