Thesen über die Weltwirtschaft, die USA, China, Europa und Irak

Dieser Text wurde bei der Sitzung des Internationalen Exekutivekomitees des CWI im Dezember 2005 diskutiert und beschlossen.
CWI


  1. Selten in der Geschichte

    des Kapitalismus waren die Perspektiven für einzelne Länder oder sogar

    ganze Kontinente in einem so starken Maße von internationalen Ereignissen

    und Prozessen beeinflusst oder gar bestimmt. Diese aktuelle Phase der

    kapitalistischen Globalisierung hat einige Ähnlichkeiten - obwohl

    gleichzeitig Unterschiede bestehen – zu der „Globalisierung“ (obwohl der

    Begriff damals noch nicht bekannt war) des späten 19. und frühen 20.

    Jahrhunderts, dessen katastrophale Folge der Erste Weltkrieg war.

    Kennzeichnend für diese Periode war der Export von Kapital in die

    „Kolonien“, die zu geschützten Märkten und Quellen für billige Rohstoffe

    wurden. Dies führte zu ständigen Positionskämpfen und Konflikten zwischen

    verschiedenen imperialistischen Mächten. Dieser Kampf konnte letztendlich

    nur durch einen Krieg entschieden werden.

  2. Es sind natürlich in der

    aktuellen Situation einige Merkmale der damaligen Periode zu finden: ein

    erbitterter Kampf imperialistischer Mächte um Ressourcen, vor allem um Öl,

    ein wirtschaftlicher Wettstreit um Vorteile und Vorherrschaft, begleitet

    von militärischen Konflikten und Interventionen, wie dem Irak-Krieg. Dies

    manifestiert sich am deutlichsten in dem sich entwickelnden Konflikt

    zwischen den USA und China, der die globalen Entwicklungen in der nächste

    Zeit dominieren wird. Auch wenn die Gefahr eines größeren

    inter-imperialistischen Konfliktes bewaffneter Art auf kurze bis mittlere

    Sicht nicht besteht, so besteht nach wie vor eine reale Gefahr großer

    Handelskriege zwischen den imperialistischen Blöcken.

  3. Diese Phase der

    kapitalistischen Globalisierung unterscheidet sich in einigen Aspekten von

    der Periode vor dem Ersten Weltkrieg. Damals wurde Kapital in die

    kolonialen Besitztümern exportiert, als Mittel dazu, billige Rohstoffe zu

    fördern und im Gegenzug dafür teurere Fertigprodukte zurück zu verkaufen,

    und auf diesem Wege, in den Worten von Marx „mehr Arbeitskraft für weniger

    Arbeitskraft“ zu erhalten. Diese ungleichen Handelsbeziehungen bestehen

    noch heute und haben sich sogar aus Sicht der neo-kolonialen Welt

    verschlechtert. In den letzten paar Jahrzehnten haben sich ausländische

    Direktinvestitionen (ADI) in der „Triade“ Europa - USA – Japan

    konzentriert.

  4. Dies wurde zum Teil

    abgeschwächt durch den kolossalen Kapitalexport zum einen nach China – das

    als ADI-Empfänger fast mit den USA gleichgezogen hat, und zu einem

    gewissen Teil auch nach Osteuropa und in die ehemalige Sowjetunion, im

    Zuge des Versuches des Kapitalismus, sein produktives Potenzial zu

    verlagern um die Rohstoffe und billigen aber qualifizierten Arbeitskräfte

    auszubeuten, die nach dem Zusammenbruch des Stalinismus zur Verfügung

    stehen.

  5. Zwischen 1990 und 2003

    stieg das ADI-Volumen rasant an, der Anteil von ADI am Welt-BSP wuchs von

    9% auf 23%. Dies hat, zusammen mit anderen Faktoren, z.B. die so genannte

    Informations- und Kommunikationsrevolution, haben zu einer kolossalen

    Integration der Weltwirtschaft geführt. Dies wiederum bedeutet, wie von

    Marx vorhergesagt, dass Ereignisse auf nationaler Ebene in zunehmendem Maße

    durch Abläufe auf globaler Ebene mitbestimmt werden.

  6. Die neokoloniale Welt ist

    in dieses System integriert, bleibt aber dennoch in erster Linie eine

    Quelle billiger Primärprodukte. Der Aufstieg Chinas könnte jedoch die

    Dominanz der Triade und vor allem der USA, sowohl wirtschaftlich als auch

    militärisch, bedrohen. Dies setzt voraus dass China weiterhin

    ununterbrochen so wächst wie bisher, was keineswegs sicher ist. Es besteht

    die Gefahr einer weltweiten Rezession oder eines Abschwunges, mit tief

    greifenden Auswirkungen in China. Ebenfalls zu bedenken ist der

    unvermeidliche Widerstand der chinesischen ArbeiterInnenklasse gegen die

    unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken, gegen niedrige Löhne,

    Umweltverschmutzung usw. Ansteigende Löhne als Folge von Massenkämpfen könnten

    eine Verlagerung von Kapital aus China heraus in andere Niedriglohnländer

    und –regionen zur Folge haben, mit entsprechenden Auswirkungen auf das

    Wachstum.

  7. Zur Zeit hängt die US- und

    damit die Weltwirtschaft an China und in gewissem Maße auch am asiatischen

    Kapitalismus als Ganzes. Zwischen diesen drei „Partnern“ existiert ein

    erstaunlicher faustischer Pakt. Die USA haben zur Zeit das größte

    Leistungsbilanzdefizit aller Zeiten, der IWF (Internationale

    Währungsfonds) schätzt, dass es für das Jahr 2005 760 Milliarden Dollar

    oder 6.1% des BSP der USA betragen wird, obwohl neuere Schätzungen von

    einer geringfügig niedrigeren Zahl von 706 Milliarden Dollar ausgehen.

  8. Das globale Wachstum ist

    aktuell in erster Linie auf China und den USA konzentriert, während Asien,

    Deutschland und Öl-exportierende Länder Handelsüberschüsse in Rekordhöhe

    haben. Die Financial Times kommentiert: „Es ist eine bizarre Welt, in dem

    die relative armen Länder der Welt den reichen KonsumentInnen in den USA

    riesige Geldsummen zu extrem niedrigen Zinsraten leihen”. Peter Dixon von

    der Commerzbank sagte: „Die USA haben riesigen Ungleichgewichte, sowohl

    nach außen, in Sachen Leistungsbilanzdefizit, als auch nach innen – hohe

    Verschuldungsraten und eine niedrige Sparquote. Solche Ungleichgewichte

    kann man nicht auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten. Ausländische

    Investoren besitzen US-Wertpapiere im Wert von 12 Milliarden Dollar, de

    facto Schuldscheine die vom US-Steuerzahler ausgestellt werden.”

