tNeoliberalismus, Finanzkrise und die Insel der Seligen?

Gemeinden schon tief in der Finanzkrise verstrick
Albert Kropf

Was haben Lokomotiven der ÖBB, Innsbrucker Kläranlagen, die acht Donaukraftwerke, Wiener Straßen- und U-Bahnen, das burgenländische und oberösterreichische Stromnetz, Teile der wiener Kanalisation und Sortierungsanlagen der Post mit der US-amerikanischen Finanzkrise zu tun? Auf den ersten Blick würden wahrscheinlich Viele sagen: Gott sei Dank nicht viel. Leider ist das falsch. Das alles und nämlich noch viel mehr gehört in Wirklichkeit US-Investmentbanken.

CBL heißt das „Zauberwort“

Diese Art der Investition heißt „Cross-Border-Leasing“ und ist eine spezielle Variante der „Sell-Lease-Back“ Finanzierung. Grob vereinfacht geht es darum, US-Steuervorteile bei langfristigen Investitionen zu nutzen. Dabei werden bevorzugt Infrastruktureinrichtungen an die betreffende Investmentbank verkauft und dann wieder in langfristigen Verträgen vom ursprünglichen Nutzer zurückgeleast. Eine andere Praxis ist Infrastruktur an den Investor langfristig zu verpachten und sie gleich wieder in einer kürzeren Laufzeit zurückzumieten. So werden z. B. Kläranlagen für 100 Jahre an einen Investor verpachtet und gleich für 25 Jahre zurückgemietet. Aufgrund der langen Laufzeit wurde auch diese Form nach US-Steuerrecht als abschreibbare Investition gesehen. Den steuerrechtlichen Nutzen teilen sich die beteiligten Parteien nach einem vereinbarten Schlüssel. Für die Kommunen kam noch schlagend hinzu, dass so „buchhalterisch“ Anlagevermögen in Umlagevermögen umgewandelt werden konnte.

Von VerfechterInnen des CBL wird argumentiert, dass sich für die KundInnen – wie etwa die NutzerInnen der Wiener Linien – nichts daran ändert, ob juristisch gesehen die Straßen- und U-Bahnen einer amerikanischen Investmentbank gehören oder nicht. Ebenfalls fanden sich vor allem in den USA einige ÖkonomInnen, die im CBL die Möglichkeit sahen, Investitionen aus der um die Jahrtausendwende zu platzen drohenden „New Economy“-Blase wieder in die „Realwirtschaft“ zurückzuführen. So wurden mit dem CBL ganz im Sinn des Neoliberalismus vormals „geschützte“ Märkte aufgebrochen und dem Kapitalmarkt zugefügt.

Nach dem Feiern kommt das Kopfweh

Heute, angesichts der von den USA ausgehenden Weltfinanzkrise, sieht die Sache allerdings etwas anders aus. Zwar wurde das CBL-Steuerschlupfloch 2004 in den USA geschlossen und bereits abgeschlossene Verträge bis heute juristisch wegen Steuerhinterziehung bekämpft. Die Verträge laufen teilweise aber noch Jahrzehnte. Jetzt stehen Kommunen und öffentliche Einrichtungen plötzlich vor dem Problem, dass in den CBL-Verträgen gegenseitige Haftungen und Sicherheiten vereinbart wurden. Und weil primär das US-amerikanische Steuersystem ausgenutzt wurde, ist die USA auch Gerichtsstand dieser Verträge. Damit gilt das US-amerikanische Handelsrecht. Eine Vielzahl der CBL-Verträge wurde z. B. über den Versicherungsriesen AIG (American International Group) abgewickelt, dessen Taumeln die internationale Finanzwelt mit ins Wanken gebracht hat. Angesichts der Abwertung der Kreditfähigkeit dieser Versicherungen und Investmentbanken besteht die Gefahr, dass die ursprünglich vereinbarten Sicherheiten nicht ausreichen und von Seiten der „Verkäufer“ nun ordentlich „nachgebessert“ werden muss. Die Frankfurter Rundschau titelte deswegen auch am 25. September 2008 mit „Jetzt zittern die deutschen Städte!“.

