Brecht schlägt Wunschdenken

Sonja Grusch

Am 3. Oktober waren 150.000 Menschen für „eine menschliche Asylpolitik“ auf der Straße. Das war großartig. Aber wie kann diese erreicht werden? Die Demo- und KonzertorganisatorInnen setzten auf möglichst große Breite. Aber das „Wir alle gemeinsam“ war bei näherer Betrachtung grotesk. Neben den unzähligen HelferInnen und AktivistInnen waren auch Parteien dabei, die in Landes- und Bundesregierung sitzen und dort für Abschiebungen, mangelnde Flüchtlingsunterkünfte, den Ausbau der Festung Europa und andere Grauslichkeiten verantwortlich sind. Da wurde Firmen gedankt, die verantwortlich für Armut, Arbeitslosigkeit und Wuchermieten sind. Ich nehme manchen der Einzelpersonen in diesen Parteien und Firmen die persönliche Betroffenheit durchaus ab. Das ändert aber nichts an deren Verantwortung für unmenschliche Flüchtlingspolitik und den Aufstieg der FPÖ.

Brechts „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ fasst eine Antwort auf das „Wie“ zusammen. Nicht durch Appelle, nicht durch schöne Worte. Sondern indem es ausreichend Jobs, Wohnungen und Geld für alle gibt, sodass niemand Angst vor der Zukunft haben muss. Und jene, die für die sozialen Probleme durch ihre neoliberale Politik, durch ihre Kürzungen, durch ihr Agieren im Sinne der kapitalistischen Logik verantwortlich sind – die appellieren immer stärker an die Moral, während sie gleichzeitig dafür sorgen, dass das Fressen knapper wird.

Was am 3.10. gefehlt hat, war eine starke gewerkschaftliche Orientierung, die die existierenden sozialen Probleme offensiv aufgriff. MetallerInnen, die für ordentliche Lohnerhöhungen für alle protestieren. PflegerInnen, die mehr Personal im Spital fordern. SozialarbeiterInnen und LehrerInnen, die für mehr Geld für Bildung und Soziales auf die Straße gehen... Denn es braucht mehr als ein warmes wohliges Gefühl!

 

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