  9. Das Ergebnis von all dem

    ist das, was kapitalistische ÖkonomInnen untragbare „Ungleichgewichte“

    nennen. Dies bedeutet dass die Fremdwährungsreserven asiatischer

    Wirtschaften, allen voran China, von 36% auf 60% des weltweiten

    Gesamtvolumens (die Reserven der USA nicht mitgerechnet) gewachsen sind.

    Chinas Reserven sind explosionsartig gewachsen und stellen nun zwei

    Drittel aller Reserven in ganz Asien dar. Diese Reserven bestehen zum

    allergrößten Teil aus US-Dollar-Beständen

    die von den meisten asiatischen Zentralbanken auf Kosten von Investitionen

    in die einheimischen asiatischen Industrien angehäuft wurden. Asien, unter

    der Führung Chinas, fungiert als Zahlmeister der US-Wirtschaft und stopft

    die riesigen Lücken die von den US-Defiziten gerissen wurden. Gleichzeitig

    floriert der Markt für Regierungsschulden, also der Kauf von Wertpapieren

    der US-Regierung, da die Kapitalisten angesichts von Rekordprofiten lieber

    dort ihr Geld anlagen als in Investitionen im produktiven Bereich.

  10. All dies hat eine

    Steigerung der Konsumausgaben und einen Rückgang der Sparquote verursacht,

    was wiederum zu einem „im steigenden Maße nicht haltbaren Immobilienboom

    in den USA“ (Financial Times) geführt hat. Sowohl wir als auch die

    ernsthafteren unter den kapitalistischen KommentatorInnen haben darauf

    hingewiesen, dass dieses finanzielle Kartenhaus jederzeit einstürzen könnte:

    „Die Ungleichgewichten nähern sich der ‚Schmerzgrenze’.” (Ebd.). Charles

    Dumas von Lombard Street Research warnte: „Die ganze Wirtschaft läuft

    gerade auf der Basis von Kapitalgewinnen… wenn die Immobilienpreise aufhören

    zu steigen, dann bekommt die US-Wirtschaft Probleme.” Der Wechselkurs des

    Dollars könnte jederzeit einbrechen, und den asiatischen Zentralbanken

    riesige Verluste aus ihren Dollarbeständen bescheren. Aus diesem Grund könnten

    sie sich dazu entschließen, sich vom Dollar zugunsten anderer Seiten zurückzuziehen,

    was wiederum einen solchen Einbruch des Dollarkurses erst auslösen könnte.

Aufschwung – aber wie lange?

  1. Wie lange kann der

    Aufschwung anhalten? Diese Frage beschäftigt nicht nur uns und die

    ArbeiterInnenbewegung sondern auch die WahrsagerInnen des Kapitalismus. Es

    hat nur deswegen so lange angehalten weil der Weltkapitalismus, allen

    voran die USA, eine Ausgabenorgie veranstaltet haben, angeheizt durch

    „quasi-keynesianistische“ Maßnahmen für die Reichen z.B. massive

    Steuersenkungen für die Reichsten. Die Zinssätze befinden sich auf einem

    Rekordtiefststand, was von einigen bürgerlichen ÖkonomInnen spöttisch

    „kostenloses Geld“ genannt wird, es bestehen massive und nicht tragbare

    Defizite. Ein Absturz ist sicher, aber das „wie“, das „wann“ und das Ausmaß

    noch unklar sind. Aber die grundlegende Schwächlichkeit der Weltwirtschaft

    ist so ausgeprägt, dass sie bereits in den kommenden Monaten ins

    Schleudern geraten könnte.

  2. Andererseits ist auch eine

    weitere Überdehung möglich, was den gegenwärtigen Wirtschaftszyklus noch für

    ein oder mehr Jahre verlängern könnte. Aber, wie das Institut für

    Internationale Wirtschaft in Washington vorhergesagt hat, die Defizite

    werden weiter anwachsen bis die Märkte anfangen nervös zu werden, die

    Rentenerträge steigen, und ab dem Punkt fangen Regierungen an, nervös zu

    werden. „Größere Anpassungen sind schmerzhafter. Leute ignorieren das

    lieber und handeln auf der Basis von Wunschdenken“. (Financial Times).

    Deswegen könnte diese aktuelle Phase ein jähes Ende finden, was das stagnierende

    Europa in einen noch tieferen wirtschaftlichen und politischen Abwärtssog

    ziehen könnte. Und gleichzeitig die ohnehin schon schwere Krise des Bush

    Regimes verschärfen, und sogar Chinas scheinbar unaufhaltsamen

    Turbowachstum aufhalten könnte.

  3. Auf mittlere und lange

    Sicht sind die ökonomischen Perspektiven für China und die Auswirkungen

    davon auf den Weltkapitalismus von zentraler Bedeutung. China hat bereits

    eine Rolle dabei gespielt, den aktuellen Aufschwung über seine

    eigentlichen Grenzen hinaus aufrecht zu halten, im Zusammenhang mit der

    „Super-Liquidität“ in der Weltwirtschaft. Kann es eine stabilere Grundlage

    für ein weiteres, dauerhafteres Wachstum des Weltkapitalismus schaffen?

    Die bürgerlichen ÖkonomInnen hoffen mit aller Kraft, dass es das kann. Sie

    behaupten, dass der Zusammenbruch der „geplanten Wirtschaften“ in

    Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion (womit sie den Stalinismus

    meinen) sowie die Entwicklung hin zum Kapitalismus in China die Anzahl der

    Arbeitskräfte weltweit verdoppelt hat, gleichzeitig sei der Kapitalbestand

    gleich geblieben.

  4. Die scheinbar endlos zur

    Verfügung stehenden billigen Arbeitskräfte können, so die Hoffnung, eine

    „Wiedergeburt“ ihres Systems herbeiführen. Diese Hoffnung ist

    problematisch, um es vorsichtig auszudrücken. Während Investitionen in

    China und Osteuropa dem Kapitalismus einen gewissen Schub gegeben haben

    und auch weiterhin geben werden, wurde dadurch in erster Linie die

    „Angebotsseite“, also die Produktivkräfte, gesteigert. Dies geschieht

    allerdings vor dem Hintergrund steigender Überkapazitäten, vor allem in

    den Industrien, etwa in der Automobilindustrie. Des weiteren ist die

    Marktnachfrage, vor allem in China sowie in Osteuropa und Russland, bis

    auf einige städtische Zentren, aufgrund des niedrigen Lebensstandards und

    der Verarmung der Massen begrenzt.

