30 Stunden sind genug

Michael Gehmacher

In Deutschland ist er angeblich schon da, zu uns soll er bald kommen und in Rußland ist er wohl nicht gerade: der Aufschwung, der die Arbeitslosigkeit dauerhaft senken soll. Die Arbeitslosigkeit wird aber vermutlich noch eine Weile steigen. Jüngste Beispiele: Die Schifabrik Atomic kündigte an, ein Drittel der Belegschaft abzubauen, es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis weitere Kündigungen folgen. Die Atomic - Tochter Köflach hat bereits 100 ihrer 150 Beschäftigten gekündigt bzw. auf Kündigungslisten gesetzt. Der Verbundkonzern bleibt bei seiner Ankündigung, 1000 von 4000 Beschäftigten abbauen zu wollen.
Sogar EU- Projekte wackeln. 1994 wurde im südburgenländischen Heiligenkreuz ein Lyocellwerk mit vielen Förderungsgeldern errichtet. Zuvor wurde das Lyocell-Stammwerk in Lenzing (Oberösterreich) kräftig demontiert. Eine primitive Arbeitsplatzumschichtung fand statt. Tatsächlich ist das Überleben des burgenländischen Werkes nach dem Versiegen der Förderungsmittel äußerst fraglich. Über Beschäftigtenabbau wird bereits laut nachgedacht.
GewerkschafterInnen, Betriebsräte und Betroffene stehen den Rationalisierungsplänen der Konzerne ratlos - ohne Gegenstrategie - gegenüber. Je größer die Arbeitslosigkeit wird, desto leichter läßt sich der einzelne Beschäftigte unter Druck setzen. Dem Kapital gelingt es, die Rahmenbedingungen zur Zeit mehr und mehr zu seinen Gunsten zu verschieben: 470.822 Menschen verdienten 1997 weniger als öS 12.000,- brutto. 361.049 davon waren Frauen, großteils Teilzeitbeschäftigte.
Hier setzen wir mit unserer Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung an: Die technologische Entwicklung ist längst soweit fortgeschritten, daß eine radikale Arbeitszeitverkürzung möglich wäre. Wer aber  eine  wirksame  Veränderung will, muß die Logik des Profits in Frage stellen und ihr die Logik der Solidarität gegenüberstellen.
Unsere vier Forderungen richten sich nach diesem Prinzip.

Die 30 Stundenwoche

Eine Einführung der 35 Stunden woche reicht längst nicht mehr aus. Die Unternehmer würden die vorhandene Arbeit durch höheren Arbeitsdruck in kürzerer Zeit erledigen lassen. Dies funktioniert aber nur mit der Angst um den Arbeitsplatz. Sie zwingt die Menschen oft zu einer gefährlichen Dauerhöchstleistung. Eine sofortige Einführung der 30 Stundenwoche würde das Druckmittel Arbeitslosigkeit derart schnell beseitigen, daß in den Betrieben verbleibende Arbeit von neu einzustellenden Personen gemacht werden müßte. Ein Großteil der Teilzeit- müßte in Vollzeitarbeitsplätze umgewandelt werden.

Der 6 Stundentag

Hier geht es  um die grundsätzliche Rahmenbedingung, um den gesetzlichen Normalarbeitstag. Flexibilisierung hebt die positiven Effekte einer Arbeitszeitverkürzung größtenteils wieder auf (siehe VW-Modell in der BRD). Es soll durch die Einführung einer 30-Stundenwoche kein Spielraum von 6 Stunden bis zum gesetzlichen Normalarbeitstag (in Extremfällen 10 Stunden)  aufgemacht, sondern jede Stunde über der sechsten als Überstunde betrachtet werden. Die Unternehmer werden so zu Neueinstellungen gezwungen.
Klar ist, daß es Bereiche gibt (Gesundheit und sozialer Bereich), wo länger an einem Tag von einer Person gearbeitet werden muß. Dort müssen die Überstunden entsprechend vergütet werden.

Verkürzung der Lebensarbeitszeit

Das Stichwort vom „lebenslangen Lernen“ macht die Runde. Ebenso das Problem des „Ausbrennens am Arbeitsplatz“ – neuerdings auch  „Burn Out Syndrom“ genannt. Fortschrittliche GewerkschafterInnen und SozialwissenschaftlerInnen haben sich verschiedene Modelle von der Bildungskarenz bis zum Sabbtical-Modell ausgedacht. Alle diese Modelle basieren  darauf, daß sich einE ArbeitnehmerIn von der Arbeit erholt bzw. sich fortbildet und die öffentliche Hand (z.B. AMS). oder sie/er selber dafür bezahlt (z.B. teilweiser Gehaltsverzicht). Erstens wollen wir, daß diese Kosten von den Unternehmern getragen werden. Und zweitens eine Möglichkeit des Arbeitnehmers, seine Erwerbsbiographie selbst zu gestalten.

Nein zur Sonntagsarbeit

Die Debatte um die Sonntagsarbeit dreht sich nicht nur um die Frage: „Sonntag einkaufen oder nicht?“
 Es geht um den Fall der Wochenendruhezeit, die die Unternehmer aufbrechen wollen. Diese wollen wir verteidigen. Es ist aber nicht egal, an welchem Tag nicht gearbeitet wird, denn ein gemeinsamer freier Tag hat einen wichtigen Stellenwert.
Die Frage der politischen Rahmenbedingungen und deren Veränderung zu Gunsten der unselbständig Erwerbstätigen zieht sich wie ein roter Faden durch unsere vier Forderungen. Wir wollen mit unseren Forderungen und unserer Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung einen Ansatzpunkt für eine breite und notwendige Gegenwehr und Offensive von ArbeitnehmerInnen, Erwerbslosen, Jugendlichen und GewerkschafterInnen anbieten.

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