Ein Ausmaß der Kosten im Anlassfall ist laut Frankfurter Rundschau noch nicht absehbar. Werner Rügemer, der Vorsitzende von „Business Crime Control“, warnte seit Jahren vor dem hohen Risiko des CBL und der damit einhergehenden „Enteignung der Städte“. Somit zahlen nicht nur US-amerikanische SteuerzahlerInnen für z. B. 85 Millionen Dollar alleine für die Rettung von AIG, sondern auch wir hier in Europa über den Umweg von CBL Geschäften. Für Fußballfans mag es ein Trost sein, dass ein Teil ihres Geldes wiederum in den Fußball wandert. AIG ist seit der Saison 2006/07 Trikotsponsor von Manchester United. Frei nach dem Motto: „I am financial supporter of Manchester United!”.

Neben dem CBL gibt es aber auch noch andere Bereiche, die uns jetzt schon unmittelbar von der Finanzkrise betroffen machen. Und hierzu brauchen wir noch gar nicht das Schreckgespenst der Globalisierung mit ihrer Abhängigkeit der Märkte heraufbeschwören. Ein Teil der privaten Pensionsvorsorge (Stichwort Pensionsreform) wird auf internationalen Finanzmärkten angelegt. Seit einigen Jahren konnten hier aber oft die in Aussicht gestellten Renditen (Veranlagungsgewinne) nicht erreicht werden. Konkret heißt das dann eine niedrigere (Zusatz)Pension. Gleiches gilt für immer mehr Versicherungsprodukte, die ebenfalls am Kapitalmarkt spekulieren.

Die BAWAG-PSK Bankengruppe gehört der Cerberus Investmentgruppe aus den USA, einer so genannten „Heuschrecke“. Neben dem Sparbuch wurde versucht das „Fondssparen“ bei uns zu verankern. Ein Fonds ist im Prinzip nichts anderes, als eine je nach Fonds breit gestreute Spekulation. Damit sollten einzelne „Ausreißer“ nach unten ausgeglichen und ein stetiger Anstieg gewährleistet werden. Eine (tiefe) Krise der Finanzmärkte drückt damit auch die Mehrzahl der Fondserträge kräftig nach unten. Auch in Österreich „knickten“ die Fonds bereits beachtlich ein. Am 13. August 2008 veröffentlichte die Tageszeitung „Der Standard“ eine Statistik über die Entwicklung österreichischer Fonds mit einer Lebensdauer von über einem Jahr. Daraus geht hervor, dass von diesen 1096 Fonds nur 267(!) eine positive Einjahresperformance ausweisen konnten. Im Durchschnitt wiesen die Fonds im Vergleichszeitraum Juni 2007 bis Juni 2008 ein Performance-Minus von 10,01 % aus. Und das alles noch vor dem vollen Ausbruch und Ausbreitung der Finanzkrise im September! Schließlich galten gerade Bankenanleihen und Immobiliengeschäfte im Großen und Ganzen bei uns als risikoarm. Nun, das Blatt hat sich offenbar gewendet. Ein Resultat daraus für die Betroffenen ist, dass ihre Spareinlagen nicht nur weniger Wertzuwachs erzielen, sondern überhaupt an Wert verlieren.

Unterschied zur Wirtschaftskrise der 1930er Jahre

Und somit ist die Finanzkrise schon längst in Österreich angekommen, bevor hier auch nur eine Bank oder Versicherung offen zu wackeln beginnt. Das ist ein großer Unterschied zur großen Wirtschaftskrise der 1930er Jahre. Als am 11. mai 1931 mit der Credit-Anstalt (CA) die größte Bank der 1. Republik offiziell zu bröseln begann, leitete das eigentlich das Ende und nicht den Beginn einer Bankenkrise in Österreich ein.