  5. Aber selbst wenn es dem

    Kapitalismus trotz allem gelingt, durch die ökonomische Ausbeutung Chinas

    und Osteuropas die eigene Lebensspanne zu verlängern, wäre keineswegs

    alles geklärt. Zunächst wären noch die ökologischen Kosten in dieser Zeit

    der globalen Erwärmung zu nennen; ebenso die ansteigenden CO2-Emissionen,

    das Abschmelzen des Eises an den Polen usw. Auf kapitalistischer Grundlage

    kann die Welt die aktuellen Wachstumsraten alleine Chinas und Indiens

    nicht verkraften. China mag gerade der Schauplatz eines ökonomischen

    Feuerwerks sein, aber es ist ebenfalls, zusammen mit den USA, eines der größten

    Verursacher von Umweltverschmutzung. Die ganze Welt, nicht nur China, kann

    sich ein Wiedererstarken des Kapitalismus, das die Welt noch weiter in den

    Abgrund der irreversiblen Umweltzerstörung reißen würde, nicht leisten.

    Des weiteren hat der globale Kapitalismus zu diesem Zeitpunkt keine andere

    Alternative als den Neoliberalismus, ohne den es keine kapitalistische

    Globalisierung (Deregulierung, offene Grenzen für Kapital) als solches

    geben würde, weltweit durchzusetzen.

  6. Dies hat bereits, und wird

    auch in Zukunft, erbitterten Widerstand und auch revolutionäre Ausbrüche

    seitens der ArbeiterInnenklasse und der verarmten Massen hervorgerufen.

    Selbst in der Phase, in dem der Kapitalismus „relativ fortschrittlich“

    war, im 19. und frühen 20. Jahrhundert, gab es die Tendenz, wie Marx

    deutlich machte, den Anteil der ArbeiterInnenklasse zu senken um die

    Profite der Unternehmen zu steigern. Dies führte zu Aufständen niedrig

    bezahlter und gering qualifizierter ArbeiterInnen in Britannien Ende des

    19. Jahrhunderts und trug auch zur Entwicklung der Russischen Revolution

    von 1905 bei, ebenso wie zum Aufstieg der ArbeiterInnenbewegung in den USA

    und Europa.

  7. Allerdings wurde heute,

    anders als in der Phase der kapitalistischen Entwicklung vor 1914, dieser

    Widerstand geschwächt durch das Fehlen des subjektiven Faktors, einer

    Massenpartei der ArbeiterInnenklasse, die als Anziehungspool fungieren

    kann. Die Fähigkeit der herrschenden Klasse, den Widerstand der

    ArbeiterInnen zu schwächen, wurde durch die ideologische Offensive und die

    Durchsetzung des Neoliberalismus begünstigt. Dennoch hat der Widerstand

    der Massen, wenn auch nur Zeitweise, einige der herrschenden Klassen

    Europas in ihren Absichten aufgehalten.

China

  1. Die Probleme, denen sich

    der Weltkapitalismus aktuell gegenüber sieht, sind von monumentalen Ausmaßen,

    sie summieren sich und sind auf lange Sicht unlösbar. Die Folgen des

    Aufstieges Chinas und der Auswirkungen davon auf den restlichen

    Weltkapitalismus sind wichtige Fragen für Europa genau wie für die

    restliche Welt. Die vollen Auswirkungen hiervon haben sich noch nicht

    entfaltet. China ist nun die Produktionszentrale der Welt, jede Woche hören

    wir, wie Jobs aus den entwickelten Industrieländern nach China und

    Osteuropa verlagert werden. Dieser Prozess scheint unnachgiebig und

    unaufhaltsam zu sein. China, und in etwas geringerem Maße Indien (im Falle

    Indiens vor allem durch den Ausbau der Informationstechnologie), haben

    sich zu Zentren der niedrigqualifizierten und niedrigbezahlten Produktion

    entwickelt. China verarbeitet Importe aus Asien und exportiert diese dann

    wieder.

  2. Nun findet allerdings eine

    Konzentration auf innovative Hightech-Produktion auf dem einheimischen

    Markt statt. Während ein großer Teil der ausländischen Direktinvestitionen

    aus den USA stammt, hat der asiatische Kapitalismus einen Grossteil seiner

    Industrien nach China verlegt. So hat etwa Taiwan fast sämtliche

    Produktionsstandorte aufs Festland verlagert. Japan hat ähnliches gemacht.

    Dies hat zu der Situation geführt, die ein jüngst veröffentlichter Bericht

    der EU hervorgehoben hat: „China entwickelt sich zum wettbewerbsstärksten

    Produktionsstandort den es jemals gegeben hat.” Fast 20% der chinesischen

    Exporte sind dem Hightech-Bereich zuzuordnen und, wie dieser Bericht

    feststellt, „mit zwei Millionen StudienabsolventInnen jährlich gibt es

    allen Grund zur Annahme, dass dieser Prozentsatz anwachsen wird.” Der

    Anteil am chinesischen BIP, der für Entwicklung und Forschung ausgegeben

    wird, wächst aktuell um 10% im Jahr, in der EU sind es lediglich 0.02%!

    (natürlich startet die EU von einem höheren Ausgangsniveau).

  3. Bis vor kurzem konnten sich

    bürgerliche ÖkonomInnen damit trösten, dass, während die Produktion nach

    China und anderswo verlagert werden kann, Entwicklungs- und

    Forschungseinrichtungen – und damit ein Monopol über die Technik - im

    „Heimat-„land bleiben. So hat etwa der britische Staubsaugerhersteller

    Dyson seine Produktion nach Asien verlagert, die Forschung und Entwicklung

    aber in England behalten. Aber der Aufstieg des Hightech-Sektors in China,

    teilweise durch geliehenes oder regelrecht „gestohlenes“ Geld aus den

    wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern, könnte zur Folge haben, dass

    diese Sicherheit nicht mehr lange besteht.

  4. Dieser Prozess hat sogar zu

    einer Tendenz hin zur „Aushöhlung“ des Industriesektors in den USA geführt.

    Sehr deutlich wird dies anhand der aktuellen Krise bei General Motors, einem

    der Flaggschiffe der US-Wirtschaft, wo kürzlich die Streichung von 30.000

    Stellen bekannt gegeben wurde. Ford sieht sich ähnlichen Problemen gegenüber,

    die symptomatisch sind für den Niedergang des Industriesektors in den USA.

