Wir fordern ein gutes, selbstbestimmtes Leben für ALLE!

Sarah

Ende August kursierten in österreichischen Medien diverse Meldungen über die Streichung der erhöhten Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung. Seitens der Regierung wurde zunächst beschwichtigend von einer „raschen Reparatur des Gesetzes“ (Juliane Bogner-Strauß) gesprochen. Tatsächlich verabschiedeten die Abgeordneten der Regierungsparteien im Oktober den, von Behindertenorganisationen scharf kritisierten, Gesetzestext unverändert. Behinderte Menschen sollen demnach künftig eine „eigenständige Haushaltsführung“ nachweisen, um die erhöhte Familienbeihilfe weiterhin beziehen zu können.

Konkret bedeutet dies für Personen, die in betreuten Wohneinrichtungen untergebracht sind, von nun an mit 380€ weniger im Monat auskommen zu müssen. Ebenso betroffen sind Eltern von beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen, die während der Woche in einer Einrichtung leben und nur am Wochenende zu Hause sind. Diese müssen möglicherweise bald mittels Rechnungen beim Finanzamt im Detail nachweisen, wofür der exakte Betrag von 380€ monatlich ausgegeben wurde.

Die Gesetzesänderung schränkt die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung behinderter Menschen sowie ihr Recht auf ein würdevolles Leben ein! Indem ihnen die notwendigen finanziellen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verweigert werden, erfolgt darüber hinaus eine Zurückdrängung von Betreuung und Pflege ins Private.

Für behinderte Frauen* potenzieren sich die benachteiligenden Faktoren:

  • Die Chancen auf einen Arbeitsplatz sind für beeinträchtigte Personen insgesamt schon erschwert. Behinderte Frauen* bilden das absolute Schlusslicht am Arbeitsmarkt, wobei sich der Wiedereinstieg in den Beruf für Mütter mit einer Behinderung am schwierigsten gestaltet.

  • Daher zählen behinderte Frauen* zu einer der am stärksten von Armut betroffenen Gruppen. Frauen* mit geistiger Behinderung sind enorm armutsgefährdet.

  • Diese Form der strukturellen Gewalt geht einher mit dem Risiko der individuellen Gewalt, der beeinträchtigte Frauen* mit einem überproportional hohem Risiko ausgesetzt sind (60% der Frauen*, die in einer betreuten Einrichtung leben, werden zum Opfer von sexualisierter Gewalt – die Täter* sind dabei nicht selten selbst Bewohner*innen).

  • Gleichzeitig wird (vor allem geistig) behinderten Frauen* das Recht auf Selbstbestimmung und Selbstständigkeit in besonderem Maße abgesprochen. Mehr als behinderte Männer*, erleben viele eine starke Überbehütung durch Bezugspersonen und eine extreme Eingrenzung auf den familiären Rahmen.

(Quelle: „Gender und Behinderung: Benachteiligungskonstellationen von Frauen mit Behinderung am Arbeitsmarkt“ Institut für Arbeitsmarktbetreuung und –forschung Steiermark)

Die letzten Änderungen der Regierung vertiefen die Diskriminierungen gegenüber allen behinderten Personen, greifen jedoch beeinträchtigte Frauen* in besonderem Maße an. Mit der Einschränkung an finanziellen Mitteln wird die Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben verringert. Damit setzt die Regierung eine kapitalistische Logik, nach welcher Menschen anhand ihrer wirtschaftlichen Profitabilität gemessen werden, verschärft um. Wir glauben, dass der Wert des Menschen in mehr besteht, als in seiner Leistungsfähigkeit und dass Menschen mit Behinderung ein integrativer Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Daher fordern wir:

  • Barrierefreiheit im öffentlichen Raum für die gesellschaftliche Teilhabe behinderter Personen.

  • Den Ausbau entsprechender Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen,

  • für ein möglichst eigenständiges Leben der Betroffenen, sowie zur Entlastung der pflegenden Angehörigen.

  • Die Anerkennung von Arbeit, die durch beeinträchtigte Menschen geleistet wird, statt deren Umdeutung als „Beschäftigungstherapie“.

  • Einen Mindestlohn von 1.700€ für alle! Anstatt des üblichen „Taschengeldes“ in Werkstätten.

  • Schaffung von Arbeitsplätzen, Ausbau der finanziellen Ressourcen für Hilfsmittel und Unterstützungsangebote, speziell für beeinträchtigte Frauen*.

  • Die volle sozialversicherungsrechtliche Absicherung für behinderte Menschen.

  • Einbeziehung der Betroffenen statt Bevormundung durch „Expert*innen“!

  • Das Aufgreifen des Themas durch die Gewerkschaften – gemeinsamer Kampf für eine menschenwürdige Arbeit und Bezahlung für alle.

  • Schluss mit einem System, dass Menschen auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit reduziert!

Wehren wir uns gegen diese Regierung, die benachteiligte Gruppen im Stich lässt und dieses kapitalistische System dass Menschen lediglich als Produzent*innen von Profiten betrachtet. Kämpfen wir für ein gutes, selbstbestimmtes Leben für alle in einer demokratischen, sozialistischen Gesellschaft, wo die Bedürfnisse aller Menschen im Zentrum stehen!