“Entlastungspaket”: wenig Entlastung, viel Mogelpackung

Kein Wunder dass Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung jubeln
Sonja Grusch, ISA-Bundessprecherin

Am Dienstag den 14. Juni hat die Regierung ihr “Entlastungspaket” präsentiert. Dass Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung zufrieden sind, ist angesichts der geplanten Maßnahmen keine Überraschung. “Die Opposition” in ihrer Unterschiedlichkeit und doch auch wieder Ähnlichkeit kritisiert und lobt Teile. Die Gewerkschaft ist - zu Recht - unzufrieden, plant aber dennoch keine Kampfmaßnahmen um besseres zu erkämpfen. Wir analysieren das Paket und sagen nicht nur was stattdessen nötig wäre sondern auch, wie es erkämpft werden kann.

Maßnahmen kommen spät

Das Offensichtliche zuerst: Inflation ist nun seit rund einem Jahr ein wachsendes Problem, doch die Regierung hat lange nichts getan und nun tut sie wenig, spät und kaum dauerhaftes. Erinnern wir uns wie schnell Milliarden zur Hand waren um 2007 Banken zu retten und um unter Corona Unternehmen (und ihre Profite!) zu sicher. Es ist und bleibt eine Regierung der Reichen. Was wir brauchen ist eine Regierung aus Vertreter*innen jener Menschen, die nicht nur die Mehrheit stellen sondern auch den Reichtum in diesem Land schaffen, die Arbeitenden, die Jugendlichen, die Pensionist*innen, die “normalen” Menschen oder um es mit einem traditionelleren Begriff zu sagen: die Arbeiter*innenklasse. Keine der etablierten Parteien kann das leisten, wir brauchen also nicht nur eine neue Partei für Arbeiter*innen und Jugendliche sondern auch eine ganz andere Form der Demokratie, wo wir alle und nicht nur wenige entscheiden.

Einmalzahlungen = Almosenpolitik

Nun zu den Maßnahmen, auch wenn die endgültigen Details noch offen sind. Diese setzen sich zusammen aus Einmalzahlungen, Steuererleichterungen, Unternehmensförderung, automatische Anpassungen. Einmalzahlungen wie der Klimabonus oder eine einmalige zusätzliche Familienbeihilfe haben den Nachteil dass sie nicht längerfristig wirken während die Preise aber längerfristig steigen. Ob sie die Verluste der bereits erfolgten Teuerung überhaupt ausgleichen ist fraglich, längerfristig wirken sie auf keinen Fall. Das gilt auch für den Wiener Energiebonus von 200 Euro. Das solche Einmalzahlungen eher als ungenügende Almose durchschaut werden zeigt, dass vielen klar ist: diese Regierung ist nicht unsere!

Steuererleichtungen

Von “rascher Hilfe” kann bei Steuererleichterungen nie die Rede sein. Sie werden frühestens Anfang 2023 schlagend. Unter der Voraussetzung allerdings, dass man soviel verdient, dass man Lohnsteuer bezahlt - rund ein Drittel der Beschäftigte verdient dafür allerdings zuwenig. Womit Maßnahmen wie der “Familienbonus” und der “einmalige Absetzbetrag” nicht nur spät sondern auch für viele gar nicht schlagend werden. Besonders betroffene wie Arbeitslose oder Mindestpensionist*innen erhalten einmalig 300.- - ein Betrag der angesichts der Teuerung bestenfalls der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein ist. Der Standard rechnet vor, dass eine alleinerziehende Teilzeitbeschäftigte in den Folgejahren nur 300 Euro im Jahr mehr bekommt. Das Paket zielt insbesondere auf das Wähler*innenklientel von ÖVP und Grün ab und das sind gerade nicht jene mit wenig oder gar keinem Geld!

Die einzigen 2 halbwegs positiven Maßnahmen sind die - teilweise - Abschaffung der kalten Progression und die jährliche Anpassung von Sozialleistungen an die Inflation. ABER: auch hier ist nicht steckt weniger dahinter als versprochen wird. Die kalte Progression, also die Tatsache dass Menschen durch eine Lohnerhöhung in eine höhere Steuerklasse rutschen und damit die Erhöhung direkt wieder weg ist, wird nur teilweise abgeschafft. Niedrige Einkommen, die aufgrund des geringen Lohns/Gehaltes gar keine Lohnsteuer zahlen, haben davon gar nichts. Und: bei weitem nicht alle Sozialleistungen sollen an die Inflation gekoppelt werden, z.B. Arbeitslosengeld ist nicht betroffen. Und auch hier gilt: selbst wenn ab 2023 indexiert wird, bleibt das Loch dass die Inflation der letzten Jahre gerissen hat! Mieten übrigens sind längst indexiert, d.h. die Vermieter*innen passen die Mieten ganz automatisch an die Inflation an, ganz legal, bei Löhnen/Gehältern soll das angeblich nicht möglich sein. Warum? In Belgien z.B. gibt es genau so eine automatische Lohnerhöhung seit Jahrzehnten, die Gewerkschaft verhandelt bzw. kämpft dann darüber hinaus für echte Reallohnerhöhungen!