Der Zusammenbruch der Habsburger Monarchie schuf für den Industrie- und Bankensektor neue Realitäten. Zweigstellen und  Töchter wurden in Nachfolgestaaten der Monarchie teilweise nationalisiert oder enteignet. Die Banken haben durch Aktienkäufe in den Nachfolgestaaten versucht, dieser Tendenz entgegen zu arbeiten und ihre dominierende Stellung im Donauraum beizubehalten. Die in Österreich verbliebenen Industrie- und Bankkapazitäten, waren für das „kleine“ Österreich völlig überdimensioniert. So befand sich die Produktion für die Eisenbahnlokomotiven für die ganze ehemalige Monarchie in, aber die großen Kohleabbaustätten nun außerhalb des „kleinen“ Österreichs.

Die Neue Freie Presse vom 31. Mai 1919 ging auf diese Problematik folgend ein: „Man hört so oft, Deutsch-Österreich ist rein geographisch lebensunfähig. Es ist klar, dass Deutsch-Österreich administrativ und auch sonst nicht gerade ein sehr zweckmäßiges Ganzes darstellt, aber verzweifeln darf man deshalb nicht. Wenn uns die Selbstständigkeit mehr oder weniger gegen unseren Willen von außen dekretiert wird und wenn es durchaus nicht möglich ist, unsere eigenen Wege zu gehen, darf man noch nicht glauben, dass ein Staat, um wirtschaftlich leben zu können, alle notwendigen Rohstoffe in seinem Gebiet erhalten muss. Wir müssen Kohle haben. Aber auch wenn sie in Deutsch-Österreich läge, müsste unsere Industrie sie kaufen, und mehr als zu kaufen braucht sie sie in Ostrau auch nicht.“

Das stimmte zwar, ließ aber die Problematik der „Fehldimensioniertheit“ der österreichischen Industrie außer acht. Und erschwerend kam noch hinzu, dass sich in den Nachfolgestaaten ab 1919 ein wirtschaftlicher Protektionismus breit machte, der die jeweils heimische Produktion schützen sollte. Zum Nachteil der österreichischen, auf diese Märkte ausgerichteten, Wirtschaft.

Ungleichmäßige und kombinierte Entwicklung Österreichs

Das österreichische (Industrie)Kapital war aufgrund der verspäteten Entwicklung sehr schwach. Deswegen fand die Verschmelzung von Industrie- und Finanzkapital schon früher als in den kapitalistisch hoch entwickelten Staaten statt. Nach der Börsenkrise von 1873 brauchte es zwar ein bisschen, aber ab 1895 kommt die Industriebeteiligung der Banken wieder in Schwung. 59 % aller Industriegründungen zwischen 1907 und 1913 wurden zu 67 % wieder von den Banken finanziert. Eine Trennung von Industrie- und Finanzkapital war somit gar nicht mehr möglich.

Der russische Revolutionär Lenin beschrieb die Verschmelzung dieser beiden Bereiche in seinem Buch „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Er zieht als Beispiel den deutschen Industriekonzern AEG heran. Dabei zeigt er, dass der Industriekonzern AEG nicht mehr von der Bank AEG zu trennen ist. AEG handelt also als Industrie- und Bankkonzern gleichermaßen. Konkret liest sich das bei Lenin so: „Die Folge ist einerseits eine immer größere Verschmelzung oder, nach einem treffenden Ausdruck von N. I. Bucharin, ein Verwachsen des Bankkapitals mit dem Industriekapital, und anderseits ein Hinüberwachsen der Banken in Institutionen von wahrhaft <universalem Charakter>“. In diesem Prozess sah Lenin einen von fünf Indikatoren für eine fortgeschrittene, imperialistische Wirtschaft. Für die österreichische Entwicklung ist der Umkehrschluss aus dieser Überlegung noch viel tragender. Nämlich der, dass Banken ebenfalls die Rolle von Industrien übernehmen. Leo Trotzki bezeichnete das gesellschaftliche Aufholen nach einem verspäteten Start als „ungleichmäßige und kombinierte Entwicklung“. Das heißt, obwohl die Industrialisierung bei uns viel später stattgefunden hat als in anderen Ländern, wurde nicht deren Entwicklung Etappe für Etappe gleich nachgelebt, sondern abgekürzt bzw. übersprungen. Und das zeigt sehr gut an der Entwicklung in Österreich.
Für die Krise der CA ist das auch von enormer Bedeutung. Schon seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hielten die Wiener Großbanken große Teile an der Industrie im Raum der Donaumonarchie. Verstärkt wurde diese Tendenz über die Ebene der Verschuldung der Betriebe. So rutschte ein weiterer Teil der Industrie in die Abhängigkeit der Banken. Die nach dem 1. Weltkrieg einsetzte Hyperinflation tat ihren Teil noch dazu. Um ihr Kapital zu schützen, engagierten sich noch mehr Banken in der Industrie.

