Wenn Wien wirklich anders wäre

Wie echte sozialistische Politik in Wien aussehen könnte
Michael Gehmacher, SLP Wien

Die SLP tritt bei den Wiener Wahlen an. Wir wollen eine sozialistische Alternative zu Rassismus und Sozialabbau anbieten und aufbauen. Mit “sozialistisch” meinen wir nicht die Politik der SPÖ (und auch nicht die der ehemals stalinistischen Staaten). Es geht darum, die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund zu stellen und sich nicht an der Profitlogik zu orientieren. Klar ist: ein solches Projekt muss sich in einem feindlichen kapitalistischen Umfeld behaupten. Viele der “Reformen”, die wir erreichen wollen, können sich erst in einer echten sozialistischen Demokratie dauerhaft durchsetzen. Daher ist für uns im Wahlkampf eine Auseinandersetzung um politische Alternativen zur vorherrschenden neoliberalen Politik wichtig. Denn Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot etc. können im Rahmen des Kapitalismus immer weniger gelöst werden.

Für Kommunalbesitz und demokratische Verwaltung   

Zu den Ausgliederungen der letzten Jahre wurde die Gemeinde Wien/SPÖ nicht gezwungen. Sie waren eine bewusste politische Entscheidung, und sie können wieder rückgängig gemacht werden. Ein starker öffentlicher Sektor kann sich der “Logik” des Sozialabbaus widersetzen. Ein wichtiger Schritt gegen die Arbeitslosigkeit wäre z.B. die Umsetzung einer radikalen Arbeitszeitverkürzung bei den Gemeindebediensteten auf 30 Stunden bei vollem Lohn sowie ein Mindestlohn von 1100.– Euro netto.
Wien-Energie, Wiener Linien, der Krankenanstalten- Verbund und der gesamte Sozialbereich müssen im öffentlichen Besitz bleiben bzw. wieder in öffentlichen Besitz überführt werden. Wir wollen aber kein Zurück zu autoritären Strukturen mit Parteibuchwirtschaft und gegängelten Gewerkschaften. Ziel ist eine demokratische Verwaltung und Kontrolle durch die Belegschaft, die Gemeinde und die Betroffen. Es geht nicht um Bürokratie von oben, sondern um Demokratie von unten: politische MandatarInnen müssen Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen und können jederzeit abgewählt werden. Das heißt auch, dass politische VertreterInnen auf betrieblicher, Bezirks- oder Gemeindeebene nicht mehr verdienen dürfen, als die Menschen, die sie vertreten: Durchschnittslohn statt PolitikerInnenprivilegien! Alle  Sitzungen und Verhandlungen müssen öffentlich geführt werden, alle Beschlüsse und Verwaltungsakten im Internet und direkt auf den Ämtern einsehbar sein.

Keine Profitlogik beim Wohnen

In Wien hat man die Wahl: Menschenwürdige Wohnungen sind meist teuer - günstige Wohnungen bieten oft schlechte Wohnqualität. Das muss aber nicht so sein! Wenn es im Gemeinderat eine echte sozialistische Mehrheit (nicht die jetzigen SPÖ-Bonzen) gibt, die von einer Bewegung auf der Strasse unterstützt wird, dann kann sie ein Sofortprogramm zur Hebung der Wohnqualität und zum Wohnbau in Wien durchsetzen. Dazu gehören: Rücknahme der Ausgliederung des Wiener Wohnens (Hausbesitz der Gemeinde Wien). Mieten dürfen nicht mehr als 10 % des Einkommens ausmachen. Der Wohnbau soll durch Baufirmen der öffentlichen Hand betrieben werden, um Geschäftemacherei zu unterbinden. Öffnung der Gemeindebauten für alle in Wien lebenden Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität und der Form ihrer Lebensgemeinschaft. Mit einem Sanierungsprogramm kann die Wohnqualität verbessert werden (WC & Dusche für jede Wohnung, Lärmschutzfenster usw.) Ein großer Teil der Wohnhäuser in Wien gehört Banken und Versicherungen. Sie dienen meist zur Wertsicherung bzw. zur Verringerung des Steueraufkommens. Weigern sich HausbesitzerInnen, diese Sanierungen durchzuführen bzw. die neuen Mietzinsobergrenzen einzuhalten, werden die Häuser von der Gemeinde übernommen. Demokratisch gewählte VertreterInnen der HausbewohnerInnen kontrollieren diese Auflagen und die Geschäftsbücher der Hausverwaltungen bzw. von Wiener Wohnen. Auch Wiener Wohnen muss demokratisch von der ArbeiterInnenbewegung verwaltet und kontrolliert werden.

Nur eine schöne Illusion?

Wir haben noch viel mehr Forderungen (mehr in unserem Wahlprogramm) – aber Sie werden sich die Frage stellen: Wie soll das finanziert werden? Wie soll das durchgesetzt werden?
Es kann keine Verbesserung ohne Mobilisierung der Betroffenen geben. Im englischen Liverpool konnte sich in den 80ern eine wirklich sozialistische Stadtregierung gegen eine konservative Regierung behaupten und wichtige Verbesserungen durchführen (öffentlicher Wohnbau, Arbeitszeitverkürzung ...). Das war möglich, weil sie von einer starken Bewegung aus ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen unterstützt wurde.
Zur Frage der Finanzierung: eine echte sozialistische Stadtregierung beugt sich keinen neoliberalen “Sachzwängen”. Sie bricht mit sämtlichen neoliberalen, kapitalistischen Vorgaben wie dem Bundesvergabegesetz, den EU-Vergaberichtlinien, dem Stabilitätspakt und den Maastricht-Kriterien. Rund um die Frage des Finanzausgleichs (Aufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern) wird es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung kommen. Dabei darf nicht vergessen werden 1) gibt es insgesamt genug Geld und Vermögen, es ist eine politische Entscheidung, wofür dieses ausgegeben wird. Ein wirklich sozialistisches Wien setzt auf Arbeitszeitverkürzung statt Abfangjäger, auf Ausbau der sozialen Dienste statt Steuergeschenke für die Reichen. 2) auch in anderen Bundesländern leiden die Menschen unter dem Sparwahnsinn. Sie sind die BündnisspartnerInnen dafür, ein sozialistisches Programm nicht nur in Wien, sondern bundesweit umzusetzen. Auch für die Entwicklung einer neuen sozialistischen ArbeiterInnenpartei wird es entscheidend sein, wie sich ein echtes sozialistisches Programm und seine Umsetzung präsentiert.
Unser Slogan “Soziale Dienste statt private Profite” greift auch Themen auf, die bundesweit umgesetzt werden müssen (z.B. Mindestlohn 1.100.– Euro netto). Viele Veränderungen können sogar letztlich nur international verwirklicht werden. Wie viel umgesetzt werden kann, ist eine Frage des politischen Kräfteverhältnisses zwischen ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen einerseits und den Unternehmen und Reichen andererseits. Eine solche Politik wird auch sehr schnell an die Grenzen des kapitalistischen Systems stoßen. Es macht daher eine sozialistische Perspektive notwendig, die den Rahmen des Kapitalismus sprengt.

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