Was braucht ein neues linkes Projekt

Beitrag für den „Linken Ratschlag“ am 5. Juli 2008

 

1)     Inhaltliche Eckpunkte

In dem Stadium, in dem wir zur Zeit stehen, ist ein ausformuliertes Programm zu weitgehend. Aber ich denke, dass einige Eckpunkte notwendig sind, um dem Projekt eine klare Richtung zu geben. Gerade angesichts der Stärke der extremen Rechten (FPÖ, BZÖ, Nazigruppen), aber auch diverser populistischer Projekte (HPM, Dinkhauser) sind einige Grundsätze notwendig, um unser Projekt unverwechselbar zu machen und es klar von rechten und rechtspopulistischen Projekten zu unterscheiden. Folgende Punkte würde ich hierfür vorschlagen:

  • Arbeitszeitverkürzung und Mindestlohn statt Flexibilisierung und Angriff auf Arbeitslose
  • Ausbau des öffentlichen Dienstes, ein öffentliches Investitionsprogramm in Wohnen, Gesundheit und Verkehr statt Privatisierungen und Sozialabbau.
  • Gleiche Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen statt soziale und politische Diskriminierung und Rassismus.
  • Für ein vereinigtes Europa der ArbeitnehmerInnen, gegen rassistische Hetze, Aufrüstung und kapitalistische Profitwirtschaft.

2)     Gedanken zum Ablauf eines Formierungsprozesses

Eine neue linke politische Kraft wird weder auf dem Reißbrett, noch geradlinig entstehen. Wir haben allerdings den Vorteil, dass wir aus den Erfahrungen, die bei ähnlichen Versuchen in anderen Ländern bereits gemacht wurden, lernen können. Folgende Punkte halte ich daher für wichtig:

  1. Eine neue Formation muss eine aktive, kämpferische Politik fahren. Sie beschränkt sich nicht aufs Kommentieren, sondern greift in Kämpfe ein bzw. initiiert diese auch. Gerade in sozialen und politischen Kämpfen werden Menschen – die bisher noch nicht aktiv sind – politisch bewusst und aktiv. Nur mit solchen Kämpfen kann eine neue linke politische Kraft über den Rahmen existierender Organisationen bzw. (ex-)Organisierter hinauswachsen. Themen für eine konkrete politische Kampagne gibt es genug: Teuerungen, Gesundheitsreform, Pensionen, Bildung… Solche Kämpfe müssen auch immer versuchen frustrierte SPÖ’lerInnen, Grüne und v.a. GewerkschafterInnen bzw. Gewerkschaftsstruktren und sogar einzelne Fraktionen anzusprechen und einzubeziehen. Eine neue linke politische Kraft, die an der Gewerkschaftsbewegung vorbeiarbeitet, ist zum Scheitern verurteilt. Die oft bremsende und in manchen Fragen (Standortlogik, MigrantInnen) nicht einmal fortschrittliche Position der Gewerkschaften ändert nichts daran, dass sie die größten ArbeitnehmerInnenorganisationen sind und in ihren Reihen (potentielle) KämpferInnen und AktivistInnen einer neuen Partei zu finden sind. In Deutschland waren die Proteste gegen Hartz IV maßgeblich dafür verantwortliche, dass es aus Teilen der Gewerkschaft zur Gründung der WASG kam.
  2. Eine neue Formation braucht demokratische Strukturen, in denen Individuen ebenso wie existierende Organisationen sich einbringen können. Es ist zu Früh, um fixe Strukturen festzulegen. Gerade weil die Formation ein lebendiger und dynamischer Prozess sein soll, müssen wir die formalen Hürden für die Teilnahme möglichst gering halten. Wir wollen Einzelpersonen ebenso ansprechen, wie Menschen, die bereits in politischen Organisationen aktiv sind und auch Organisationen als Ganzes. Es geht nicht darum, die Auflösung solcher Organisationen zu fordern, sondern demokratische Strukturen zu schaffen, in denen Individuen UND Organisationen agieren können. Gerade am Anfang des Prozesses braucht eine solche Formation eine föderale Struktur: in organisatorischen Fragen, was z.B. auch die Abhaltung von Regionalkonferenzen beinhaltet, wie auch in politischen Fragen, d.h. eine relative politische Breite im Rahmen einiger Grundlagen. Ist eine neue Formation zu eng, schließt sie viele Menschen von der Teilnahme aus und nimmt dem Prozess die Dynamik. Arthur Scargill, ein bekannter kämpferischer Gewerkschafter hat in Britannien den Fehler gemacht, eine neue Formation „von oben, per Deklaration“ und im Vorhinein mit fixen Strukturen zu gründen. Er hat damit das Projekt „Socialist Labour Party“ dass an sich einem Bedürfnis entsprochen hat, von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Unmittelbar schlage ich die Wahl eines SprecherInnenrates/Arbeitsgruppe zur weiteren Koordination der Arbeit auf der Grundlage der heute fixierten Punkte vor der die politische Breite der Anwesenden widerspiegeln soll. Eine Aufgabe dieser Struktur wäre auch die unverzügliche Einberufung einer Konferenz sobald Neuwahlen anstehen um die nächsten Schritte zu besprechen.
  3. Eine neue Formation ist „anders“ und hat andere „PolitikerInnen“ – Menschen, die keine Privilegien haben (auch wenn es uns gelingen sollte, Mandate zu erringen) und nicht mehr Verdienen als ein Durchschnittseinkommen. In Irland gab es lange einen sozialistischen Parlamentarier, Joe Higgins, der von seinem Parlamentariergehalt nur ein Durchschnittsgehalt behielt und den Rest für politische Arbeit zur Verfügung stellte. Er galt und gilt nicht zuletzt auch deshalb als 100% integer und wird als einer der zehn Gründe für das irische Nein zum EU-Reformvertrag genannt.
  4. Eine neue Formation ist offen für alle Menschen, die ihre Ziele teilen – sie bemüht sich aber besonders um ArbeitnehmerInnen&Arbeitslose, sozial Schwache, Frauen, Jugendliche und MigrantInnen. Also um jene Menschen, die eine solche neue linke politische Kraft besonders dringend brauchen. In den traditionellen Strukturen sind genau diese Gruppen unterrepräsentiert was sich auch auf die Dynamik negativ auswirkt.
  5. Der Formationsprozess wird zu großen Teilen in Diskussionen über inhaltliche, programmatische Fragen und Fragen der politischen Methode erfolgen. Dazu ist eine Bilanz ähnlicher Projekte aber auch eine Bilanz der Entwicklung der Sozialdemokratie, der KPn aber auch der Grünen wichtig. Ich denke dass die Ursach für ihre Rechtsentwicklung nicht in der Schuld einiger führender Köpfe liegt, sondern das Ergebnis des Akzeptierens kapitalistischer Logik (bzw. bei den KPn auch die stalinistische Methode) war. Ich halte es daher wichtig, dass sich eine neue Formation nicht auf eine Kritik kapitalistischer Auswüchse beschränkt, sondern den Kapitalismus an sich in Frage stellt. Bleibt sie in der kapitalistischen Logik verhaftet, findet sie sich rasch bei der Legitimierung von Sozialabbau wieder wie die „rot-rote“ Regierung in Berlin (SPD-Linke) zeigt. Gerade heute ist es auch wichtig, Alternativen aufzuzeigen, nicht nur „gegen“ etwas zu sein, sondern auch „für“ etwas. Menschen suchen nach politischen Alternativen. Ich denke dass ein alternatives, sozialistisches Gesellschaftssystem die Antwort sein kann und ist, die wir anbieten sollten. Wir müssen dabei allerdings klar machen, was wir darunter verstehen, nämlich weder das sozialdemokratische Modell der 1970er Jahre noch die stalinistischen Staaten.
  6. Gerade in Österreich und angesichts der Stärke der FPÖ braucht eine solche neue Formation eine klar antirassistische Haltung.
  7. Eine neue Formation darf kein reines Wahlprojekt sein, sondern muss sich durch die aktive Teilnahme und Organisierung von Kämpfen und sozialen Bewegungen aufbauen. Die SLP hat in den letzten Jahren bei einer Reihe von Wahlen eigenständig kandidiert weil es kein breites linkes Bündnis gegeben hat. Für die kommenden Wahlen gibt es nun eine reale Chance für eine schon länger notwendige breitere linke Kandidatur – und das ist gut. Eine neue Formation sollte daher Kandidaturen bei den kommenden Wahlen als eindeutig linke, kämpferische und antirassistische Alternative anstreben.