Alle reden vom Wetter – wir auch

Sonja Grusch

Der neuerliche Hitzesommer zeigt, dass das Wetter alles andere als unpolitisch ist. Es geht um Internationales, macht doch die Klimaerwärmung nicht an Staatsgrenzen halt. Und um Wirtschaft – schließlich werden Großkonzerne, die CO2 produzieren, mit Steuergeldern subventioniert. Es geht ums Wohnen, denn warum müssen Vermieter nicht für ordentliche Isolierung und z.B. Außenjalousien sorgen. Auch die Gesundheit ist betroffen, schlägt sich die Hitze doch u.a. auf den Kreislauf. Natürlich geht es auch ums Arbeiten: Zwar sinkt die Leistungsfähigkeit erwiesenermaßen bei Hitze, doch müssen wir trotzdem weiter „liefern“ - während es die Chefs mit den Vorschriften für einen erträglichen Arbeitsplatz nicht so genau nehmen. Und es ist ein durch und durch soziales Thema: Die einen können wochen- und monatelang vor der Hitze flüchten oder die Zeit im kühlen Garten etc. genießen. Und die anderen müssen zumindest einen Teil des Sommers arbeiten und leiden. Und haben kein Geld für Klimaanlage & Co.

Ernsthaft übers Wetter zu reden ist also hochpolitisch. Wer sich darauf beschränkt, Tipps zu geben, wie man die Hitze überstehen kann, fragt noch nicht einmal nach der Ursache und ernsthaften Lösungen. Wie bei Armut oder Krankheit wird auch bei der Hitze so getan, als ob sie „gottgegeben“ wäre und man sich in sein Schicksal fügen müsse. Doch weder ist der Klimawandel natürlich noch die Tatsache, dass es an manchen Arbeitsplätzen oder Wohnungen 30 Grad und mehr hat. Also reden wir übers Wetter und darüber, wie wir ein erträgliches Lebens- und Arbeitsumfeld für alle schaffen, und nicht nur für jene mit dickem Bankkonto. Und reden wir darüber, wie wir die Zukunft des Klimas den profithungrigen Klauen des Kapitalismus entreißen können. Weil wir nämlich die viel zu heiße Suppe, die uns der Kapitalismus eingebrockt hat, nicht auslöffeln wollen.

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