Can’t feel the Kern

Sonja Grusch

Starke 96,8% erhielt Kern bei der Wahl zum Parteivorsitzenden. SPÖlerInnen überschlagen sich in Lobeshymnen und die bisher kritischere Jugend wird zu Kernboys und –girls. Kerns Auftritte erinnern an die Motivationsreden von Managern: viele Worte, Durchhalteparolen, wenig Inhalt. Für jeden sind ein paar Schlagworte dabei. Ähnlich wie Kreisky setzt er bei gesellschaftspolitischen Punkten einige „linke“ Akzente – wie seine Rede bei der Regenbogenparade. Und die Praxis? Die SPÖ-Burgenland koaliert weiter mit der FPÖ. In der Flüchtlingspolitik wird nichts geändert. Konkrete Ansagen für die Sozialpolitik fehlen bzw. sind die Kernsche Version von „gehts der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“. Der Staat soll den Rahmen für die Entwicklung der Wirtschaft schaffen (Stichworte: Modernisierung und Kaufkraft stärken). Er will das neoliberale Projekt EU retten.

Kern versucht als „ideeler Gesamtkapitalist“ das System zu retten. Dass das als „links“ in der SPÖ abgefeiert wird, sagt viel über die verbürgerlichte SPÖ aus. Und über die „Linken“ in der SPÖ, die sich mit ein paar Schlagworten abspeisen lassen. Die paar vagen Ankündigungen in Richtung ungerechter Reichtumsverteilung werden nicht allzu heiß gegessen werden. Hier hat sich Kern mit der Aussage „Kompromisse werden wir eh genug machen müssen“ schon abgesichert. Die Ausrede auf den Koalitionspartner mag bei den Resten der Linken in der SPÖ funktionieren. Den WählerInnen ist das aber herzlich egal. Kern ist ein Taktiker, der weiß, dass die Linken in der SPÖ die aktivsten Teile der Basis sind, die er braucht, um ihm den kommenden Wahlkampf zu führen. Und er ist das Angebot der SPÖ an die Wirtschaft, das klarmacht: „Wir (also die SPÖ) sind die wahre Wirtschaftspartei hier im Land“. Die aktuelle Begeisterung in der SPÖ-Basis wird daher wohl bald einer frustrierten Katerstimmung weichen.
 

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