Die Inflation anhand des Preises für einen Laib Brot.

Dezember 1914

46 Heller

Dezember 1921

160 Kronen

Dezember 1922

5.670 Kronen

Diese meist bei den Banken hoch verschuldeten Betriebe konnten aber mangels nicht vorhandenen Kapitals nicht mehr verkauft werden. Um aber die eigene Bilanz zu schönen, waren die Banken wiederum interessiert, diese Betriebe besser dastehen zu lassen. Es begann damit eine Verschleierung, um einen möglichen „Domino-Effekt“ zu verhindern. Die Historiker Kernbauer und Weber beschrieben diese Situation so: „Überspitzt gesagt, zahlten solche Unternehmen Dividenden mit Hilfe von Bankkrediten an eben jede Banken, deren Schuldner sie waren.“

Konzentrationsprozess am Bankensektor

Spätestens ab Mitte der 20er Jahre wurde es auf dem österreichischen Bankensektor hektisch. Eine missglückte Franc-Spekulation löste eine Börsenkrise aus und setzte den Konzentrationsprozess im Bankenbereich weiter in Gang. Es folgten Bankencrashs, Fusionen und Krisen.

1924 rutschte die Allgemeine Deposit Bank in die Pleite. 1926 folgte die Biedermannbank, an der der renommierte bürgerliche Ökonom Joseph Schumpeter beteiligt war. Im gleichen Jahr bricht die die Centralbank der deutschen Sparkassen zusammen, nachdem sie selbst kurz zuvor die angeschlagene Steirerbank, Niederösterreichische Bauernbank und die Industrie und Handelsbank übernommen hatte. 1926/27 fusionierte die Boden-Credit-Anstalt (BCA) mit der Unionbank und der in „Schwierigkeiten“ geratenen Verkehrsbank. Und schließlich war 1929 mit der BCA die 2. größte Bank der Republik zahlungsunfähig.

Die BCA war die Hausbank der ehemaligen Monarchie. Ursprünglich war sie hauptsächlich im Hypothekargeschäft verankert, engagierte sich aber zunehmend in der Republik als Industriebank. Die Steyr-Werke (Fahrzeuge und Waffen) und der Mautnerkonzern waren die Kernbereiche der BCA. Daneben war die BCA noch die Bank des klar rechten Randes der Politik. Sie finanzierte zu einem großen Teil die faschistischen Heimwehren in ihrem Kampf gegen die demokratische Republik und die Sozialdemokratie. Geleitet wurde die BCA von 1910 bis 1929 (mit einer kurzen Unterbrechung während des Krieges) von Rudolf Sieghart. Sieghart kontrollierte noch einen Zeitungskonzern mit der auflagenstarken Zeitung „Neues Wiener Tagblatt“, die ebenfalls gegen die Sozialdemokratie wetterte. Die Ausschaltung des Parlaments und Errichtung der Dollfuß Diktatur 1933 wurde von dieser Zeitung begrüßt und gerechtfertigt. Das alles ist deswegen nicht unwesentlich, weil damit sowohl Bank und ihr Leiter sich klar politisch in der Öffentlichkeit deklarierten.

