Wie können Arbeitskämpfe gewonnen werden?

Zweites bundesweites Treffen der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften (PKDG)
Franz Breier jun., Sonja Grusch, Ken Horvarth und Gilbert Medwed

Was taten 40 GewerkschaftsaktivistInnen aus vier Bundesländern, sechs Fachgewerkschaften und mit Altersunterschieden von über 50 Jahren am 11. Dezember? Sie diskutierten beim zweiten bundesweiten Treffen der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften (PKDG): “Wie können Arbeitskämpfe gewonnen werden?”. Die PKDG war im Oktober 2003 gegründet worden. Sie umfasst BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und GewerkschaftsaktivistInnen aus verschiedenen Fachgewerkschaften und ist fraktionsübergreifend. Gemeinsam ist das Ziel, den ÖGB und die Fachgewerkschaften zu demokratischen Kampforganisationen der Beschäftigten zu machen. In Arbeitskreisen und bei einer Podiumsdiskussion wurden die Streiks 2003 und 2004 bilanziert. Zu Solidarität und Aktivität wurden konkrete Beispiele gebracht. Massive Kritik gab es an der ÖGB-Führung und ihrer zögerlichen Haltung. Die Stimmung unter den TeilnehmerInnen war gut und am Ende meinte einer der Teilnehmer “Was ich mitnehme für erfolgreiche Kämpfe: aktiv und branchenübergreifend”.
Viele KollegInnen, aus traditionellen Bereichen wie dem Sozial- und Gesundheitswesen, von den ÖBB, aus der ehemaligen Verstaatlichten, aber auch aus neuen Bereichen - wie der IT-Branche bzw. Freie DienstnehmerInnen - haben die Stimmung in den Betrieben beschrieben. Ein wichtiger Teil des bundesweiten Treffens, bestand darin, sich zusammenzuschließen und Strategien für eine kämpferische Betriebs und Gewerkschaftsarbeit zu entwickeln.
“Einerseits wissen wir, dass wir selber was tun müssen, anderseits warten wir darauf, dass die Linie von oben vorgeben wird, diese Problematik setzte sich dann in der Belegschaft fort. Ich überlege, was ich tun kann und hoffe, dass ich von dieser Veranstaltung einiges mitnehmen werde”, so Martin Holzmann, Angestelltenbetriebsratsvorsitzender aus dem Wiener Hanusch-Spital. Mit “Irgendwas muss geschehen!” brachte Holzmann die Stimmung in der Belegschaft auf den Punkt. Im Hanusch, das der Wiener Gebietskrankenkasse gehört und damit der SPÖ nahe steht, wurden bereits vier Ambulanzen geschlossen, weitere können folgen. Bei den ÖBB gibt es Personalabbau und neue Dienstpläne, die im Turnusdienst zu extremen Verschlechterungen führen. Selma Schacht, Betriebsrätin in einem Kinder- und Jugendbetreuungsverein, wies auf die hohe Bereitschaft zur Selbstausbeutung im Sozialbereich hin und darauf, dass die Beschäftigten noch stärker als für ihre eigenen Interessen für jene der KlientInnen kämpfen. Diese Opferbereitschaft wird von der Regierung auch missbraucht, indem die Beschäftigten im Sozialbereich mit immer kleineren Budgets immer mehr leisten müssen - auf Bundesebene genauso wie in Wien. Die Ausgliederung weiter Teile des Sozialbereichs durch die Stadt Wien, die für die Beschäftigten eine Reihe von Verschlechterungen bringen, wird daher in den kommenden Monaten einer der Brennpunkte der Polarisierung sein.

