Mo 09.02.2009
Wer schon einmal einen Krimi gelesen hat, der kennt die Frage: “Cui bono?” (Wem nützt es?). Sie erweist sich meist als hilfreich, um den Täter/die Täterin zu finden. Während diese Herangehensweise, nämlich Motive zu hinterfragen, in der Kriminalistik breit akzeptiert ist, wird sie in der Politik weitgehend ausgeblendet. Stattdessen wird so getan, als ob es ein “gemeinsames Interesse” und eine “objektive Wahrheit” gäbe. Tatsächlich gibt es aber sehr unterschiedliche Interessen die zu ganz unterschiedlichen Wirtschafts- und Politikkonzepten führen.
Ein Hauseigentümer wird wohl kaum für eine Deckelung der Mieten sein. Ein Zigarettenproduzent gegen ein Werbeverbot für Tschik. Ein Industrieller nicht für höhere Umweltauflagen. Ein Millionär nicht für eine hohe Vermögensbesteuerung. Wer Anlegemöglichkeiten für sein Kapital sucht, wird sich für eine Privatisierung des Gesundheits- und Bildungswesens einsetzen. Wer aber täglich zur Arbeit gehen muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, Angesichts der Krise Angst um seinen Job hat und seine mühsam angesparte Zusatzpension zerrinnen sieht, hat andere Interessen. Nämlich eine saftige Lohnerhöhung, einen sicheren Job und ein Sozialsystem mit niedrigen Beiträgen und guten Leistungen. Darum gibt es auch keine allgemein “richtige” Politik, sondern nur eine, bzw. mehrere verschiedene, die sich an den Interessen jeweils unterschiedlicher Gruppen orientiert. Wer also behauptet, objektiv zu sein und “das Richtige” zu tun, hat unrecht.
Was für manche richtig ist, ist für andere falsch
Dass “das Richtige” nicht einmal für ein und dieselbe Interessensgruppe ewig gleich bleibt, zeigt die aktuelle Position zur Frage von Verstaatlichung und Staatshilfe. Wer vor kurzem noch “mehr privat, weniger Staat” als Mantra hatte, fordert nun lautstark staatliche Hilfe. Cui bono können wir hier fragen. Ist die aktuelle Politik tatsächlich gut für alle? Ist die Rettung der Banken eine notwendige Maßnahme, von der auch die Bankbeschäftigten und die kleinen KundInnen profitieren? Werden durch die Hilfspakete der österreichischen Regierung tatsächlich Jobs gerettet?
Die Regierung: Diener ihrer Herren
Auch wenn wir das Parlament wählen dürfen, so orientiert sich die Regierung in ihrer Politik nicht an unseren Interessen. Die Politik wird viel eher “in den Chefetagen” gemacht. Die Gewerkschaft darf zwar teilweise in sozialpartnerschaftlicher Tradition ein bisschen mitreden - aber nur solange sie bereit ist den Kurs mitzutragen. (Wobei der ÖGB stets bemüht ist, gerade dass zu tun und dabei die Interessen der Beschäftigten hinten anstellt).
Zwar gibt es in Vorwahlzeiten, oder wenn es starken Druck z.B. aus Bewegungen oder den Gewerkschaften gibt auch Maßnahmen, die den UnternehmerInnen nicht so recht sind. Aber im Großen und Ganzen orientiert sich die Regierung an den Bedürfnissen von Reichen und Unternehmen. Darüber kann auch das Gerede von “Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut” nicht hinwegtäuschen: trotz Wachstum in den letzten Jahren sind die Reallöhne gesunken und niedriger als z.B. 2000. Arbeiterinnen müssen heute mit 11,1 Prozent weniger auskommen als im Jahr 2000.
“Wir würden ja gern” – Der Mythos von der linken SPÖ
Unter Faymann hat die SPÖ im Wahlkampf wieder stärker auf soziale Themen gesetzt. Aber leider, man sei halt in einer Koalition (das war schon die Ausrede von Gusenbauer, Vranitzky, Klima...), da müsse man halt Kompromisse eingehen. Nun, dieses praktische Argument hat die SPÖ in Wien nicht. Hier verfügt sie über eine absolute Mehrheit - und betreibt auch keine “andere” Politik: Erhöhung des Gaspreises um 21%, des Strompreises um 8%. Mittels Cross-Boarder-Leasings wurden Wiener Straßen- und U-Bahnen sowie Teile der Wiener Kanalisation us-amerikanischen Finanzinstituten überlassen. Während es einerseits Ausgliederungen im Gesundheitswesen gibt hat andererseits Wiener Wohnen (“Gemeindebauten”) seit 2004 keinen Neubau mehr errichtet und plant auch keinen - obwohl Zehntausende eine Wohnung suchen.
