Die etwas andere “Österreichbilanz”

Armut in Österreich
Jasmin Standhartinger

Kapitalismus bedeutet nicht nur für einen Großteil der Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika einen täglichen Kampf ums Überleben. Auch in Europa und den USA ist Armut eine Massenerscheinung. Und trotz enormen Reichtums (60.000 Millionäre besitzen 300 Milliarden) ist die Alpenrepublik keine Ausnahme. 460.000 Menschen (6 % der Bevölkerung), davon 1/3 dauerhaft, sind in Österreich von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Noch einmal so viele gelten zumindest als armutsgefährdet – Tendenz steigend. Armut heißt hier konkret keine neue Kleidung, kein Urlaub oder kein Verlängerter im Café.
Wer sind die Armen? Der Bekannte der keine Arbeit bekommt, weil er zu alt, zu jung oder bloß zur falschen Zeit arbeitslos ist. Die Freundin, die 50 Stunden/Woche “frei” arbeitet, 10 Stunden davon unbezahlt zu einem Lohn, der gerade noch Fixkosten übersteigt … Armut hat also nichts mit Faulheit zu tun. Sie kann alle ohne großes Vermögen treffen, die keinen sicheren Vollzeitjob finden oder ausüben können.

Z.B. Frauen

250.000 Frauen sind von Armut betroffen. Die Gründe liegen auf der Hand: Über 40% sind in A-typischen Beschäftigungen (Teilzeit, Freie Dienstnehmerin,...) oder in Niedriglohnbranchen tätig. In weiterer Folge führt dies bei Jobverlust zu einer geringeren Arbeitslosenentschädigung und später zu einer niedrigeren Pension. Zusätzlich zu dieser Einkommensschere beträgt selbst bei gleichwertiger Arbeit der Unterschied zwischen Männer- und Frauenlöhnen 21 %!

Z.B. Arbeitslose

Seit vier Jahren steigen die Zahlen jener, die arbeitslos sind konstant (ca. 200.000). Zusätzlich waren z.B. im Mai bereits 62.626 (+ 21,4 %) in Schulungen “versteckt”. Und nicht zu vergessen all jene, die nicht arbeitslos gemeldet, nicht bezugsberechtigt oder bezugsgesperrt (nach neuem Gesetz + 6,4 %) sind.  Neben dieser drastischen Verschlechterung wurde von der Regierung der durchschnittliche Lohnersatz, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, von 2000 – 2004 um 3,6 % gesenkt. Selbst im Vergleich zu anderen Industriestaaten, befindet sich die Höhe der Arbeitslosenleistungen damit im unteren Drittel. Genau so wird Armut erzeugt!
Österreich ist ein reiches Land, eines der reichsten der Erde, aber …
… Österreich ist auch ein kapitalistisches Land. Alleine 1997 – 2005 sind in Österreich die Gewinne doppelt so stark wie Löhne und Gehälter gestiegen. 10% der Bevölkerung besitzen 70% des Gesamtvermögens, alleine Manager-Gehälter sind im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 % gestiegen (die Reallöhne höchstens um 1%). “Wir” müssen demgegenüber mit einem Durchschnittslohn von 950 Euro im Monat auskommen. Über diese Fakten sprechen Schüssel und Co. aber nicht, denn sie vertreten jene die von den herrschenden Zuständen und der bestehenden Umverteilung profitieren. Wir bekämpfen demgegenüber das System, das diese ungeheuren Ungleichheiten hervorbringt. Demokratie und Gleichberechtigung... solche und ähnliche Begriffe sind völlig sinnentleert wenn sie nicht die soziale Frage, bzw. jene nach den Besitzverhältnissen ins Zentrum stellen. Ein ordentliches Einkommen für Alle, Wohnen, Bildung (...) sind Menschenrechte, Demokratie ohne die Frage der demokratischen Kontrolle und Verwaltung (auch) in der Wirtschaft eine Illusion. 

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