“Die ÖGB-Spitze lässt uns im Stich”

Als GPA-Vorsitzender Sallmutter Ende 2004 meinte, die Beschäftigten wären nicht bereit, zu kämpfen, erinnerte das an die platten Ausreden der ÖGB-Führung in den 80er und 90er Jahren. Bei den Streiks 2003 und 2004, an denen mehr als ein Drittel aller Beschäftigten beteiligt waren, ist die Kampfbereitschaft deutlich geworden. Das Problem sieht ganz anders aus, wie eine Kollegin aus dem Krankenpflegebereich es formulierte: “Die ÖGB-Spitze lässt uns im Stich”. Gerhard, Beschäftigter einer ehemaligen VA-Tech-Firma brachte es auf den Punkt: “die Gewerkschaft hat 2003 nicht offensiv für Ziele gekämpft, sondern für die Sozialpartnerschaft, um als Partner akzeptiert zu werden. Diese Sozialpartnerschaft gibt es aber schon längst nicht mehr. Es ist nicht die Aufgabe der Gewerkschaft, dabei mit zu verhandeln, wo und wie bei den Beschäftigten gekürzt wird, sondern dies zu verhindern. Einige Tage danach, am 16. Dezember bei der Betriebsversammlung der Postbus-KollegInnen war der Applaus am lautesten, als ein oberösterreichischer Kollege forderte, der ÖGB solle sich endlich dazu entschließen, zu handeln. Ein wesentliches Problem hierbei ist die Verbindung der Gewerkschaftsspitze zur SPÖ. Thomas, ein oberösterreichischer Betriebsrat aus dem Metallbereich, erzählte von Beschwerden seiner KollegInnen über die Gewerkschaftsspitze, “die zwar die jetzige Regierung kritisieren, aber ruhig war, als die SPÖ in der Regierung war”. Michael Gehmacher, Gewerkschaftssprecher der SLP und Mitarbeiter in der PKDG, betont den überfraktionellen Charakter der PKDG, in der auch KollegInnen der FSG mitarbeiten. Er weist aber auch darauf hin, dass die Verbundenheit mit der SPÖ ein Hindernis für die Verteidigung von ArbeitnehmerInnenrechten ist und daher die beste FSG-Politik jene ist, die unabhängig von der SPÖ passiert.

“Die sind alle wegen uns da?!”

Solidarität ist nicht nur der Titel der ÖGB-Zeitung, sondern wesentlich für erfolgreiche Arbeitskämpfe. Die meisten Beschäftigten haben 2003/04 diese Solidarität erstmals erlebt. Im Bericht von Peter Pfeiffer, dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden beim Fahrradbotendienst VELOCE, wird das deutlich. Als bei der Demonstration der BotInnen auch viele “SonntagsradfahrerInnen” kamen, um sich zu solidarisieren, staunten viele Veloce-BotInnen: “Die sind alle wegen uns da?!”. Der Beitrag von Kollegen Pfeiffer unterstrich auch, wie wichtig es ist, bei Streiks mit Aktionen nach außen zu gehen und einen aktiven Streik durchzuführen. Die Solidarität, die man bekommt, überrascht und bestärkt viele KollegInnen.: “Gemeinsam wurde, mit Plakaten auf den Rucksäcken, der Ring befahren. Dadurch wurden die Öffentlichkeit und die Medien auf den Streik aufmerksam. Die Solidaritätsbekundungen von Passanten - sogar unsere “natürlichen Feinde”, die TaxlerInnen, waren auf unserer Seite - und das plötzliche Medieninteresse bestärkten die Streikenden.”, so Peter Pfeifer. Der Streik bei Veloce war der erste von Freien DienstnehmerInnen. Bemerkenswert dabei die Schwierigkeiten, die überwunden wurden: die Beschäftigung als Freie DienstnehmerInnen, sowie die fehlenden Kontakte während der Dienstzeit waren zentrale Hindernisse, doch konnte dank guter Kommunikation und der Solidarität, auch von Seiten der Kundschaft, der Streik über zwei Wochen erfolgreich geführt werden.
Solidarisch waren auch die TeilnehmerInnen des bundesweiten Treffens - es gab Solidaritätsbotschaften für Marc Treude, einen sozialistischen Betriebsrat in Aachen, der wegen seines Kampfes für Arbeitsplätze entlassen wurde. Und für die ArbeiterInnen bei Neusiedler/Mondi in der slowakischen Republik deren Kampf für höhere Löhne ebenfalls mit Entlassungen beantwortet wurde. Und mit den KollegInnen beim Postbus in Österreich, die sich gegen die Privatisierung wehren.
Das zweite bundesweite Treffen der PKDG war ein voller Erfolg - und der Auftakt für weitere Aktionen. Denn nur ein kämpferischer und demokratischer ÖGB kann Arbeitskämpfe heute gewinnen.

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