Die SPÖ ist schon längst keine linke Partei mehr. Sie hat zwar eine andere Geschichte als traditionelle bürgerliche Parteien ist aber heute kaum noch von der ÖVP zu unterscheiden. Wir meinen daher auch, dass eine SPÖ-Alleinregierung, egal ob mit einer Mehrheit im Parlament ausgestattet oder als Minderheitsregierung, keine grundlegend andere Politik machen würde. Aber gerade eine solche grundlegend andere Politik ist angesichts der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise notwendig.
Es geht auch anders
Der Kapitalismus steht am Beginn seiner tiefsten Krise - wirtschaftlich und ideologisch - seit Jahrzehnten. Und klar ist auch, dass ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose, Jugendliche und MigrantInnen die Hauptlast tragen sollen. Daher braucht es eine grundlegend andere Politik. Diese darf sich nicht - versteckt hinter dem Gerede von “wir sitzen alle im selben Boot” - an den Wirtschaftsinteressen orientieren, sondern muß klar Position auf Seiten der ArbeitnehmerInnen und sozial Schwachen beziehen. Wir nennen das “einen Klassenstandpunkt haben”. Wie könnte eine solche “andere” Politik nun aussehen, und wie könnte sie durchgesetzt werden? Wir haben in zahlreichen Publikationen ein umfangreicheres Programm vorgestellt, daher hier nur einige Eckpunkte:
1) Mindestlohn von 1100.- netto, Recht auf einen Vollzeitarbeitsplatz, Arbeitszeitverkürzung auf 30-Stunden pro Woche
Statt Lohndumping, Kurzarbeit und weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit, wie sie z.B. die Wirtschaftskammer fordert, sollen durch eine drastische Arbeitszeitverkürzung ohne Lohneinbussen Jobs gesichert werden. Die jetzigen Konjunkturpakete der Regierung orientieren sich ausschließlich an männlichen Beschäftigten. Gerade Frauen werden aber oft in schlecht bezahlte und unsichere Teilzeitjobs abgedrängt. Wer einen Vollzeitarbeitsplatz will muß das Recht auf einen solchen haben, die öffentliche Hand muss dafür z.B. durch ausreichend kostenlose Kinderbetreuungseinrichtungen den Rahmen schaffen. Aber lässt sich das überhaupt durchsetzen? Dass ist eine Frage des Kräfteverhältnisses. Keine Verbesserung wurde den Beschäftigten geschenkt, freiwillig haben die Unternehmen NIE etwas hergegeben. Und gerade in Krisenzeiten ist es natürlich noch schwerer solche Forderungen durchzusetzen. Die bisherige, zurückhaltende, Gewerkschaftspolitik hat uns bereits eine Reihe von Verschlechterungen bei Arbeitszeit und Einkommen beschert. Die Konflikte innerhalb der Gewerkschaft darüber “welcher Kurs” werden daher in Zeiten der Krise wohl noch heftiger werden. Denn der Gewerkschaftsführung ist klar, dass jede offensive Forderung, aber selbst Forderungen zum Erhalt des Status quo, nur gegen massiven Widerstand der Unternehmer durchzusetzen sind und teilweise am Rahmen des Kapitalismus kratzen. Und einen solchen Kampf zu organisieren steht im Widerspruch zur Politik der ÖGB-Führung. Wir meinen daher, dass es für eine andere Politik auch einen anderen, kämpferischen und demokratischen, ÖGB braucht.