    Wie wir erklärt haben, wird die US-Wirtschaft durch den Aufstieg des

    chinesischen Imperialismus relative geschwächt.

  5. Die USA sind zwar weiterhin

    die stärkste imperialistische Macht, sie sind allerdings eine Macht, die

    sich relativ auf dem absteigenden Ast befindet. Sollte sich der aktuelle

    Trend einer Kräfteverschiebung zugunsten Chinas auf Kosten der USA und der

    imperialistischen Mächte Europas fortsetzen (und es gibt viele Faktoren

    die diesen Trend verlangsamen oder durchkreuzen könnten) würde eine solche

    Entwicklungen soziale und politische Erschütterungen in den alten

    imperialistischen Ländern hervorrufen. Es würde weiters das zahlenmäßige

    und das soziale Gewicht des chinesischen Proletariats enorm steigern. Das

    politische Bewusstsein des chinesischen Proletariats befindet sich

    allerdings aktuell auf einem niedrigen Niveau.   

  6. Die Folgen der massiven

    Verlagerung von Industrie und Arbeitsplätzen nach China und anderswohin

    werfen wichtige Fragen in Bezug auf die marxistische Theorie auf. Marx,

    und vor ihm schon Adam Smith, unterschied zwischen „produktiver“ und

    „nicht-produktiver“ Arbeit. Erstere schuf neuen Wert, oder modern gesagt

    „zusätzlichen Wert“. Nicht-produktive Arbeit, obwohl oft von

    entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Kapitalismus, schafft

    keinen neuen Wert, sondern nimmt sich einen Teil des Profits, der Löhne,

    der Einkommen usw., die letzten Endes aus dem durch produktive Arbeit

    geschaffenen Wert stammen.

  7. Marx wies darauf hin dass

    der Mehrwert, der durch die Arbeit der ArbeiterInnenklasse geschaffen

    wird, in drei Teile zerfällt: Rente, Zinsen, und Profit. Nicht nur durch

    die eigentliche Herstellung wird in Laufe des Produktionsprozesses neuer

    Wert geschaffen. Aber die produktive Industrie, die verarbeitende

    Industrie und ihre Ableger sind die Hauptquelle des Wertes. Deswegen

    bedeutet der Verlust des Produktionsstandortes und aller verwandten

    Zulieferindustrien im günstigsten Fall die Abhängigkeit der stärkeren

    Industrieländer.

  8. Einige werden sich eine

    Platz als Renten-kapitalistische („Kouponschneider“) Länder schaffen, die

    sich auf „Dienstleistungen“ wie Bankwesen, Tourismus usw. spezialisieren.

    Dies kann verstärkt werden, wie es etwa in Britannien der Fall ist, durch

    Einkommen aus großen Auslandsinvestitionen, einschließlich der

    Super-Ausbeutung der Massen in der neokolonialen Welt. Gleichzeitig können

    solche Staaten auch Empfänger beachtlicher Volumen von ausländischen

    Direktinvestitionen sein, wie es in Britannien bis jetzt auch der Fall

    war.

  9. Dies bezieht sich auf die

    kurzfristige Entwicklung, es wird nicht notwendigerweise in Zukunft so

    sein. Aber für Wirtschaften, sogar für ganze Kontinente, besteht hier die

    Gefahr eines schrumpfenden Produktionsstandortes und eine Abhängigkeit von

    „Dienstleistungen“. Dies ist, in den Worten des ehemaligen britischen Premierministers

    Harold Macmillan, „Wie anderen Leuten die Wäsche reinholen“. Auf lange

    Sicht wird der Verlust wirklicher wirtschaftlicher Stärke in anderen

    Bereichen sichtbar werden.

  10. Industrielle Stärke

    widerspiegelt letztendlich diplomatische „weiche Macht“, und ab einem

    gewissen Punkt auch militärische Fähigkeiten, das Potenzial zu „harter

    Macht“. Die Aussicht darauf, dass China diese wirtschaftliche und militärische

    Macht anhäufen könnte, erweckt gerade den Widerspruch der herrschenden

    Klasse in den USA. Der anschwellende, bilaterale Handelsüberschuss Chinas

    im Handel mit den USA hat zu Konflikten in Bezug auf Textilien, Schuhe

    usw. geführt. Dies wird wahrscheinlich, zu einem bestimmten Zeitpunkt,

    auch eine unkontrollierbare protektionistische Gegenreaktion erzeugen.

    Dies steht auch im Zusammenhang mit dem Murren aus den USA angesichts des

    kontinuierlichen Aufbaus der militärischen Fähigkeiten Chinas, der

    wiederum im Zusammenhang steht mit der unersättlichen Suche nach immer

    mehr Rohstoffen um das eigene Wirtschaftswachstum anzuheizen. Dies führt

    zu einem direkten Interessensgegensatz mit der herrschenden Klasse in den

    USA, die auch an diesem „großen Spiel“, vor allem um Öl, beteiligt sind.

  11. In Asien ist die Entstehung

    eines von China angeführten Blocks gegen den japanischen Imperialismus,

    der mit den USA verbündet ist, klar zu erkennen. Dieser Konflikt hat

    bereits zu einem Erstarken des japanischen Nationalismus geführt. Die

    Auswirkungen dieser inter-imperialistischen Rivalitäten haben bereits zu

    einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen China und Putins Russland geführt

    – ironischerweise eine stärkere Zusammenarbeit als früher zwischen den

    beiden damals stalinistischen Staaten.

  12. Hinzu kommen die

    festgefahrene Doha-Runde der Handelsgespräche bei der WTO (Welthandelsorganisation)

    – dort gibt es auch einen Konflikt innerhalb des europäischen Blocks bezüglich

    Landwirtschaft, EU-Erweiterung und anderen Fragen – und es bedarf nicht

    viel Fantasie um sich eine Zukunft vorzustellen, die von vermehrten

    Konflikten und Rivalitäten geprägt ist, und durch eine Rezession in der

    Weltwirtschaft oder durch eine Verlangsamung von Wachstumsraten enorm

    verschärft werden könnte.

  13. Obwohl der Welthandel

    absolute gesehen zugenommen hat, erfährt die Weltwirtschaft in ihrer

    Erholungsphase seit 2001 eine „Wachstumsrezession“, eine geringe

    Entwicklung der Produktivkräfte und ein Scheitern am Problem der

    Arbeitslosigkeit, vor allem in Europa, wo die offizielle Arbeitslosenzahl über

    20 Millionen beträgt.

  14. In der jüngsten Periode hat

    die herrschende Klasse in den USA und in einigen anderen Ländern eine Art

    „Keynesianismus für Reiche“ praktiziert, in dem sie den Vermögenden

    Steuererleichterungen gaben. Bush hat den Superreichen in den USA

    Steuersenkungen im Wert von 700 Millionen Dollar gewehrt. Diese

    Steuersenkungen bewirken so gut wie keine Steigerung der Konsumausgaben.