Bleiben noch die gefährlichen Maßnahmen: die Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen sowie eine abgabenfreie Mitarbeiter*innenprämie für Unternehmen. Die sogenannten “Lohnnebenkosten” sind einfach ein Teil des Lohnes der vom Unternehmen direkt an z.B. die Unfallversicherung weitergeleitet wird. Wird hier gekürzt bedeutet das eine Lohnkürzung die die Beschäftigten zwar nicht unmittelbar am Lohn/Gehaltszettel sehen aber rasch zu spüren bekommen wenn z.B. bei Rehamaßnahmen, bei Gesundheitsleistungen gekürzt wird, weil den Kassen das Geld fehlt. Die abgabenfreie Mitarbeiter*innenprämie wird von Unternehmen als billiger Lohnersatz genutzt werden: anstatt einer Lohnerhöhung wird eine Einmalzahlung gemacht. Das macht im Jahr der Auszahlung für die Beschäftigten keinen Unterschied, längerfristig aber einen gewaltigen weil dieser Betrag keine Grundlage für kommende Lohnerhöhungen ist - die Lohnkurve “flacht ab”, längerfristig sinkt das Realeinkommen weiter. Angesichts dessen ist es besonders dramatisch dass die Gewerkschaft sich zur Herbstlohnrunde weitgehend ausschweigt. Nichteinmal, wie früher “üblich” großmundige Ankündigungen (die dann allerdings eh nicht eingehalten werden) man werde sich das Verlorene im Herbst “zurückholen”. Gar nichts, nur Schweigen. Dabei wäre der Kampf für die automatische Anpassung von Löhnen und Gehältern an die Inflation DAS Gebot der Stunde und die entscheidende Maßnahme um Reallohnverluste zu verhindern!

Gewinne und Vermögen bleiben unangetastet

Auffällig bei diesen Maßnahmen: die Gewinne der Unternehmen, egal ob die “normalen” oder wie die Gewerkschaft sie nun nennt “Übergewinne” werden nicht angetastet. Keine einzige Maßnahme betrifft die Preisseite: es gibt keine Reduktion bei der Mehrwertsteuer - die wichtigste Einnahmequelle des Staates - und keine Preiskontrolle. 

Das Paket soll in den nächsten Jahren 28 Milliarden Euro umfassen - ein Betrag der auf den ersten Blick groß wirkt. Aber nur auf den ersten Blick. Das Finanzministerium selbst gibt zu, dass der überwiegende Teil, nämlich 24 Milliarden, durch die steigenden Steuereinnahmen abgedeckt ist. Das bedeutet: Wenn die Preise steigen zahlen wir mehr Geld an Umsatz- und Mehrwertssteuer. Wenn die Löhne steigen zahlen wir mehr Geld an Lohnsteuer. Diese beiden Quellen machen rund 80% der Steuereinnahmen des Bundes aus. Das bedeutet konkret dass wir uns das Maßnahmenpaket selbst bezahlen und auch noch die Entlastung der Unternehmen dazu finanzieren. Die fehlenden 4 Milliarden bezeichnet das Ministerium als “Reformdruck”. Dahinter verbergen sich Pläne, den Sozialstaat weiter auszuhöhlen und bei Gesundheit, Sozialem, Bildung und Umwelt zu kürzen.

