Zur Lage von Lehrlingen und arbeitslosen Jugendlichen in Österreich

Folgend eine Auflistung der Fakten rund um die Situation von Lehrlingen bzw. Noch-nicht-Lehrlingen, Infos zur Überarbeitung des "Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes" (JASG) von 2001/2002 und ein Artikel zur Lehrlings-Politik aus dem letzten Jahr, der genauer den "Blum-Bonus" erklärt. Zum Abschluss die wesentlichen Eckpfeiler, die nach Meinung der SLP zum Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellen-Misere nötig sind.

Jugend-Arbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel:

» Offiziell sind in Österreich 10,3 % aller Jugendlichen arbeitslos (seit 2000 hat sich die Quote von 5,3 % beinahe verdoppelt).

» Seit 1980 ist die Zahl der Lehrlinge von 200.000 auf 126.000 gesunken.

» Von Juni 2000 bis Juni 2005 ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen (15- bis 24-Jährige, inkl. Arbeitssuchende in Schulungen) um 87 % gestiegen: von 27.731 auf 51.970. Davon hatten 14.000 keinen betrieblichen Ausbildungsplatz. Die ÖGJ zieht einen interessanten Vergleich: "Somit sind mehr Jugendliche arbeitslos als St. Pölten EinwohnerInnen hat". Dazu die Zahlen (von 2003) aus einem Bundesland mit sehr wichtigen Industrieregionen, Oberösterreich: 7.200 Jugendliche bis 25 Jahre als arbeitslos gemeldet, 2.739 Jugendliche in Schulung und 1.749 als lehrstellen-suchend gemeldet, in Summe 11.689.

» Im Dezember 2006 suchten über 18.000 Jugendliche eine Lehrstelle im Betrieb.

» Die Zahl der Lehrstellensuchenden ist von 11/2005 bis 11/2006 um 7,6 % gestiegen. Das Lehrstellenangebot ging im gleichen Zeitraum um 10,4 % zurück.

Unternehmer-Subventionen und Lockerung des Kündigungsschutzes:

» Die Blum-Förderungen werden verlängert (2006 gab es im Jahresvergleich 3.743 zusätzliche Lehrplätze, aber die Blum-Förderung wurde für 11.422 Lehrstellen ausbezahlt = Mitnahmeeffekt für Unternehmen >200 %)

» Frühere Maßnahmen: Verlängerung der Probezeit auf drei Monate. Zur Zeit werden 12% der Lehrverträge nach der Probezeit aufgelöst.

» Geplante Maßnahmen: leichtere Kündigungsmöglichkeiten am Ende des 1. und 2. Lehrjahres (schon jetzt wird ¼ der Lehrverträge vorzeitig beendet, oft unmittelbar nach der Probezeit), Beibehaltung der Lehrlingsausbildungsprämie von 1000,- Euro für das Unternehmen.

Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz (JASG):

» Zur Zeit sind 38.000 Jugendliche in JASG/§30-Maßnahmen. In Wien sind es 4.000, etwa ein Drittel aller Wiener Lehrlinge.

» Ein "JASG-Lehrling" muss mit 150,– Euro/Monat auskommen.

Anmerkungen zum JASG (Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz "Förderungsprogramm zur Sicherung von Ausbildungsplätzen für Jugendliche"): Durch eine Novelle des JASG im Jahr 2001 wurde die Entscheidung über die Maßnahmen auf das AMS verlagert. Die Arbeiterkammer dazu (2002): "Im Rahmen der Landesprojektgruppen war es bisher möglich, unter Einbeziehung der Sozialpartner, einvernehmlich die benötigte Zahl von Ausbildungsplätzen im jeweiligen Bundesland festzulegen, sowie die Entscheidungen über die Ausbildungsmöglichkeiten in fachlicher und örtlicher Hinsicht zu treffen und die Träger von Lehrgängen und Stiftungen zu benennen. Offensichtlich sollen die Sozialpartner in ihren Mitwirkungsrechten ausgeschalten werden. Stiftungen sind (so wie auch im Jahr 2000) nicht mehr vorgesehen; das bedeutet, dass Jugendliche, die die Schulpflicht nicht positiv absolviert haben, im Rahmen eines Lehrganges nicht mit der Ausbildung beginnen können. Stiftungen haben den Vorteil, dass eine mehrjährige Ausbildung möglich ist, Lehrgänge werden hingegen jeweils nur für 10 Monate genehmigt. Die in der Novellierung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes enthaltenen Bestimmungen sind hinsichtlich der Bereitstellung und Finanzierung der für lehrstellensuchende Jugendliche benötigten Ausbildungsplätze, der notwendigen Vorlaufzeiten für die Einrichtung der Ausbildungsplätze und der sorgfältigen Planung der Ausbildungsprojekte unter Beteiligung der Sozialpartner in keinem Fall ausreichend, um lehrstellensuchende Jugendliche zeitgerecht mit Ausbildungsprojekten zu versorgen." Zur (mangelnden) Finanzierung kommentierte die AK: "In der Begründung zum Initiativantrag (für die Novellierung des Gesetzes 2001; Anm.) wird ausgeführt, dass zur Finanzierung der Maßnahmen (…) nach Schätzungen für das Jahr 2001 und für die Folgejahre dem AMS lediglich EUR 7,2 Mio. vom Bund zur Verfügung gestellt werden sollen. Dieser Betrag wird allerdings nicht ausreichen; bei einem Bedarf von ca. 4.000 Ausbildungsplätzen im Ausbildungsjahr 2001/02 ist für ein Ausbildungsjahr von einem Finanzierungsbedarf von EUR 29-37 Mio. auszugehen. Eine konkrete Zahl von Ausbildungsplätzen, die sich an der Lehrstellensituation orientieren sollte, ist im JASG nicht vorgesehen. Es ist zu befürchten, dass viel zu wenige Plätze zur Verfügung stehen, weil die notwendigen finanziellen Mittel nicht bzw. nicht in einem ausreichenden Ausmaß bereitgestellt werden. Die Länder sollen sich in "angemessener" Form finanziell beteiligen. Die Bundesländer sollen sich finanziell beteiligen, obwohl nach vorliegenden Informationen keine Verhandlungen mit den betroffenen Bundesländern hinsichtlich einer Co-Finanzierung aufgenommen wurden."