    In Folge der Katastrophe rund um den Hurrikane Katrina war er gezwungen,

    ein Wiederaufbauprogramm anzukündigen.

  15. Gleichzeitig behauptet er,

    dass er die Staatsverschuldung bis zum Ende seiner Amtszeit halbieren

    wird. Diese Einsparungen sollen in erster Linie durch drastische

    Streichungen im Gesundheitswesen, bei der Sozialhilfe, beim sozialen

    Wohnungsbau und anderen Projekten erreicht werden. Anders gesagt werden

    also die Armen für diese Einschnitte bezahlen müssen. Das Aufzehren der

    Reserven des Kapitalismus wird, in einer tiefen Rezession, erneut die Möglichkeit

    mit sich bringen, dass die herrschende Klasse „die Druckpresse anwirft“

    und die Gefahr inflationärer Tendenzen eingeht. Wie in den 1970er Jahren könnten

    sie sich dem Phänomen der Stagflation gegenübersehen wenn sie zu solchen

    Mitteln greifen.

  16. Solange die aktuelle

    „Wachstumsrezession“ anhält, können die KapitalistInnen zusammenhalten;

    sich zwar von Zeit zu Zeit den ein oder anderen Schlagabtausch liefern,

    aber ohne die komplette Fragmentierung die zu einem Handelskrieg führt.

    Aber eine Rezession und sogar eine Periode des verlangsamten Wachstums

    wird zu Konflikten führen die wiederum die Probleme der Weltwirtschaft

    enorm verschärfen könnten. Der fundamentale Faktor – natürlich nicht

    sofort und nicht unmittelbar, aber in letzter Konsequenz – ist die

    Entwicklung der Produktivkräfte als Haupttriebfeder bei der Herausbildung

    des Bewusstseins, vor allem der ArbeiterInnenklasse und die Auswirkungen

    hiervon auf politische Ereignisse.

Vertrauenskrise der Bourgeoisie

  1. Auffällig an der aktuellen

    Weltlage ist, dass sich die Bourgeoisie weltweit einer Vertrauenskrise in

    noch nie da gewesenen Ausmaßen gegenüber sieht. Besonders ausgeprägt ist

    dies in den USA und Europa. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung in

    den USA, Britannien und Australien ist die katastrophale Situation im

    Irak, zusammen mit wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen. Die

    Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte ähnliche

    demoralisierende Auswirkungen auf die herrschenden Klassen in diesen und

    anderen EU-Staaten. Der Vertrauensverlust geschieht bereits vor dem Anfang

    ernsthafter ökonomischer Probleme in Form einer Rezession oder eines Abschwungs.

  2. Dies ist am Beispiel der

    wichtigsten kapitalistischen und imperialistischen Macht, nämlich der USA,

    deutlich geworden. Die neokonservative Clique, die durch die Präsidentschaft

    von George Bush regiert, ist für den US-Kapitalismus ein einziges Desaster

    gewesen. Ihre Herrschaft hat einige Parallelen, nur in einem viel größeren

    Maßstab, mit der Margaret Thatchers in Britannien vor 20 Jahren. Ihr

    „Erbe“ war eine gespaltene, polarisierte und zunehmend verarmende

    Gesellschaft, versteckt hinter der Fassade des wirtschaftlichen

    „Fortschritts“. Dies hat ihren Nachfolgern in der Konservativen Partei

    Feindseligkeit und eine Serie von Wahlniederlagen eingebracht. Die Präsidentschaft

    von Bush droht genau dieselben Folgen für die Republikanische Partei zu

    bringen, aufgrund des katastrophalen, nicht-gewinnbaren Krieges im Irak

    aber auch wegen der Art und Weise, in der die Wirtschaftspolitik gestaltet

    wurde.

  3. Die Präsidentschaft von

    Bush befindet sich nun im „freien Fall“. Sie ist nicht nur im Irak-Debakel

    verstrickt, sondern zusätzlich auch auf desaströser Weise von den

    Auswirkungen auf sozialer und auf Klassenebene nach dem Hurrikane Katrina

    beschädigt. Nun sieht sie sich Korruptionsskandalen gegenüber die möglicherweise

    bis hoch zu Cheney gehen und in denen bereits führende Republikaner

    verstrickt sind. Der aktuelle Skandal hat bereits den Kongressabgeordneten

    Robert Ney getroffen, der als „Bürgermeister von Capitol Hill“ bezeichnet

    wird, und auch Tom DeLay, der, aufgrund seiner Art, in der

    republikanischen Kongressfraktion für Disziplin zu sorgen, als „der

    Hammer“ bekannt ist.

  4. Ein Teil der herrschenden

    Klasse in den USA versucht nun der Bush-Regierung „die Flügel zu stutzen“.

    Korruption ist in der kapitalistischen Welt und innerhalb der herrschenden

    Klassen international allgegenwärtig. Dies ist zum Teil eine

    Widerspiegelung der veränderten Zusammensetzung der herrschenden Klassen,

    die international gesehen verstärkte parasitäre Züge haben, aber auch von

    der Abwesenheit von Massenparteien der ArbeiterInnen, die in der

    Vergangenheit zum Teil einige „Exzesse“ des Kapitalismus in Schach

    gehalten haben.

  5. Während die erste Amtszeit

    von Bush geprägt war von dem Versuch der Neokonservativen, die Macht des

    US-Imperialismus zum Tragen zu bringen, hat die zweite sehr deutlich die

    Grenzen dieser Macht aufgezeigt, wie wir auch in den Dokumenten zum

    letzten Weltkongress prognostiziert haben. Deutlich wurde dies nicht nur

    im Irak, sondern auch kürzlich in Argentinien auf dem Amerika-Gipfel, als

    Bushs Versuch, die Pläne für die Freihandelszone FTAA wiederzubeleben, von

    den „fünf Drachen“ (Argentinien, Venezuela, Brasilien, Paraguay und

    Uruguay) abgeblockt wurden.

