Und sie bewegt sich doch!

Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich

Seit über 20 Jahren verschärft sich die strukturelle Krise und inhaltliche Orientierungslosigkeit der Sozialdemokratie. Bedarf es ihrer also nicht mehr? Oder ist es höchste Zeit, wieder eine starke linke Sozialdemokratie aufzubauen?

Aus meiner Sicht ist es kaum eine andere Partei mehr Wert, um sie zu kämpfen! Nicht nur, aber auch wegen ihrer historischen Verdienste: Republikgründung, allgemeines Wahlrecht, Betriebsräte- und Arbeiterkammergesetz, Aufbau des Sozialstaates, Fristenlösung....

Zugegebenermaßen Errungenschaften, deren Realisierung oft lange zurückliegt und die manchmal auch selbst wieder in Frage gestellt wurden. Trotzdem gibt es keine andere Partei, die auch nur annähernd so stark bei ArbeiterInnen verankert ist. Und das ist die grundlegendste Voraussetzung um gesellschaftliche Veränderungen erkämpfen zu können. Daher ist es unsere feste Überzeugung, dass die Sozialdemokratie eine Zukunft hat. Wir setzen 1. auf eine radikale inhaltliche Erneuerung und 2. auf eine strukturell-organisatorische Reform der Partei.

Zu 1: Trotz des weltweiten Zusammenbruchs des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus erleben wir das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Die Wirtschaftskrise war eigentlich Wind in den Segeln einer starken Linken, und hätte der neoliberalen Transformation den Riegel vorzuschieben müssen. Aber der gesamten Linken gelang es nicht, ein klares Gegenprogramm zu entwerfen. Daher unser Ziel, am Parteitag im Herbst den Start für eine neue Programmatik durchzusetzen.

Zu 2: Wenn die SPÖ auch künftig eine tragende Rolle spielen will, muss es einen Umbau Richtung „Mitmachpartei“ geben. Kreiskys legendärer Satz „Wir müssen alle Lebensbereiche mit Demokratie durchfluten“, gilt heute für niemanden so sehr wie für die SPÖ.

Die Gesellschaft zu ändern, geht nur MIT der Gesellschaft. Dies braucht möglichst breite Verankerung in der Bevölkerung und Organisierung vor Ort. Das Konzept des Austromarxismus, den Menschen „von der Wiege bis zur Bahre“ ein anderes Gesellschaftsmodell anzubieten und für die Überwindung des Kapitalismus zu kämpfen, hat nichts an Richtigkeit eingebüßt.

Abschließend: Es ist jeder/m unbenommen, nicht mehr an die SPÖ zu glauben und sich anderweitig zu organisieren. Wir haben aber jüngst gesehen, dass sich das Kämpfen für den Kurswechsel lohnt – etwa beim Nein zum kleinen Glücksspiel, dem Ja zu Vermögenssteuern oder bei der Einführung von „Wählen mit 16“. Das hat uns bewiesen: Als rings die Welt im Irrtum schlief: Und sie bewegt sich doch!

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