Regierung und Lehrlinge:

Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis

Eine Untersuchung des AMS hat ergeben, dass Jugendliche mit einem Lehrabschluss bessere Jobchancen haben, also solche ohne. Ein Ergebnis, dass eigentlich nicht sehr verwundert. Dann folgt noch der Vorstoß der jungen ÖVP, dass Lehrlinge ein Mindest-Lehrlingsentschädigung von 400,– Euro/Monat ab dem ersten Lehrjahr erhalten sollen. So weit, so gut.

Subventionen für Unternehmen statt Förderung der Lehrlinge

Das Regierungsübereinkommen geht allerdings in eine ganz andere Richtung. Das - bisher wenig wirksame Modell, Unternehmen zu subventionieren, die Lehrlinge anstellen ("Blum-Bonus") soll verlängert werden. Den Blum-Bonus gibt es seit September 2005. Unternehmen, die zusätzliche Lehrlinge einstellen, erhalten dabei pro Lehrling und Monat im ersten Jahr 400 Euro, im zweiten Jahr 200 Euro und im dritten Jahr 100 Euro; insgesamt 8.400 Euro pro Lehrling. Die ÖGJ zeigt aber auch auf, dass der Blum-Bonus v.a. zur Subventionierung von Unternehmen dient: Mit Stichtag Ende Mai 2006 gab es zwar im Jahresvergleich 3.743 zusätzliche Lehrplätze, die Blum-Förderung wurde aber für 11.422 Lehrstellen ausgeschüttet. Der Blum-Bonus ist aber nicht die einzige Förderung, die Unternehmen erhalten: sie ersparen sich große Teile der Sozialversicherung für Lehrlinge (die übernimmt der Staat) und erhalten außerdem 1000.- Euro pro Jahr und Lehrling "als Ersatz für die Lohnkosten während der Berufsschulzeit".

JASG statt Lehrstellen

Der Blum-Bonus ist gestaffelt: am meisten erhält ein Unternehmen im ersten Lehrjahr. Die neue Regierung will nun die "wechselseitige Kündigungsmöglichkeit am Ende des ersten und zweiten Lehrjahres" schaffen. Klar, dass viele Unternehmen die Lehrlinge gerade dann kündigen werden, wenn sich die Förderung halbiert, nämlich nach dem ersten Lehrjahr. Aber dafür hat die Regierung auch vorgesorgt, denn dann soll es eine "Aufnahmegarantie für den Lehrling in die Erstausbildungsangebote" geben. Sprich: aus der Lehre direkt in die JASG-Maßnahme.

Wir sind für überbetriebliche Lehrwerkstätten da die Erfahrung zeigt, dass Lehrlinge oft als billige Hilfskräfte missbraucht werden, anstatt sie ordentlich auszubilden. Die Ausbildung kann in einer Lehrwerkstätte weit besser sein. Aber: Warum zuerst Unternehmen fördern, damit sie dann die Lehrlinge nach einem Jahr kündigen und die Lehrlinge dann in öffentliche Maßnahmen, JASG bzw. Lehrwerkstätten, wechseln müssen, die von der öffentlichen Hand bezahlt werden? Warum nicht gleich Untenehmen, die nicht ausbilden, zur Kasse bitten? Warum nicht die Förderung von jenen, die nicht ordentlich ausbilden bzw. Lehrlinge vorzeitig kündigen, zurückfordern? Warum nicht gleich ordentliche überbetriebliche Lehrwerkstätten auf- und ausbauen?

