Brasilien: Neue Partei entsteht aus Bündnis

Internationale Erfahrungen mit neuen linken Parteien
Jakob Unterwurzacker

“Lula – der erste Präsident derer, die niemals an der Macht waren” steht auf einem Transparent, das nach den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2002 in Brasilien berühmt wird. Lula da Silva von der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) gewinnt die Wahlen. Doch die Regierung der PT konfrontiert die ArbeiterInnen mit einem neoliberalen Kurs, der in seiner Härte sogar die vergangenen konservativen Regierungen in den Schatten stellt.
Die PT hat die ArbeiterInnen- und Landlosenbewegung zutiefst enttäuscht. Auch in der Basis der PT regt sich Widerstand. Die Organisation “Revolutionärer Sozialismus” – SR – die brasilianische Schwesterorganisation der SLP – startet eine Kampagne für eine neue ArbeiterInnenpartei.
Unter der Führung linker Parlamentsabgeordneter, die teilweise aus der PT ausgeschlossen wurden, und durch einen Zusammenschluss weiterer linker Gruppen wird 2004 die “Partei für Sozialismus und Freiheit” – PSOL – gegründet.
Die PSOL startet mit einem klar sozialistischen Programm und starken sozialen Bewegungen im Rücken. Eine entscheidende Rolle in der Debatte um das Programm spielen dabei die organisierten Linken aus den marxistischen Organisationen, die die PSOL mitbegründeten. Mit diesem radikalen Programm und der richtigen Strategie gelingt es der PSOL, stark zu wachsen.
Die Gründung der LINKE in Österreich erreicht nicht dieselbe Breite wie die der PSOL. Auch hat die LINKE noch keine Prominenten oder ParlamentarierInnen in ihren Reihen. Dennoch ist die LINKE wie die PSOL ein Zusammenschluss mehrerer linker Gruppen und bisher nicht organisierten Menschen. Was die PSOL im Aufbau stark von der PT unterscheidet, sind die ausgeprägten demokratischen Rechte innerhalb der Organisation. Jede Organisation, die in der PSOL arbeitet, hat jederzeit das Recht, eigene Materialien zu verwenden und Fraktionen innerhalb der PSOL zu gründen. Genauso ist es wichtig, dass in der LINKE diese Rechte Geltung finden. Eine klare Positionierung der LINKE nach außen ist dabei nach wie vor möglich und notwendig (in der PSOL gibt es ein Redaktionsteam mit einem Vertreter jeder Organisation zur Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit).
Die PSOL führt 2006 einen Präsidentschaftswahlkampf mit Heloisa Helena an der Spitze und erreicht dabei mit 6,8% der Stimmen ein hervorragendes Ergebnis. Doch gleichzeitig verwässert im Wahlkampf das Programm und OpportunistInnen versuchen, die PSOL als Karrieresprungbrett zu nutzen. Ohne die weitgehenden demokratischen Freiheiten in der PSOL wäre es weit schwieriger für die verschiedenen linken Gruppen in der PSOL, sich gegen diese Entwicklung nach rechts zu stellen.
Die LINKE steht noch am Anfang des Prozesses der Bildung einer neuen ArbeiterInnenpartei, sie ist derzeit “die Vorstufe einer Vorstufe”, wie auf einem Wiener AktivistInnentreffen betont wurde. Der Zusammenschluss bestehender linker Gruppen alleine führt noch nicht automatisch zur Bildung einer neuen, starken ArbeiterInnenpartei. Doch es sind Gruppen wie die SLP, die Ideen für das Programm einbringen, das die LINKE von allen anderen Parteien unterscheiden. Wobei strikt darauf zu achten ist, dass Programmpunkte für nicht Organisierte verständlich sein müssen. Neben “Unorganisierten” waren es Gruppen wie die SLP, die mit guter Organisation und mit großem Einsatz das Antreten in fünf Bundesländern ermöglicht haben. Die PSOL zeigt, dass Organisationen einen wichtigen Beitrag im Aufbau einer solchen neuen Kraft spielen können.

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