Der “Streik” der Ärzte

Bilanz und Perspektive der Gesundheitsreform aus gewerkschaftlicher Sicht
Michael Gehmacher

Die EM ist vorbei und mit ihr eine Riesenchance zur Bekämpfung vieler kommender Angriffe. Ob Verschlechterungen bei der Telekom oder die Gesundheitsreform – Anlässe gäbe es genug. Die niedergelassenen ÄrztInnen, die FrächterInnen und Milchbauern (viele mittelständische Selbstständige) zeigen derzeit, wie es gehen könnte. Auf die Frage nach “Streikbrechern” im “Ärztestreik” meint der Präsident der Ärztekammer Dorner lakonisch:  “Ich glaube es ist viel wichtiger, dass 14.000 Ordinationen österreichweit geschlossen hielten. Mancher Verein, der sich als Vertreter der Arbeitnehmer fühlt, wäre über eine solche Geschlossenheit froh gewesen”. Ein kleiner Seitenhieb auf den ÖGB?! Die SLP meint: Das Problem liegt wo anders. Die Betriebsversammlungen bei der Telekom und die Streiks 2003 haben gezeigt, dass ein geschlossenes Auftreten der ArbeitnehmerInnen durchaus von den Betroffenen selbst gewünscht wird. Aber: Der ÖGB probiert es gar nicht – das ist das Problem.

Für ArbeitnehmerInnenstreik statt Unternehmerstreik

Die niedergelassenen ÄrztInnen verteidigen durchaus gewisse Privilegien. Dabei profitieren sie vom Unmut gegen die Regierung. Sie wollen alle “Vorteile” als freie Unternehmer und gleichzeitig die soziale Sicherheit eines staatlichen Systems (Vertrag mit Krankenkasse und Einkommensgarantie auf Lebenszeit). Das ist aus ihrer Sicht verständlich, aber aus unserer Sicht keine Basis für ein sinnvolles Gesundheitssystem.
Die ArbeitnehmerInnen und PatientInnen, aber auch der ÖGB selbst, wären Verlierer der “Gesundheitsreform”. Insbesondere die Stärkung der Macht der Arbeitgeberverbände in den Krankenkassen wäre ein großer Rückschritt. Teile des ÖGB haben das erkannt und eine Abkehr von der Unterstützung der Regierung verlangt. So forderte etwa der Metallergewerkschafter Karl Haas einen Sonderkongress des ÖGB.
Die Vorkommnisse im ÖGB rund um die Gesundheitsreform zeigen, wie es um die ÖGB-Spitze und seine KritikerInnen steht. Der Ruf nach einem ÖGB-Sonderkongress wird einfach unterdrückt. Statt einer offenen Debatte macht der ÖGB-Bundesvorstand im Juni der Regierung die Mauer:  Unterstützung der Gesundheitsreform – was auch immer die Regierung da mit den Ärztekammerfunktionären noch aushandelt – und Maulkorb für die KritikerInnen.     
Aber was machen Haas (immerhin GMTN-Zentralsekretär) und Dietmar Keck VOEST-Betriebsrat und SPÖ-OÖ-Nationalratsabgeordneter? Anstatt aktiv für eine Kursänderung zu kämpfen, ziehen sie sich schweigend zurück. Und das obwohl sie in ihrer Position den vielen KritikerInnen im ÖGB ein Sprachrohr geben könnten. Ein weiteres Mal hat sich gezeigt: Der Aufbau einer kämpferischen und demokratischen Oppositon im ÖGB ist notwendiger den je. Ein erster Schritt könnte die Unterstützung der E-Mailkampagne der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften sein.

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