China: Tibet ist nur die Spitze des Eisbergs

Dalai Lama gescheitert – Heuchelei im Westen
Markus Klostermann

Wenn von Tibet gesprochen wird, geht es meist um das Autonome Gebiet Tibet, ein Verwaltungsgebiet Chinas, das in den 50ern besetzt wurde. Seither gab es mehrere Aufstände, die aber immer niedergeschlagen worden sind. Im März kam es zu den heftigsten Protesten gegen die Fremdherrschaft seit fast 20 Jahren.

Wirtschaftswachstum geht am Großteil der Bevölkerung vorbei

Wirft man einen Blick auf die Wachstumsraten der letzten Jahre, so ist vielleicht der/die ein(e) oder andere verwundert über die Proteste. Seit mehreren Jahren gibt es ein jährliches Wirtschaftswachstum von über zwölf Prozent, von 2006 auf 2007 stieg das BIP um 17 Prozent. Doch wie auch anderswo profitieren nicht alle Bevölkerungsschichten in gleichem Maße davon. Die Einkommen in den ländlichen Gebieten Tibets betragen gerade einmal ein Drittel derer im restlichen China. Die Menschen leiden unter ansteigenden Lebensmittelpreisen, Wohnungsnot, Jugendarbeitslosigkeit und dem Zusammenbruch des öffentlichen Dienstes, die Analphabetenrate beträgt nach offiziellen Angaben immer noch 32 Prozent. Vor diesem Hintergrund begannen die zunächst friedlichen Proteste, die durch die starke staatliche Repression zu gewalttätigen  Auseinandersetzungen führten. Das chinesische Regime versucht möglichst schnell die Proteste zu unterdrücken, wohl auch vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele, die heuer in Peking stattfinden. Das bedeutet, neben der massiven militärischen Intervention, eine gründliche Zensur und Informationssperre gepaart mit gezielter Propaganda. Während Anfang April von offiziell 16 Toten die Rede war, gibt es auch Angaben über mehr als 80 Tote und hunderte Verletzte. Die staatlichen Medien stellen die Proteste als rassistische Bewegung gegen ChinesInnen dar. Die soziale Situation hat zweifellos eine ethische Komponente - es sind v.a. ChinesInnen die vom Wirtschaftsaufschwung profitieren. Übergriffe auf ChinesInnen finden zwar statt - sind aber im Gegensatz zur Propaganda Chinas nicht zentral.

Dalai Lama will Mäßigung, Solidarität brutal unterdrückt

Das Regime macht den Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der TibeterInnen, und die Exilregierung für die Aufstände verantwortlich. Dieser ruft jedoch zur Mäßigung auf, womit er hinter dem Bewußtsein vieler TibeterInnen, vor allem dem der Jugendlichen, hinterherhinkt. Ein Sprecher des tibetischen Jugendkongress meinte: “Zur Zeit ist der Dalai Lama außen vor. Es ist eine tibetische Volksbewegung.” Die Reaktion der westlichen kaptitalistischen Regierungen ist gewohnt verhalten. Das liegt einerseits daran, dass sie selbst Diktaturen unterstützen, wie auch Österreich im Tschad. Andererseits existiert eine immer stärker werdende Abhängigkeit von der rasch wachsenden chinesischen Wirtschaft. Bei den internationalen Protesten, die die Reise der Olympischen Fackel begleiten, wurden in den letzten Wochen außerhalb Chinas beinahe soviele Menschen verhaftet wie in China selbst – auch wenn die daraus folgenden Konsequenzen nicht zu vergleichen sind.

Neue Strategie für Tibets Selbstbestimmung nötig

Der Kampf der TibeterInnen um Selbstbestimmung wird  auf diesem Weg nicht erfolgreich sein. Es ist kein Kampf gegen ChinesInnen, sondern die staatliche Unterdrückung. ChinesInnen, die ebenso unter dem Regime leiden, sind hier auch BündnispartnerInnen.
Tibet stellt nur die Spitze eines Eisbergs von sozialen und politischen Spannungen dar, die das Regime mit Nationalismus und Repression versucht zu unterbinden.  Deshalb ist es notwendig sich international, also über sprachliche und religiöse Grenzen hinweg zu organisieren, um die Wut in effektivere Kanäle zu leiten, wie zum Beispiel Streiks. Es ist außerdem wichtig klarzustellen, dass es für die verarmten Massen keine Lösung auf kapitalistischer Basis geben kann. Beispiele dazu gibt es gleich hinter der Grenze: Bhutan und Nepal sind zwar formell unabhängig, werden aber von ausländischen Konzernen dominiert und von undemokratischen Eliten regiert. Aus all diesen Gründen ist es wichtig eine neue ArbeiterInnenpartei aufzubauen, nicht nur in Tibet. Dafür kämpft das Komitee für eine ArbeiterInneninternationale (CWI) und seine Sektionen weltweit, wie China Worker in China oder die SLP in Österreich.

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