Arbeiterkammerwahlen 2019: Wen wählen?

Was tun Linke bei der Stimmabgabe?
Flo Klabacher

Seit Ende Jänner und bis Mitte April finden in allen Bundesländern die Arbeiterkammer (AK)-Wahlen statt. Inzwischen sind über drei Millionen abhängig Beschäftigte in ganz Österreich wahlberechtigt. In Vorarlberg, Tirol und Salzburg wurden die Wahlen bereits abgehalten. In den anderen Bundesländern stellt sich noch die Frage: Wen wählen? Die ist gar nicht so einfach zu beantworten: Es gibt mehrere Listen, die sich als „links“ verstehen und die an sich vertretbare Forderungen auf ihre Plakate bzw. ins Wahlprogramm schreiben. Wie diese Forderungen dann umgesetzt werden, ist eine Frage, die wenig diskutiert wird. Klar ist: Die AK-Vollversammlung ist kein mächtiges Instrument – tatsächlich wird die Politik der AK selbst zu einem großen Teil von anderen Gremien bestimmt, die wir nicht wählen können – nämlich den Direktionen, die zum Großteil in einem Naheverhältnis zur SPÖ stehen und einen sozialpartner*innenschaftlichen Kurs vorgeben. Die SLP unterstützt bei der AK-Wahl Kandidat*innen, mit denen wir zwar auch in manchen Fragen nicht einer Meinung sind, die aber mit diesem Kurs brechen, gute Arbeit machen, klassenkämpferisch agieren und die AK-Vollversammlung als Bühne nutzen, um Bewegungen auf der Straße und in den Betrieben zu unterstützen. Für die FSG trifft das nicht zu: Als dominierende Fraktion in fast allen Bundesländern (ausgenommen Tirol und Vorarlberg, wo sie aber keine grundlegend andere Rolle spielt) steht sie für einen sozialparnter*innenschaftlichen Kurs, der die Arbeiter*innenbewegung im Kampf gegen Unternehmen, Reiche und die schwarz-blaue Regierung entwaffnet. Ein gutes FSG-Ergebnis ist weniger ein Denkzettel für Schwarz-Blau, als eine Bestätigung des laschen, kompromisslerischen Kurses von AK und ÖGB. Einzelne, kämpferische FSG-Kandidat*innen, die es in manchen Bundesländern geben kann, werden kaum eine Möglichkeit haben, ihre Politik in den Vollversammlungen zu behaupten. Dazu ist der Druck der Bürokratie in der FSG-Fraktion zu groß.

Wien und Niederösterreich: KOMintern

Selma Schacht (Wien) und Can Tohumcu (NÖ) von der KOMintern waren schon in den letzten Jahren Teil der AK-Vollversammlung, sind aktiv in betrieblichen Bewegungen. Sie nutzten ihre Position, um gegen Angriffe auf Arbeitnehmer*innenechte und rassistische Hetze Stellung zu beziehen und internationale Solidarität zu organisieren.

So brachte Selma Schacht 2012 auf Initiative der SLP einen Antrag zur Wiener AK-Vollversammlung ein, der die extreme Repression der Gewerkschaftsbewegung in Kasachstan durch die Nasarbjev-Diktatur verurteilt und ÖGB und AK auffordert, die unabhängige kasaschische Gewerkschaftsbewegung zu unterstützen. Anlass war der Besuch des Diktators in Wien zu Wirtschaftsgesprächen, wenige Monate nachdem eine Streikdemonstration von kasachischen Erdöl-Arbeitern niedergeschossen wurde. Leider scheiterte Antrag an der Ablehnung durch die FSG.

Im Oktober 2015, als die enorme Solidaritätswelle für Flüchtende, die nach oder durch Österreich reisen mussten, abebbte, FPÖ und Rechtsextreme wieder in die Offensive gingen und die SPÖVP-Regierung daran ging, das Flüchtlingsprogramm der FPÖ umzusetzen, brachte Selma einen antirassistischen Antrag, an dem die SLP mitarbeitete und der auch beschlossen wurde. Darin wurde deutlich gemacht: Nicht Flüchtlinge sind für soziale Probleme verantwortlich und sie dürfen nicht zu Sündenböcken gemacht werden. Die AK erklärt sich mit diesem Antrag zur Interessensvertretung für alle Arbeitnehmer*innen, egal welcher Herkuft und stellt klar: Es ist genug Reichtum da, um Jobs, Wohnungen, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle bereitzustellen – das Problem ist die ungleiche Verteilung dieses Reichtums. Der Antrag fordert den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete und stellt sich gegen jede Verschärfung im Asylrecht und dass der enorme Reichtum einer kleinen Minderheit verwendet wird, um die entstehenden Kosten zu decken, statt Arbeitnehmer*innen und sozial schwache gegeneinander auszuspielen.

Aber darüber hinaus sind Selma und Can auch in vielen Bewegungen außerhalb der AK aktiv – wie beim von der SLP mitinitiierten Aktionsbündnis gegen den 12-Stunden-Tag, das schon beim ersten Vorstoß zur Verlängerung der Arbeitszeit auf 12 Stunden durch Rot-Schwarz Widerstand organisierte, während die FSG den Gesetzesentwurf verteidigte.

Selma Schacht spielt vor allem als Betriebsrätin im Sozialbereich und Aktivistin der Plattform „Wir sind sozial, aber nicht blöd“, in der auch viele Mitglieder der SLP aktiv sind, eine wichtige Rolle dabei, Widerstand gegen die miesen Löhne und Arbeitsbedingungen im Sozialbereich zu organisieren und Druck auf die träge Gewerkschaftsbürokratie auszuüben. Vor den Streiks im Sozialwirtschaftskollektivvertrag (SWÖ-KV) teilte sie ihre Streikerfahrungen bei Streikschulungen in verschiedenen österreichischen Städten, beim Streik selbst spielte sie eine zentrale Rolle dabei, eine öffentliche Streikversammlung mehrerer Wiener Betriebe zu organisieren. Im großen Verhandlungsteam der Gewerkschaften zum SWÖ-KV ist sie eine von denen, die sich gegen die faulen Kompromisse, die bisher beschlossen wurden wehrt.