150,– statt 400,– Euro

Die Lehrlingsentschädigung, die die Unternehmen dank großzügiger Förderungen ohnehin nur mehr zu einem geringen Teil selbst zahlen müssen, reicht zum Überleben nicht aus. Die junge ÖVP fordert nun ein kollektivvertragliche Mindeslehrlingsentschädigung von 400,– im ersten Lehrjahr. Das wäre in manchen Bereichen eine Verbesserung. Nur - Lehrlinge in JASG-Maßnahmen erhalten nur ca. 150,– im ersten Lehrjahr. Und wieder stellt sich die Frage, warum Unternehmen subventionieren, statt gleich ordentliche Ausbildung durch die öffentliche Hand plus ordentlicher Bezahlung für Lehrlinge? Weil es eben v.a. darum geht, dass es "der Wirtschaft gut geht" – die Lehrlinge sind dafür bestenfalls "Mittel zum Zweck".

Was ist nötig aus der Sicht von Lehrlingen und arbeitssuchenden Jugendlichen?

» Die SLP vertritt eine zentrale Forderung nach Arbeitszeitverkürzung (auf 30 Stunden/Woche) bei vollem Lohn. Damit kann die Arbeit auf alle Menschen aufgeteilt werden und die Steigerung der Produktivität einer viel größeren Anzahl zugute kommen. Gleichzeitig wird die Position der Beschäftigten gegenüber den UnternehmerInnen gestärkt. Diese ist natürlich auch für Jugendliche von Bedeutung, da sich die Effekte einer solch radikalen Arbeitszeitverkürzung auch auf diesen Bereich auswirken würden. Diese Maßnahme ist, wie alle weiteren vorgeschlagenen Verbesserungen, natürlich nur durch eine (Massen-)Bewegung zu erkämpfen. Von den derzeit im Parlament vertretenen Parteien setzen sich alle gegen solche Forderungen zur Wehr, da sie nicht die Interessen von ArbeiterInnen und Lehrlingen vertreten.

» Wir treten für die Schaffung überbetrieblicher Lehrwerkstätten ein. In vielen Unternehmen werden Lehrlinge für berufsfremde Tätigkeiten eingesetzt - Kehren, Wurstsemmel holen und ähnliches. Mädchen werden oft mit sexistisch belästigt. Illegale Überstunden bei Lehrlingen sind in vielen Betrieben üblich. In überbetrieblichen Lehrwerkstätten wären die Rechte der Jugendlichen besser geschützt. Gleichzeitig müssen wir betonen, dass dies nicht damit einhergehen darf, dass die Unternehmen weiter immer weniger dazu beitragen. Daher fordern wir zur Finanzierung auch eine "Ausbildungssteuer" in der Höhe von 2% der betrieblichen Wertschöpfung.

» Ein garantierter Ausbildungsplatz für jede/nJugendliche/n.

» Für eine Lehrlingsentschädigung, von mensch auch leben kann.

Finanzierbar ist das alles ohne weiteres:

» In den letzten Jahren haben die Unternehmen große Steuergeschenke erhalten. Dieses Geld ist besser in der Bildung investiert.

» Die Unternehmen bekommen zur Zeit viel Geld für Lehrlinge. Außerdem wird viel Geld verschleudert, weil verschiedene "Anbieter" von Maßnahmen (diverse Kurse) miteinander konkurrieren müssen.

» Zusätzlich könnte genügend Geld bereitgestellt werden, wenn Betriebe 2% der betrieblichen Wertschöpfung für eine Ausbildungssteuer zahlen würden.

» Zur Durchsetzung solcher Forderungen braucht es eine neue Jugendbewegung, die den Protest auf der Straße und langfristig auch in den Betrieben organisiert. Darum sind wir für öffentliche Aktionen, auch um mehr Menschen für die Mitarbeit zu gewinnen.

» Diese Arbeit muss mit verstärktem Druck auch innerhalb der Gewerkschaften geführt werden. Die Gewerkschaften müssen kämpferischer auftreten und ihre Mitglieder zu aktiver Gegenwehr auffordern (z.B. gegen die Lockerung des Lehrlings-Kündigungsschutzes).

» Letztlich hat die schlechte Situation von ArbeiterInnen und damit auch Lehrlingen in der derzeitigen Wirtschaft ihren Sinn - allerdings nur für die, die davon profitieren. Je höher die Profite der Unternehmen, desto schlechter geht es den arbeitenden und erwerbslosen Menschen. Darum setzt sich die SLP auch zum Ziel, Menschen davon zu überzeugen, dass das gegenwärtige kapitalistische Profitsystem durch eine gerechtere Gesellschaft ersetzt werden muss.