Als erstes Anzeichen einer ernsten Krise der BCA wird heute die Nachricht vom 6. März 1929 gesehen, in der die BCA den Verkauf von Liegenschaften an das Rote Wien ankündigte. Einige Anleger schlossen daraus zu Recht, dass es schlecht um die der Sozialdemokratie feindliche Bank stehen müsse, wenn sie nun Grundstücke an das Rote Wien verkaufe. Viele Anleger zogen aus Angst in Folge ihr Geld aus der BCA ab. Eine Kapitalflucht konnte allerdings noch verhindert werden. Ende September 1929 brach dann die Krise aber vollends aus. Dabei war es weniger ein Grund als eine Verkettung, die die BCA zu Fall brachte. Eine wesentliche Rolle spielte abermals die Nähe der BCA zu den Heimwehren, die 1929 angekündigt hatten zum entscheidenden Schlag gegen die Demokratie auszuholen. Als die Heimwehr im September nun große Truppenaufmärsche rund um Wien ankündigte, machte schnell das Gerücht von der Vorbereitung eines Heimwehrputsches die Runde. Die Angst vor einem Putsch bzw. die dadurch entstehende Unsicherheit und Gefahr eines BürgerInnenkrieges hat wohl viele AnlegerInnen der BCA dazu bewogen, ihr Geld aus der BCA abzuziehen. Die politischen Verflechtungen der BCA zur äußersten Rechten waren schließlich ihr Stolperstein. Die nun einsetzende Kapitalflucht brachte die ohnehin angeschlagene BCA ins Wanken und die Bank konnte nur noch durch eine Fusion mit der Credit-Anstalt „gerettet“ werden.

Die Credit-Anstalt kracht wie ein Kaisersemmerl

Am 11. Mai 1931 wurde die Öffentlichkeit in einem Kommunique über die Schwierigkeiten in der Geschäftsgebahrung der CA informiert. In Wirklichkeit war es aber hier bereits viel zu spät, um die Bank noch retten zu können. In mehreren kurz auf einander folgenden Etappen nahm die Republik unter der christlich-sozialen Regierung die Credit-Anstalt in Staatsbesitz. Eine Politik, die sie vorher jahrelang als sozialdemokratisches, bolschewistisches Schreckgespenst an die Wand gemalt hatte. Die Sozialdemokratie und ihr Anführer Otto Bauer fühlten sich aber keineswegs in ihrer Politik bestätigt. Sie wetterten gegen die Verstaatlichung der Credit-Anstalt. So schien die Bankenkrise auch die politischen Vorzeichen kurzfristig zu verdrehen.

Sieht man/frau jedoch genauer hin, so ist sehr wohl zuerkennen, dass sich die beiden politischen Lager treu blieben. Wollte die christlich-soziale Regierung einen Zusammenbruch der Credit-Anstalt und damit unweigerlich den Ausbruch einer unvorhersehbaren Krise der bürgerlichen Gesellschaft und Wirtschaftsform verhindern, blieb nur die Bank in Staatsbesitz und die Haftung zu übernehmen. Die Sozialdemokratie hingegen hatte weniger ein Problem mit der Verstaatlichung an sich. Otto Bauer richtete seine Kritik hauptsächlich daran, dass es sich bei der Sanierung um eine „Schonung der Aktionäre“ handelte und die ArbeiterInnen nun die Zeche für die verfehlte Politik des Finanzkapitals zu tragen habe. Dazu Otto Bauer in einer Rede vom 13. Mai 1931 im Parlament: „Der Bund allein bringt von den 152,5 Millionen Schilling, die die neuen Geldgeber aufbringen müssen, hundert Millionen Schilling auf. Der bekommt aber für seine hundert Millionen Schilling nur 58,6 Millionen Schilling in Aktien und 41,4 Millionen Schilling schenkt er her. Wozu meine Herren? Wem schenkt er es? Er schenkt es dazu her, damit die alten Aktionäre von dem Geld, das sie verloren haben, das sie nicht mehr besitzen, das nach ihrer eigenen Rechnung verloren ist, um 41,4 Millionen Schillinge in Werten mehr bekommen, als ihnen nach ihrer eigenen Rechnung gebühren würde. Das kann man und soll man nicht anders nennen als ein Geschenk, das der Bund den alten Aktionären der Credit-Anstalt macht.“

