Überleben wird teuer!

Die Inflation steigt massiv und liegt deutlich über den Lohnabschlüssen der Herbstlohnrunde.
Martina Gergits

Die Angst vor der Inflation geht um. Während die bisher verhandelten Kollektivvertragserhöhungen großteils unter 3% liegen, rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO für 2022 mit einer Teuerung von 3,3%. Im November erreichte die Inflation mit 4,3% in Österreich und 4,9% in der EU Höchstwerte (seit 1992 bzw. 1997). Die Inflation liegt mehr als doppelt so hoch wie das Ziel der Europäischen Zentralbank vorgibt. Das alles gibt nur teilweise die Dramatik wieder. Und auch wenn sie versuchen zu beruhigen, wissen die Herrschenden um die soziale Sprengkraft der Inflation.

Zunächst eine kurze Erklärung: Der Verbraucherpreisindex (VPI) misst die Entwicklung des Preisniveaus für Konsument*innen, also die Inflation. Vereinfacht gesagt, beschreibt die Inflation, wie viel weniger ich um denselben Geldbetrag kaufen kann. Die Grundlage für diese Berechnung bildet der „Warenkorb“, in dem Güter, nach einem errechneten Durchschnittsbedarf, gewichtet sind. Der VPI wird als Indikator bei Mietverträgen oder Lohnverhandlungen herangezogen.

Und hier beginnt das Problem – Warenkorb bzw. Gewichtung entsprechen nicht dem, wofür Menschen mit niedrigem Einkommen tatsächlich ihr Geld ausgeben müssen. Die Statistik Austria, zuständig für die Inflationsberechnung, schreibt: „Die 5,5% stellen den Anteil der Mieten an den gesamten Ausgaben aller privaten Haushalte in Österreich dar.“ Es ist also ein Durchschnitt – doch wer von uns gibt nur 5,5 % des Einkommens für Wohnen aus?

Der Preisanstieg für Verkehr (durchschnittlich plus 12,2 %) beeinflusste die Inflationsrate mit plus 1,69 Prozentpunkten. Die Treibstoffpreise stiegen um 38,7 % (Einfluss: plus 1,3 Prozentpunkte). Auch hier sind Teuerungen für Normalos unterbewertet. Ein bisschen näher an der Realität der Nicht-Reichen ist der Miniwarenkorb: Beim Wocheneinkauf, der auch Treibstoff enthält, stieg das Preisniveau um 10 %. Auch EU-weit ist Energie der stärkste Preistreiber. Verantwortlich für den Preisanstieg bei Energie sind: Ein strenger Winter im Vorjahr, der zu unterdurchschnittlich gefüllten Gasspeichern führte, hohe Nachfrage aus Asien nach der Coronakrise, geringere Gasimporte aus Russland und Norwegen in Folge politischer Konflikte, und auch der steigende CO2-Preis treibt den Gaspreis an.

Und es kommt noch schlimmer: Der österreichische Großhandelspreis für Strom stieg 2021 um 85%, für Gas um 563%. Diese Preisexplosion hat der Großhandel noch nicht in vollem Umfang “weitergegeben”, das kommt aber noch. Das heißt: Die Kosten für Kochen, Heizen, zur Nutzung von elektrischen Geräten etc. werden noch einmal sehr stark anziehen in den nächsten Wochen und Monaten.

Wer sich also noch den „Luxus“ gönnen möchte, zu heizen, zu wohnen, oder mobil zu sein, muss “den Gürtel enger schnallen”. Das trifft hauptsächlich die Arbeiter*innenklasse. Denn während alles teurer wird, stagnieren die Löhne.

Wenn der ÖGB fordert, die Teuerung durch das WIFO zu erheben, dann ändert das nichts. Denn auch der ÖGB zieht in den Kollektivvertragsverhandlung bestenfalls den VPI heran, teilweise sogar die vergangene und nicht die künftige Inflation. Das ÖGB ”Theorie”magazin Kompetenz erklärt: “Maßgeblich ist dabei die durchschnittliche Inflation der 12 Monate seit der letzten Tarifverhandlung gemessen am VPI.” Also: Egal wie hoch die kommende Inflation ist, der ÖGB will nur die vergangene Inflation ausgleichen. Wenn überhaupt. Reallohnverluste sind so insbesondere in Zeiten steigender Inflation vorprogrammiert.

Im Handel gab es im vergangenen Jahrzehnt 5 Jahre, in denen die Kollektivvertragserhöhungen nicht einmal die Inflation ausgeglichen haben. Und auch 2022 wird ein solches Jahr: Die Kolleg*innen im Handel sind zwar “systemrelevant”, aber ihr Kollektivvertragsabschluss ist mit 2,8% sogar unter dem VPI für 2022!

Der Preisanstieg drückt auf den Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse und der ärmeren Haushalte. Bei vielen kommen angesichts der Inflation Ängste vor einer Wiederholung der 1920er und 30er Jahre mit Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise und Aufstieg des Faschismus auf. Die Geschichte wiederholt sich nicht einfach, aber sie ist eine Warnung, wohin eine solche Krise führen kann, wenn die Polarisierung steigt, wenn die Rechte mit rassistischen, sexistischen, nationalistischen Antworten auf eine hohe Arbeitslosigkeit und steigende Armut trifft. 

Dort sind wir noch nicht, aber Inflation ist eine echte Gefahr, ganz besonders für die Arbeiter*innenklasse, in mehrerlei Hinsicht. Es geht sowohl um die Gefahr von Armut als auch darüber hinaus auch um eine politische Zuspitzung mit noch stärkeren Angriffen. Die Herrschenden werden das Instrument der Spaltung noch stärker einsetzen, um unterschiedliche Gruppen gegeneinander auszuspielen und für die Krise verantwortlich zu machen. Für uns muss aber klar sein: Die Illusion, man könne Entscheidungen der Weisheit des Marktes bzw. der herrschenden Klasse überlassen, müssen endlich der Vergangenheit angehören

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