Am Beispiel der Gemeinde Wien zeigt sich der dahinter liegende Gedanke: Unternehmen und ihr “Recht” Profite zu machen muss erhalten bleiben, die öffentliche Hand greift stützend auf Seiten der Konsument*innen ein um Unruhe zu verhindern und “den Mittelstand” zu stützen. 2020 hatte die Wien Energie einen “Jahresüberschuss” von 360 Millionen Euro, 2021 lag der Gewinn immer noch bei 140 Millionen Euro. Da die Wien Energie zu 100% im Besitz der Stadt Wien ist, zahlen sich die Wiener*innen den Energiebonus selbst - und es bleibt immer noch ein ordentlicher Gewinn über! Würden Beschäftigte, Konsument*innen und Vertreter*innen der Arbeiter*innenbewegung die Wirtschaft kontrollieren und verwalten dann gäbe es keine dubiosen Gewinne um sich teure Politiker*innen und Manager*innen zu finanzieren. Dazu ist es notwendig, dass der gesamte Energiesektor vergesellschaftet und unter demokratischer Kontrolle und Planung organisiert wird. So würde auch nicht Klima gegen Teuerung ausgespielt werden, wie es die aktuelle Regierung unter grüner Beteiligung tut. Die ohnehin fragliche Maßnahme der CO2-Bepreisung wird verschoben, stattdessen ein einmaliger “Klimabonus” von 500 € ausbezahlt. Unternehmen bekommen MIllionen als Kompensation für den gestiegenen Strompreis und energieintensive Firmen bekommen einen Direktzuschuss. Alles Maßnahmen die den Energieverbrauch nicht reduzieren werden sondern das Energieverschleudern noch belohnen. Wir fordern stattdessen Nulltarif auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln im Nah- und Fernverkehr sowie den massiven Ausbau dieser Öffis. Das wäre nicht nur klimamäßig sinnvoller sondern würde auch die Transportkosten dramatisch reduzieren. Um einen solchen Ausbau möglich zu machen müsste der gesamte Transportsektor von der öffentlichen Hand übernommen werden und entsprechend des Bedarfs ausgebaut werden. Finanziert werden kann das durch die Abschöpfung der Gewinne der Auto- und Ölindustrie. 

Übrigens schreibt der ORF am 14.6.: “In Österreich besitzen laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group (BCG) 400 Superreiche ein Drittel des heimischen Finanzvermögens. BCG erwartet für Österreich bis 2026 ein jährliches Wachstum der Finanzvermögen um 3,5 Prozent auf dann 1,2 Billionen Dollar und der Sachvermögen um 6,6 Prozent auf dann 2,3 Billionen Dollar.” Noch Fragen, wo das Geld zu holen ist, um alle Verluste der letzten Monate bei uns “Normalos” auszugleichen, um echte Klimaschutzmaßnahmen zu setzen, um den Lebensstandard all jener zu erhöhen die von Armut betroffen sind, um den Sozial-, Gesundheits- und Bildungssektor auszufinanzieren anstatt hier weiter zu kürzen… Wir haben schon vor Monaten ein 10 Punkte Programm gegen Teuerung erstellt: https://www.slp.at/artikel/10-punkte-programm-gegen-inflation-teuerung-10833

ÖGB aufwachen

Die Gewerkschaft schreibt zu Recht “„Ein echtes Entlastungspaket braucht mehr!“ - und sagt dann wieder nichts dazu WIE ein echtes Entlastungspaket erreicht werden kann. Sicher ist: durch Bitten funktioniert das nicht. An Vorschlägen und Ideen mangelt es nicht, doch keine der Parlamentsparteien ist bereit diese Umzusetzen. Dass SPÖ und Neos in Wien nicht anders agieren als ÖVP und Grün im Bund zeigt, dass Neuwahlen hier nichts groß ändern würden. Die FPÖ tönt sozial wenn sie in der Opposition ist und agiert neoliberal wenn sie an der Macht ist. Wer also auf die etablierten Parteien hofft, hat schon verloren. Um echte Verbesserungen zu erreichen braucht es Proteste, Mobilisierungen und Kämpfe jener, die den Reichtum schaffen - den Millionen Arbeiter*innen, Angestellten, den Jugendlichen und Pensionist*innen.

WIE das gehen kann beschreiben wir in diesem Artikel der auch sehr konkrete Vorschläge für einen echten heißen Herbst enhält: https://www.slp.at/artikel/arbeiterinnenbewegung-in-die-offensive-10855

Die Gewerkschaften müssen

...echte Lohnerhöhungen und die automatische Anpassung der Löhne und Gehälter an die Inflation erkämpfen.

...die Abschaffung der Umsatz- und Mehrhwertssteuer und ihren Ersatz durch Gewinn- und Vermögensbesteuerung erkämpfen.

...demokratisch und kämpferisch werden um all das, was nötig ist auch wirklich zu erreichen.

...eine neue echte Arbeiter*innenpartei aufbauen.

...über den Tellerrand der kapitalistischen Logik hinaus schauen und dafür kämpfen dass der Reichtum, den wir schaffen auch von und für uns eingesetzt wird. Eine demokratisch kontrollierte und verwaltete Wirtschaft und Gesellschaft ist die Antwort auf Chaos, Krise und Krieg!