  6. Francis Fukuyama war der

    Prophet vom „Ende der Geschichte“ nach dem Fall der Berliner Mauer; womit

    er sagen wollte, dass die liberale bürgerliche Demokratie die letzte Stufe

    des historischen  Fortschritts der Menschheit sei. Das ist nichts

    neues. Der grundsätzliche Fehler klassischer Ökonomen – Adam Smith und

    David Ricardo – war die Betrachtung des Kapitalismus als die natürliche

    Lebensweise der Menschheit. Für diese großen Klassiker der Ökonomie gibt

    es mildernde Umstände. Sie lebten zu einer Zeit, als der Kapitalismus „noch

    nicht voll entwickelt war, bevor der Kapitalismus alt wurde”. (Zitat

    Trotzki)

  7. Fukuyama führt auch in

    einer Phase der Krise und des Niedergangs dieses Systems solche Argumente

    ins Feld. Die USA selber sollten der hellste Stern in dieser Konstellation

    sein. Allerdings, so sagt er jetzt, „werden auf der Ebene der Eliten sich

    die Regierungschefs bemühen, aus Eigeninteresse gute Beziehungen zu

    Washington wiederherzustellen, aber auf der Massenebene hat sich die

    Wahrnehmung der USA massiv verschoben – große Teile der Welt  denken

    bei den USA nicht an die Freiheitsstatue sondern an den vermummten

    Gefangenen in Abu Ghraib.”

  8. Der Irakkrieg hat, wie auch

    jener in Vietnam, die US-amerikanische Gesellschaft erschüttert, obwohl

    die Anzahl der getöteten AmerikanerInnen bis jetzt nur ein Dreißigstel von

    der im Vietnamkrieg erreicht hat. Aber der Irak, wie auch schon Vietnam, fällt

    mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen zusammen. Diese Tatsache

    hat dazu geführt, dass bürgerliche KommentatorInnen sich darüber

    beschweren, dass „keiner den Willen oder eine Vorstellung hat“ um den ökonomischen

    Niedergang zu verhindern. Der politisch geschädigte „lahme Ente“ George

    Bush kann die drohende Katastrophe nicht abwenden. Viel schlimmer, so

    argumentieren Einige, ist die Tatsache, dass die USA dermaßen unter einem

    Mangel an bürgerlichen StrategInnen leidet, dass im Fall einer ernsthaften

    wirtschaftlichen Krise keiner von der „Statur eines Franklin D Roosevelt“

    da ist, der/die in die Bresche springen könnte um „die USA in eine

    Richtung zu lenken“.

  9. Roosevelt, so lautet die

    Argumentation, hatte damals mit seinem „New Deal“ den US-Kapitalismus

    gerettet. Aber wie Trotzki kommentierte bestand das Programm des New Deal

    größtenteils aus groß angekündigten aber begrenzten „Sozialreformen“ die

    die seit den 30er Jahren bestehende grundlegende ökonomischen Krise nicht

    beseitigten. Nur der sich abzeichnende Zweite Weltkrieg und die

    Entwicklung der Kriegsproduktion begann, die USA aus der schwerwiegendsten

    Wirtschaftskrise ihrer Geschichte herauszuziehen. Dieser Weg, ein „Dritter

    Weltkrieg“ existiert heute für den Kapitalismus nicht. Roosevelt spielte

    durch seine quasi-keynesianistischen Methoden zwar eine entscheidende

    Rolle dabei, den Anschein zu geben, als würde sich die USA in eine andere

    Richtung bewegen. Und politisch konnten seine minimalen

    Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen Teil der US-ArbeiterInnenklasse

    ruhigstellen, in dem ihnen der Glaube an eine „bessere Zukunft“ gegeben

    wurde.

  10. Heute ist es allerdings

    anders: so schreibt ein US-amerikanischer Kommentator in der Financial

    Times: „Würde eine Krise in der Größenordnung jener von 1929-32 heute die

    USA heimsuchen (es ist interessant, dass dies als Möglichkeit vorgebracht

    werden kann – I.S.), würde das Land keinen FDR finden, der mit einem New

    Deal-Programm gegen den Republikaner Herbert Hoover antritt. Sie hätten

    einen zurückhaltenden, ineffektiven Herbert Hoover von den Demokraten der

    gegen einen Republikanischen Calvin Coolidge, einen unbeugsamen

    Verteidiger der schlimmsten Aspekte des aktuellen Systems. Wären das 1932

    die Alternativen gewesen, wäre das ganze Fundament des amerikanischen

    Staates in Gefahr gewesen” (5. Oktober 2005)

  11. Die USA werden aktuell geprägt

    von einer massiven Führungskrise, einer ernsthaften ökonomischen Krise und

    auch einem Auftreten von Spannungen entlang von Klassenlinien, was

    zusammengenommen eine Zukunft voller politischer Erschütterungen für die

    USA und demzufolge auch für die Welt als ganzes bedeutet.

  12. Die Niederlagen

    Schwarzeneggers bei den Volksabstimmungen in Kalifornien stellen nur die

    Spitze des Eisbergs dar was die sozialen und Klassenbewegungen betrifft

    die in den USA bevorstehen. Die Spaltung des Gewerkschaftsdachverbandes

    AFL-CIO ist ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit den konservativen

    FunktionärInnen der US-Gewerkschaften, auch wenn noch nicht klar ist, wie

    sich diese Abspaltung entwickeln wird. Es besteht das Potential für ein

    Zusammentreffen der wachsenden Antikriegsbewegungen mit den

    Klassenbewegungen und den sozialen Bewegungen bei ökonomischen Themen. Die

    Angriffe auf die US-ArbeiterInnenklasse die gerade vorbereitet werden,

    sind beim Autoteilhersteller Delphi bereits sichtbar, die Firma hat einen

    Antrag auf Insolvenz mit Gläubigerschutz gestellt. Die Firma beschäftigt

    56.000 ArbeiterInnen in den USA und 129.000 im Ausland. Es wird eine

    Absenkung des Lohnes von 27.- auf 9.50 Dollar pro Stunde gefordert, zusätzlich

    zu Einschnitten bei der Krankenversicherung.

  13. Solche Angriffe werden zu

    heftigen Kämpfen der US-ArbeiterInnenklasse in der kommenden Periode führen.

    Das Aufkommen einer wachsenden Klassenbewegung in den USA wird eines der

    wichtigsten Entwicklungen der kommenden Periode sein, und würde auch

    international wichtige Auswirkungen haben.

  14. Die Antikriegsstimmung und

    die Katastrophe im Irak haben bereits dazu geführt, dass einige der

    Demokraten ihr „Gewissen“ wiederentdeckt haben, so dass sie plötzlich

    angefangen haben, gegen den Krieg zu sein. Der Demokratische

    Kongressabgeordnete John Murtha aus Pennsylvania, der interessanterweise

    selbst 37 Jahre bei den Marines war, hat den sofortigen Abzug der

    US-Truppen aus dem Irak gefordert. Aufgrund seiner engen Verbindungen zum

    Militär darf angenommen werden, dass er für ein Teil des Marine Corps

    spricht. Gleichzeitig unterstützt Hillary Clinton, aussichtsreiche

    Bewerberin für die Demokratische Nominierung bei der nächsten Präsidentschaftswahl,

    weiterhin den Krieg, den ihr Mann als einen „großen Fehler“ bezeichnet

    hat.

  15. Die Tiefe der Krise in den

    USA wurde auch ausgedrückt durch die beispiellose öffentliche Kritik der

    aktuellen Regierung durch zwei ehemalige Präsidenten, Bill Clinton und

    Jimmy Carter, sowie durch Teile der Republikanischen Führung wie Brent

    Scowcroft. Diese wachsenden sozialen Widersprüche in der Gesellschaft der

    USA sind dabei, sowohl die Demokraten als auch die Republikaner in den

    Augen der Massen zu diskreditieren, während der Boden für eine neue

    Massenpartei vorbereitet wird.

Nahostpolitik der USA

  1. Die wachsende Krise im Irak

    und die wachsende Antikriegsbewegung im eigenen Land hat die Frage eines Rückzugs

    der US-Streitkräfte aufgeworfen. Die irakische Regierung hat davon

    gesprochen, dass dies in einem Jahr möglich sein könnte. Ein vollständiger

    Rückzug wird aufgrund der sich verschärfenden Krise im Irak nicht möglich

    sein. Allerdings könnte eine „Verkleinerung“ auf ein Besatzungskontingent

    von ca. 100.000, in wichtigen Stützpunkten und strategischen Gebieten

    konzentriert, eine Option darstellen. Ohne eine vereinte, alle ethnischen

    und religiösen Gruppen umfassende ArbeiterInnenbewegung würde ein vollständiger

    Rückzug einen noch größeren ethnischen und religiösen Konflikt zur Folge

    haben. Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keine Aussicht auf die

    Etablierung einer stabilen bürgerlichen Demokratie. Wachsende ethnische

    und religiöse Spannungen könnten zur Aufteilung des Landes in drei

    „Staaten“ führen – möglicherweise wird das Regime Saddam Husseins durch

    drei reaktionäre und repressive Regime ersetzt werden, unter der Führung

    von drei „kleinen Saddams“. Die imperialistischen Kräfte stehen vor einem

    aus ihrer Sicht unlösbaren Problem. Den Preis dafür zahlen die Menschen im

    Irak und in der ganzen Region.

  2. Die Krise im Irak macht

    sehr deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten des US-Imperialismus für

    weitere direkte Interventionen sind. Der US-Imperialismus strebt

    offensichtlich noch im Iran und in Syrien Regimewechsel an, ist aber nicht

    in der Lage zu einem weiteren militärischen Abenteuer. Sogar eine

    Bombardierung des Iran ist, wenngleich nicht auszuschließen, doch

    unwahrscheinlich. Die Politik von Bush hat das reaktionäre, theokratische

    Regime von Ahmadinedschad auf einen noch härteren Kurs gebracht.

    Allerdings ruft der repressive Charakter seines Regimes Widerstand im Iran

    hervor und hat sich bereits überdehnt. Wie auch in Syrien setzen die USA

    ihre Hoffnungen auf eine Art Neuauflage der „Orangenen Revolution“ um

    diese Regime zugunsten US-freundlichere Regierungen zu stürzen.

  3. Gleichzeitig haben

    Ereignisse in Israel und Palästina eine neue Phase in der Krise

    eingeleitet. Die Wahl von Peretz zum Vorsitzenden der Arbeitspartei

    widerspiegelt, in verzerrter Weise, die massive Klassenpolarisierung und die

    soziale Spaltung die sich in der israelischen Gesellschaft entwickelt hat.

    Diese sehr bedeutende Entwicklung wurde teilweise überlagert durch Sharons

    Abspaltung vom Likud und der Gründung seiner neuen Partei. Dahinter steckt

    das Absterben des Osloer Friedensprozesses, das Ende der zweiten Intifada

    und die Akzeptanz der von den USA vorgelegten „Road Map“ durch einen Teil

    der israelischen herrschenden Klasse und aktuell auch durch Sharon selbst.

  4. Das alles bedeutet, dass

    Israel die eigenen Grenzen neu ziehen wird, entlang der neu errichteten

    „Sicherheitsmauer“ um „verteidigungsfähiger“ zu sein. Das beinhaltet auch

    einige Gebietsabtretungen. Es wird allerdings keine Rückkehr zu den

    Grenzen von vor 1967 sein. Die feige palästinensische herrschende Klasse

    hat, durch die Palästinenserbehörde, diese Entwicklungen begrüßt.

    Allerdings stellen sie, trotz des Abzugs aus Gaza, keinen Sieg für die palästinensischen

    Massen dar und werden den nationalen Konflikt in dieser entscheidend

    wichtigen Region nicht lösen.

  5. Die Krise in der ganzen

    Region könnte durch den andauernden Alpraum des Irakkonflikts und durch

    die explosiven Situationen die sich im Iran, Saudi Arabien und anderen Ländern

    zusammenbrauen weiter verkomplizieren. Diese Entwicklungen unterstreichen

    was für ein Desaster die US-Außenpolitik und die herrschenden Klassen der

    Region für die Menschen im Nahen Osten gebracht haben. Wir müssen unsere

    Aufmerksamkeit auf die zugrunde liegenden Klassenkonflikten richten, die

    sich in der Region entwickeln und die die Basis für eine neue Phase

    schaffen werden, in der sozialistische und revolutionäre Ideen wachsen

    werden. Die kürzlich erfolgten Streiks in Katar, den Vereinigten

    Arabischen Emiraten und Kuwait waren Vorboten hiervon.

Europa

  1. Die Ablehnung der

    EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte verheerende

    Auswirkungen auf die herrschenden Klassen Europas. Sie wurden dadurch

    demoralisiert und ihr politisches Selbstvertrauen wurde untergraben. Der

    Prozess der europäischen Integration ist ins Stocken geraten. Gleichzeitig

    sind verstärkt Spannungen und Konflikte zwischen den EU-Staaten

    aufgetreten. Ein Ausdruck hiervon sind die Konflikte zwischen Britannien

    und Frankreich über die gemeinsame Agrarpolitik sowie zwischen Britannien

    und den anderen EU-Staaten über den „Britenrabatt“.