All das sind gute Gründe, warum Beschäftigte in Wien und Niederösterreich die Sitze der KOMintern in den AK-Vollversammlungen verteidigen sollten.

Oberösterreich: Wahlempfehlung für den Gewerkschaftlichen Linksblock/Thomas Erlach

In Oberösterreich erreichte der GLB bei der letzten Wahl einen Sitz für seinen Spitzenkandidaten Thomas Erlach. Der Betriebsratsvorsitzende von EXIT-sozial spielte 2009 eine wichtige Rolle bei den Streiks gegen die Kürzungen im psychosozialen Bereich durch das Land Oberösterreich. Er initiierte gemeinsam mit anderen eine Vernetzung von oberösterreichischen Sozialbereichs-Betriebsrät*innen, die sich über einige Zeit trafen und öffentliche Aktionen organisierten. Bei den Warnstreiks im Sozialbereich 2018 organisierte der Betriebsrat von EXIT-sozial die einzige öffentliche Streikaktion in Oberösterreich (abgesehen von einer Solidaritätskundgebung für den Streik, die in Vöcklabruck von der SLP organisiert und einigen Beschäftigten besucht wurde) am Linzer Martin-Luther-Platz. Auch er stimmte im großen Verhandlungsteam des SWÖ-KV immer und teilweise als einziger gegen die faulen Kompromisse, die beschlossen wurde. Darüber hinaus besuchte er auf Einladung von SLP-Aktivist und „Bilfinger Shared Services“-Betriebsratsvorsitzenden Gerhard Ziegler die Streikversammlung der Beschäftigten dieser Firma und der MCE, um sich mit den Metaller*innenstreiks zu solidarisieren. Beim SWÖ-Streik 2019 lud er dann Gerhard Ziegler und Aktivist*innen der Plattform „Sozial, aber nicht blöd“ zur EXIT-sozial-Streikversammlung ein, die ihre eigenen Erfahrungen und Solidaritätsbotschaften in die Versammlung einbrachten. Das ist Solidarität in der Praxis und ein Beispiel dafür, wie Betriebsratsarbeit aussehen soll. Den Sitz von Thomas Erlach als ehrlichen, linken Aktivisten sollten wir verteidigen.

Steiermark: GLB-KPÖ

Schade, dass die Liste bzw. die Gewerkschafter*innen von GLB-KPÖ ihr relativ starke Verankerung in Betrieben, Betriebsratsposten und Mandate in der AK nicht nutzen, um Bewegungen in den Betrieben anzustoßen oder existierenden Bewegungen eine Bühne zu bieten. In den letzten Jahren gab es einige wichtige Bewegungen, in denen GLB-KPÖ diese Rolle spielen hätten können: Bei den Protesten der Plattform 25 (2011) wäre eine entschlossene Führung, die die Frage von Streiks gegen die Landeskürzungen im Sozialbereich auf die Tagesordnung stellt, nötig gewesen. Sie hätte die Stimmung unter den tausenden Beschäftigten, die mehrmals auf die Straße gingen, aufgreifen können. Mit einer Streikbewegung hätte damals ein Weg vorwärts auch für andere Bundesländer und Branchen aufgezeigt werden können, die seither mit ähnlichen Sparpaketen konfrontiert waren. In der Bewegung gegen das Murkraftwerk wäre es besonders wichtig gewesen, eine gewerkschaftliche Kampagne zu organisieren, die nicht in die Falle tappt, Arbeitsplätze und Umweltschutz gegeneinander auszuspielen, sondern erklärt, wie durch öffentliche Investitionsprogramme nachhaltige Jobs geschaffen werden können. Bei den SWÖ-Streiks hätten viele Beschäftigte in den Betrieben Unterstützung beim Organisieren von Streiks und Protesten gebraucht, damit der Streik schlagkräftig und der Druck aufs Verahndlungsteam, einen faulen Kompromiss abzulehnen, möglichst groß ist. Auf all das verzichteten GLB-KPÖ. In all diesen Bewegungen nahmen zwar GLP-KPÖ-Aktivist*innen teil, aber nicht sichtbar als Vertreter*innen ihrer Organisation, und ohne Vorschläge zu machen, wie die Bewegungen weiter entwickelt werden können. Statt aktiv zu versuchen, die Kolleg*innen zu organisieren und Strukturen von unten aufzubauen, bleiben GLB-KPÖ bei einer Stellvertreter*innenpolitik stehen, ganz nach dem Motto „wählt uns, dann ändern wir was für euch“ – sie verlassen dabei nie die Logik des Kapitalismus und halten sich an die Spielregeln der Institutionen, die der bürgerliche Staat zur Verfügung stellt. Und dazu gehört eben in Österreich auch die AK (noch). Trotz aller dieser Schwächen: Dass GLB-KPÖ in der steirischen AK-Versammlung 2014 vier Mandate erreicht haben, ist grundsätzlich positiv. Es zeigt das Potential für eine Alternative links von FSG und AUGE-UG.

Klar ist aber auch, die Wahlen allein werden nicht reichen, um die Ak kämpferischer zu machen oder sie gegen die Angriffe der Regierung zu verteidigen: https://www.slp.at/artikel/ak-verteidigen-%E2%80%93-aber-richtig-8642