Bildungsvolksbegehren: Es braucht echte Kampagne, nicht nur teure Medienaktionen

Mit 383.820 Unterschriften ist das Bildungsvolksbegehren weit hinter den Erwartungen zurück geblieben. Dass es nur auf Platz 17 der 35 Volksbegehren in der 2. Republik gelandet ist lag nicht an mangelnder Brisanz des Themas. Im Gegenteil haben verschiedene Medien, Bildungseinrichtungen und sogar Parlamentsparteien zur Unterschrift aufgerufen.

Der Grund für die relativ geringe Unterstützung liegt NICHT in einer Zufriedenheit mit dem aktuellen System. Tatsächlich gibt es breiteste Unzufriedenheit bei SchülerInnen&Studierenden sowie bei Eltern und Lehrenden über das bestehende Bildungswesen. Wir meinen, dass es im wesentlichen drei Gründe gibt, die hinter dem schlechten Abschneiden stehen:

  1. Hat eine Reihe von Volksbegehren der letzten 10-20 Jahren gezeigt, wie zahnlos dieses Mittel ist. Das Frauenvolksbegehren 1997 hatten fast doppelt so viele unterschrieben – doch die Forderungen sind bis heute nicht umgesetzt. Vielen ist bewusst, dass die Tatsache, dass ab 100.000 Unterschriften ein Volksbegehren im Parlament behandelt werden muss, letztlich nur zu einer Alibi-Debatte, aber keinen Veränderungen führt. Wer schon mehrere Volksbegehren unterschrieben hat und erlebt hat, dass das der herrschenden Politik herzlich egal ist, ist wenig motiviert, wieder zu gehen. Insgesamt hat die immer stärkere Abgehobenheit der sog. politischen „Elite“, ihre zurecht als verlogen und undemokratisch wahrgenommene Politik auch zu einer sinkenden Beteiligung an „demokratischen Mitteln“ geführt, von denen mensch sich nichts verspricht. Nicht das Interesse an Politik ist gesunken, sondern die Ablehnung des Establishments und seiner Spielregeln, die ihm nur selbst nützen.

  2. Breite macht nicht breit: Das Bildungsvolksbegehren hatte eine breite Unterstützung von Organisationen aus sehr unterschiedlichen Richtungen. Es fasste Gruppen zusammen, die eigentlich auf entgegengesetzten Seiten stehen: die Industriellenvereinigung und GewerkschafterInnen, RegierungsvertreterInnen und Opposition, Beschäftigte und Arbeitgeber. Diese Breite wurde als Stärke und Grundlage für Erfolg präsentiert. Letztlich hat sich aber gezeigt, dass es eine Breite war, die das Ziel schwächte. Denn der Text des Volksbegehrens war in vielen Bereichen so allgemein formuliert, dass Gruppen mit entgegengesetzten Interessen jeweils das hineininterpretieren konnten, was sie wollten. Und gerade in der Bewerbung wurde im wesentlichen auf die allgemeine Unzufriedenheit und mehr ein „Bauchgefühl“ gesetzt, als auf klare Forderungen. Das Volksbegehren war im wesentlichen eine Wunschliste, die in vielen Fragen sehr allgemein formuliert war. Was konkret gefordert wurde blieb oft unklar, bzw. offen für unterschiedliche Interpretationen. Kaum wer musste wirklich, was die konkreten Ziele waren, es wurde mehr eine Stimmung eingefangen. Zwischen den Zeilen waren darüberhinaus auch typisch neoliberale Forderungen zu finden wie die Öffnung der Schulen für die Wirtschaft sowie eine Abwälzung der Verantwortung für die Qualität im Bildungswesen auf LehrerInnen. Viele haben das Bildungsvolksbegehren sehr bewusst nicht unterschrieben, weil sie es auch als Ansatz für Kürzungen, besonders bei LehrerInnen sehen. Aber die zentrale Frage „Woher soll das Geld dafür kommen“ wurde nicht einmal gestellt. Es ist nicht möglich, hier eine gemeinsame Antwort von UnternehmerInnen und Menschen aus der ArbeiterInnenklasse zu finden – gerade in Zeiten der Krise! Dieser Punkt musste daher um der „Breite“ willen ausgespart werden.

  3. Promis und viel Geld können keine Bewegung ersetzen. Dem Bildungsvolksbegehren mangelte es nicht an Geld für Inserate, Werbematerial und ähnliches. Es hatte viele Promis und (halb)öffentliche Strukturen, die es unterstützten. Doch es war keine Bewegung. Was wir auch bei Parteien sehen – nämlich das auch mit der besten Werbung keine Wahl zu gewinnen ist – hat sich auch hier gezeigt. Die AktivistInnen der großen Bildungsbewegungen der letzten Jahre waren nicht Teil des Volksbegehrens: weder die SchülerInnen, die 2009 in Massen auf die Strasse gegangen waren, noch die Uni-Brennt-AktivistInnen sahen das Projekt als eines, das helfen könnte, ihre Ziele umzusetzen. Auch die LehrerInnen, die sich 2009 erfolgreich gegen die Verlängerung ihrer Arbeitszeit gewehrt hatten waren nicht dabei. Im Gegenteil wurden „die LehrerInnen“ teilweise mit dem konservativen GÖD-Vorsitzenden Neugebauer gleichgesetzt und teilweise sogar als Verantwortliche für die Bildungsmisere und nicht als ihr Opfer präsentiert.

Auch wenn das Volksbegehren keine breite Bewegung war, hat es doch AktivistInnen gegeben und haben sich viele erhofft, dass „endlich was passiert“. Das wird wohl kaum der Fall sein. Doch Enttäuschung und Frust ist die falsche Reaktion. Vielmehr geht es darum, dass jene Teile, die tatsächlich die selben Interessen haben, sich mit AktivistInnen der letzten Jahre zusammentun und ein Bildungsprogramm der Betroffenen – Lernende UND Lehrende gemeinsam – erarbeiten. Es braucht eine kämpferische Kampagne mit Vollversammlungen in Schulen und Universitäten, mit Dienststellenversammlungen im Bildungsbereich und echten kämpferische Aktionstagen, die auch die Frage, woher das Geld kommen soll zentral aufwirft. Demokratische Strukturen, eine kämpferische Strategie und ein Programm, dass nicht an der Sachzwanglogik stehen bleibt können eine gute Basis sein, dass es nicht bei einem – leider zahnlosen – Volksbegehren bleibt, sondern es eine echte Bewegung gibt, die in der Lage ist, die Situation im Bildungswesen tatsächlich im Sinne der Betroffenen zu verbessern.

Mehr zum Thema: