AdjEU?

Der drohende Kollaps Griechenlands und anderer schwer verschuldeter Staaten bedrohen die EU und den Euro existenziell
Sebastian Kugler

IWF-Knebelkredite kennen wir aus der Vergangenheit vor allem aus Afrika und Südamerika. Mittlerweile gehen aber bereits über 60% der IWF-Kredite an Länder der EU. Alleine Griechenland hat mit seinen 142% des BIPs betragenden Staatsschulden das Potential, die EU in einen Abgrund zu reißen. Ein Jahr nach dem 110 Milliarden Euro schweren „Hilfspaket“ für Griechenland ist klar: Das Geld reicht nicht. Ohne weiteres „Hilfspaket“ dürfte Griechenland im Juli zahlungsunfähig sein. Selbst die schlimmsten Kürzungen der Regierung konnten nicht genügend Geld reinbringen, um sich aus den Klauen internationaler Banken freizukaufen.

Lehman zum Quadrat

Nicht die „Pleite-Griechen“ haben über ihre Verhältnisse gelebt. Die schwache griechische Wirtschaft wurde von mächtigeren Ländern wie Deutschland bewusst importabhängig gemacht, während die Zinsen für griechische Staatskredite ungleich höher sind als für andere Länder. Ein Bankrott Griechenlands wäre ein wirtschaftliches Erdbeben. Experten sprechen von „Lehman zum Quadrat“, also einer schlimmeren Krise als nach der Pleite der „Lehman Brothers“ Bank im Herbst 2008. Ein Bankrott Griechenlands oder der Rauswurf aus der Euro-Zone würde Spekulationen auf ähnliche Maßnahmen in anderen schwer verschuldeten Staaten wie Portugal und Irland antreiben. Weitere Finanzspritzen für verschuldete Länder schieben die Probleme nur auf. Auch für Österreich kann es ein böses Erwachen geben, weil österreichische Banken in riskante Geschäfte im wirtschaftlich labilen Osteuropa verwickelt sind.

Schöne Worte – Nichts dahinter

Was hat uns die EU seit ihrer Gründung nicht alles versprochen, in ihren Hochglanzbroschüren, ihren Informationsveranstaltungen und durch ihre SprecherInnen? Europa sollte zum „Global Player“ werden, zum stärksten Wirtschaftsraum der Welt. Dafür wurden Gewerkschaftsrechte und soziale Errungenschaften abgebaut. Ideologisch wurde der europaweite Sozialabbau unterfüttert vom Gedanken einer gemeinsamen europäischen Identität. Doch auch das erweist sich nun als Schall und Rauch, wo erwogen wird, die „Wiege der europäischen Kultur“, Griechenland, aus der Eurozone rauszuschmeißen. Die EU war immer ein Projekt europäischer Regierungen, um die Bedingungen für das Kapital so profitabler zu machen. In der Krise versuchen die Staaten aber, ihre eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Die kapitalistische Standortlogik wird zum dominierenden Faktor in der Politik. Das macht es für die einzelnen Staaten der EU in vielen Fragen unmöglich, geeint aufzutreten. Die Herrschenden werden sie trotzdem nicht einfach aufgeben. Immerhin ist sie ein gutes Mittel zur Umsetzung von Interessen des Kapitals sowohl „nach innen“ '(gegen die ArbeiterInnen in der EU), wie auch nach außen. Doch mit zunehmenden wirtschaftlichen Problemen nehmen die Zentrifugalkräfte zu und könnten über kurz oder lang einige der schwächeren Randstaaten wie Griechenland, Portugal u.a. hinausschleudern.

Zu dumm für Europa?

„Liberale“ bürgerliche KommentatorInnen meinen nun: Die EuropäerInnen sind einfach zu dumm, um zu erkennen, wie toll die EU ist. Die Menschen, die nun gegen die Sparpolitik der EU auf die Straße gehen, seien verkappte NationalistInnen, die nicht über den nationalen Tellerrand blicken. Aber nationalistische Propaganda gewinnt nur dann an Einfluss, wenn eine starke linke Alternative fehlt. Nur wenige Tage nach dem Ausbruch der sozialen Bewegung in Spanien gab es Proteste in ganz Europa. Sie solidarisierten sich mit den Forderungen der „Democracia real ya“ („Echte Demokratie jetzt“)-Bewegung und forderten ein Ende der Sparpolitik und der Arbeitslosigkeit. Es existiert ein breites Gefühl unter ArbeiterInnen und Jugendlichen, dass diese Probleme nur international gelöst werden können. Kaum ein Land, in dem die Sparpolitik der Regierenden nicht auf Massendemos von ArbeiterInnen und Jugendlichen trifft. Doch es kann nicht nur bei wörtlichen Solidaritätsbekundungen für Bewegungen in anderen Ländern bleiben. Die Bewegungen müssen sich vernetzen und in Form neuer politischer Formationen Ausdruck finden.

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