2) Massives Investitionsprogramm in Gesundheit, öffentlichen Verkehr, Wohnen, Bildungswesen und Umweltschutz
Die Regierung zahlt Milliarden an Banken aus, damit diese weiter spekulieren können. Gleichzeitig kündigt Pröll Kürzungen für uns an. Dabei brauchen wir dringend zehntausende neue Wohnungen. Wir brauchen Geld für die Schulen und Universitäten um in kleineren Gruppen lernen zu können. Wir brauchen Geld für das Gesundheitswesen damit jedeR sofort die bestmögliche Behandlung erhält. Wir brauchen einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Nulltarif auf zumindest innerstädtischen Öffis. Das wäre auch eine wichtige Umweltschutzmaßnahme.
Aber kann eine Regierung gerade in Zeiten der Krise solche Maßnahmen setzen? Wenn sie politisch dazu bereit ist, ja dann kann sie dass. 1984 z.B. hatte der Stadtrat in Liverpool (GB) eine sozialistische Mehrheit und stellte dem neoliberalen Kurs der Thatcher-Regierung das Projekt eines “roten Liverpools” entgegen. Zu dessen Leistungen zählten u.a.: Einführung der 35h-Woche bei vollem Lohn, 5.000 neue Sozialwohnungen gebaut (damit mehr als alle anderen Kommunen Englands zusammen!), 12.000 neue Arbeitsplätze in der Baubranche durch öffentliche Bauaufträge geschaffen und eine Erhöhung des Mindestlohns für städtische Beschäftigte. Auch als Thatcher den Geldhahn völlig zudrehte und gleichzeitig den gesamten Stadtrat vor Gericht zerrte, gaben die LiverpoolerInnen nicht auf: In mehreren Generalstreiks kämpften Stadtregierung und die ArbeiterInnenklasse gemeinsam. Dass Liverpool nicht auf Dauer erfolgreich war, lag daran, dass der sozialistische Stadtrat von der Labour Party im Stich gelassen wurde.
Das Beispiel Liverpool zeigt, dass es sogar im Rahmen des Kapitalismus möglich ist, Verbesserungen gegen den Mainstream zu erreichen. Dazu braucht es aber eine entschlossene politische Kraft. Daher treten wir auch für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei mit sozialistischem Programm ein.
3) Verstaatlichung der wichtigsten Banken und Unternehmen. Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten
Die Bankenhilfspakete können weder die Krise aufhalten noch helfen sie kleinen SchuldnerInnen. Der einzige Ausweg aus der Bankenkrise, der nicht zu Lasten der Beschäftigten und Erwerbslosen geht, führt über die Verstaatlichung aller Banken. Das ist auch die Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle. Denn kontrollieren kann man nur, was einem gehört. Solche verstaatlichten Banken können die retten, die gerettet werden müssen. Das bedeutet: Keine Zwangsversteigerungen von Privatwohnungen und Einfamilienhäusern. Entschuldung von überschuldeten Haushalten nach Bedürftigkeit. Abschaffung aller Wucherzinsen. Ähnliches gilt auch für Unternehmen: Millionen und Milliarden in Privatunternehmen zu buttern und dann zuzusehen, wie das Geld für Arbeitsplatzabbau verwendet wird lehnen wir ab. Die Schlüsselbetriebe in der Industrie und im Dienstleistungssektor gehören ebenfalls verstaatlicht. Denn auch diese agieren nicht im Sinne der Allgemeinheit: Ölpreiserhöhungen z.B. werden sofort an die KonsumentInnen in Form von Preiserhöhungen “weitergegeben”, Ölpreissenkungen aber kaum. Wir erinnern uns auch an die steigenden Lebensmittelpreise der letzten Jahre, an denen die Handelsketten gut verdient haben. Aber wir meinen keine Verstaatlichte wie im Österreich der 1970er Jahre sondern Betriebe, die im Sinne der Beschäftigten und der KonsumentInnen geführt werden. Dazu müssen genau diese die Betriebe auch kontrollieren und verwalten. Das geht nicht? Warum - dass die Managements auch nur “mit Wasser kochen”, oft keine Ahnung haben was geschieht, dafür aber Spitzenbezüge kassiert ist offensichtlich.
All diese Maßnahmen stehen natürlich im Widerspruch zur kapitalistischen Logik und dem Kapitalismus selbst. Der ja gerade jetzt zeigt, dass er eben nicht das beste aller Systeme ist. Wer also “andere” Politik machen möchte, der muss sich letztlich auch für ein anderes System einsetzen. Darum kämpfen wir für den Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer demokratischen, sozialistischen Gesellschaft.