Wer dreht an der Uhr?

Neues Buch zu gewerkschaftlicher Arbeitszeitpolitik zeigt Stillstand in Gewerkschaftspolitik auf
Claudia Sorger

Gewerkschaften verzeichnen in den letzten Jahrzehnten nicht unbedingt Fortschritte, wenn es um die Gestaltung der Arbeitszeit geht: Seit im Jahr 1975 die 40-Stunden-Woche eingeführt wurde, gab es keine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung. Mit der Novelle des Arbeitszeitgesetzes 2007 wurde einer sehr weitgehenden Flexibilisierung der Arbeitszeit zugestimmt. Auf programmatischer Ebene wurde 2009 die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche im ÖGB durch eine allgemeine Formulierung ersetzt. Auch in der Debatte um die Wiedereinführung des 12-Stunden-Tages haben sich Gewerkschaften nicht als Vorkämpfer einer emanzipatorischen Arbeitszeitpolitik ausgezeichnet, sondern signalisierten ihre Bereitschaft zu weitgehenden Kompromissen. Dabei sollte eigentlich auch klar sein, dass eine sechste Urlaubswoche niemals ein Ausgleich sein kann für regelmäßige überlange Arbeitszeiten.

In der Regulierung der Arbeitszeit – eine der ureigenen Aufgaben von Gewerkschaften – liegt ein wichtiger Schlüssel zur Verteilung von Macht und Ressourcen und zur Fixierung von Geschlechterverhältnissen. In Österreich gehen die Arbeitszeiten von Frauen und Männern mit Betreuungspflichten und auch die Löhne/Gehälter stark auseinander. Während Frauen in hohem Ausmaß Teilzeit arbeiten und zusätzlich die – unbezahlte - familiäre Versorgungsarbeit übernehmen, arbeitet ein Großteil der Männer Vollzeit mit hohen Wochenarbeitszeiten. Um diese Ungleichverteilung und Überlastung zu beenden, bräuchte es offensive gewerkschaftliche Kampagnen, die eine radikale Arbeitszeitverkürzung zum Ziel haben. Denn eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung mit Lohn- und Personalausgleich wäre hoch an der Zeit und ein wichtiger Schritt zu einer gerechteren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit – und zum Wiederaufleben gewerkschaftlicher Arbeitszeitpolitik.

  • Zum Weiterlesen: Claudia Sorger: Wer dreht an der Uhr? Geschlechtergerechtigkeit und gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik. Verlag Westfälisches Dampfboot, ISBN: 978-3-89691-966-3

Veranstaltung des Aktionsbündnisses mit Claudia Sorger: http://aktionsbuendnis12.wordpress.com/

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