Es blieb aber nicht bei einem Gesetz zur Sanierung der Credit-Anstalt. Aufgrund der immer höheren zu Tage tretenden Schulden, folgen noch sieben weitere Sanierungsgesetze im Parlament. Von der Sozialdemokratie wurde nur das erste mit der obigen Begründung abgelehnt. Den restlichen sieben Gesetzesanträgen wurde von der Sozialdemokratie schließlich in einem Akt zugestimmt. Argumentiert wurde das unter anderem im Leitorgan, der Arbeiterzeitung so, dass im Fall eines Zusammenbruchs der Bank, die ganze Industrie zum Stillstand gekommen wäre und um diese Katastrophe zu verhindern, die Sozialdemokratie dafür gestimmt habe. Gefangen im Spagat zwischen marxistischer Rhetorik und anderseits staatstragendem Patriotismus fehlte der Sozialdemokratie aber auch ein klares Programm zur Überwindung der Krise. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zum Erfüllungsgehilfen der Regierung degradieren zu lassen. Die Historiker Weber und Kernbauer kommen zum nicht gerade schmeichelnden Schluss: „Otto Bauers Aufsatz <Wird die Weltwirtschaftskrise überwunden werden?> bildet ein beeindruckendes Dokument sozialistischer Ratlosigkeit“.

Es folgte die Rettung der CA durch den Staat. Der übernahm die Bürgschaft über rund 1,2 Mrd. bei jährlichen Einnahmen von 2 Mrd. Schilling. Die konservative Regierung setzte trotzdem weiter auf eine Hartwährungspolitik. Die Folge waren Sparpakete, Gehaltskürzungen bei Beamten und Eisenbahn und Steuererhöhungen auf Bier und Zucker. Am Tiefpunkt der Krise 1933 war das BIP auf 77,5 % von 1929 abgesunken, zeitgleich stieg die Arbeitslosigkeit von 200.000 auf 800.000, davon fast ½ Million „ausgesteuert“ – das heißt ohne Anspruch auf Sozialleistungen. Es gab zwar keine Inflation, aber für die Mehrheit der Menschen spielte das kaum eine Rolle. Sie hatten nichts mehr. In diesem Sinn meinte auch Helmut Qualtingers Herr Karl: „Der Schilling war hart, aber derwischt hat ma ihn net“.

Fazit

Die heutige Krise kann nur schwerlich mit der Krise der 1930er Jahre verglichen werden. Ein großer Unterschied sind die politischen Rahmenbedingungen. Die 1. Republik war geprägt durch die Auseinandersetzungen einer kleinen konservativen Mehrheit im Parlament (=Bürgerblock) gegenüber einer starken und bis ins Kleinste durchorganisierten ArbeiterInnenbewegung. Zumindest die starke Vertretung der arbeitenden Bevölkerung fehlt heute und macht politische Vergleiche in gewisser Weise fragwürdig. Auch der Ablauf der Krise selbst ist unterschiedlich. Der Fall der CA 1931 stand am Ende eines langen, krisenhaften Prozesses in der österreichischen Banken-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Zwar stehen auch in der jetzigen Krise die Banken im Mittelpunkt, doch es scheint als stünden wir erst am Anfang einer weit gefächerten Banken- und Spekulationskrise. 

Am Ende blieben von den vielen Wiener Großbanken 1933 nur zwei über: die Länderbank und die Credit-Anstalt. Heute gibt es beide Institute nicht mehr; sie sind in der Bank-Austria der italienischen Unicredit fusioniert. Das allerdings zeigt wieder Ähnlichkeiten zu den 1920er Jahren auf – den enormen Einfluss nur weniger Bankinstitute auf eine Volkswirtschaft. Wir sehen auch ein ähnliches Agieren der Politik: mit öffentlichen Steuergeldern werden Banken, die noch bis vor kurzem ihre Aktionäre mit fetten Dividenden bedienten, gerettet. Eine Politik, die zumindest in Österreich ein radikales Absinken des Lebensstandards und schließlich die soziale Zuspitzung beschleunigte und in den 12. Februar 1934 führte.

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