  2. Allgemein gesehen

    stagnieren die Wirtschaften Europas, außerdem hat es einen leichten

    Inflationsanstieg gegeben. Die Inflationsangst hat zunächst zu einer

    Debatte über eine mögliche Anhebung der Zinssätze durch die EZB

    (Europäische Zentralbank) geführt. Sie haben diese Pläne zunächst fallen

    gelassen, um dann im Dezember doch die Erhöhung durchzuführen. Diese

    Politik wird die ökonomische Stagnation Europas nur verschärfen.

  3. Die neuen

    EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa haben nicht mit den westeuropäischen Ländern

    gleichgezogen. Wirtschaftswachstum hat es, wenn überhaupt, nur durch die

    Ausbeutung billiger Arbeitskräfte gegeben. Es findet eine massive soziale

    Polarisierung statt. Ein Merkmal all dieser Länder ist die mangelnde

    Stabilität in den Regierungen. Die sozialen Spannungen die sich in Polen

    entwickelt haben bringen die Möglichkeit sozialer Umbrüche mit sich. Die

    Erweiterung der EU hat mehr Instabilität und mehr Spannungen innerhalb der

    Union zur Folge gehabt.

  4. Die sich entwickelnde Krise

    in Europa findet aktuell besonders in Deutschland, Frankreich, Italien und

    Portugal Ausdruck. Entwicklungen in diesen Ländern und die aktuelle

    Streikbewegung in Belgien deuten an wie einige Elemente dieser Prozesse

    sich in der nächsten Periode in Europa entfalten werden 

  5. Die Bundestagswahlen und

    die Niederlage für Schröder, wenn auch noch nicht für sein ganzes

    neoliberales Programm, stellten einen Rückschlag für die Pläne der

    herrschenden Klasse dar. Die Entstehung der WASG war ein entscheidender

    Faktor in diesem Prozess. Die aus den Wahlen hervorgegangene CDU/SPD

    Koalition ist schwach und wird durch Spaltungen und Unentschlossenheit

    paralysiert werden. Des Weiteren wird es die Möglichkeit dafür schaffen,

    das eine noch stärkere Kraft auf dem Prozess der Formierung einer neuen

    linken Kraft aus der WASG, der Linkspartei.PDS und anderen Kräften und

    AktivistInnen hervorgeht. Dies könnte von betrieblichen Aktionen gegen

    Betriebsverlagerungen, Lohnkürzungen und die Zunehmenden Angriffe auf die

    ArbeiterInnenklasse durch die Große Koalition begleitet werden.

  6. Es gibt sogar eine vage

    Wahrnehmung seitens einiger bürgerlicher KommentatorInnen dass die

    neoliberale Offensive in Deutschland, zu diesem Zeitpunkt, in der von

    ihnen beabsichtigten und erhofften Form nicht durchgeführt werden kann.

    Vor den Wahlen hoffte die Bourgeoisie auf eine CDU-geführte Regierung um

    weiter zu gehen als Schröder, dessen neoliberale Maßnahmen in seiner

    Partei und in den Gewerkschaften auf Widerstand gestoßen waren. Sie

    erwarteten einen klaren Sieg für eine CDU-geführte Regierung, die dann auf

    Konfrontationskurs mit der ArbeiterInnenklasse gehen würde. Das

    Wahlergebnis war eine Niederlage für diese Perspektive.

  7. Die Schwäche der Regierung

    und das Potential für eine baldige Krise fanden auch bei der Wahl

    Merkels zur Kanzlerin Ausdruck: 51 Abgeordnete der Regierungskoalition

    stimmen gegen sie! Selbst innerhalb der CDU sieht sich Widerspruch gegenüber,

    einige wichtige Ministerpräsidenten haben es abgelehnt, in ihrem Kabinett

    mitzuarbeiten.

  8. Im Wahlkampf versprach

    Merkel die Einkommenssteuer zu senken und die Mehrwertssteuer zu erhöhen.

    Eine ihrer ersten Ankündigungen nach der Amtsübernahme war die Erhöhung

    der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte, als Versuch, das Defizit von 35

    Milliarden Euro zu reduzieren. Der deutsche Imperialismus hat den „Erfolg

    der Einheit“ teuer bezahlen müssen, sowohl politisch als auch

    wirtschaftlich. Ostdeutschland hat seit 1991 1.300 Milliarden Euro an

    Subventionen erhalten, gleichzeitig beträgt die Arbeitslosenquote immer

    noch 18,4%. Diese Steuererhöhungen werden nicht das Wachstum fördern, die

    Konsumausgaben in Deutschland sind niedrig. Vielmehr werden die Tendenzen

    hin zu einer Rezession verstärkt werden.

  9. Die Schröder-Regierung hat,

    durch die Gewerkschaftsführungen, eine verbreitete und generalisierte

    betriebliche Bewegung gegen die Agenda 2010 verhindert. Es wird dieser

    schwachen Koalition der Verlierer (weil alle an der neuen Regierung

    beteiligten Parteien bei den Wahlen Stimmen verloren haben) wesentlich

    schwerer fallen, die ArbeiterInnenklasse in Schach zu halten. Bereits

    jetzt gibt es Wut aufgrund der Angriffe gegen BeamtInnen, und es hat auch

    einige lokalen Streiks defensiver Art gegangen. Diese weisen darauf hin

    dass die Machtübernahme dieser Koalition eine neue Phase in der Krise in

    Deutschland einleiten wird, in der es zu einer verallgemeinerten Bewegung

    gegen die neoliberalen Maßnahmen der Regierung kommen könnte.

  10. Die neoliberalen Angriffe

    gegen die ArbeiterInnenklasse haben in Frankreich, Spanien, Italien,

    Deutschland, Belgien und Portugal eine unruhige Phase eingeläutet. Auf dem

    ganzen Kontinent brodelt es. Der erste Instinkt der Bourgeoisie angesichts

    sozialer Unruhen ist, dem Druck nachzugeben. Einige bürgerlichen

    StrategInnen haben im Fall Deutschlands argumentiert, dass die Art von

    frontalen Angriffen, die von Schröder gestartet und von Merkel versprochen

    wurden, zu sozialen Unruhen führen könnten, und mahnen deswegen zur

    Vorsicht. Daher wird eher „von unten“, also in einem Industriezweig und

    einem Betrieb nach dem anderen, angegriffen, anstatt zu diesem Zeitpunkt

    eine volle Offensive auf nationaler Ebene zu starten. Es findet ein

    konzentrierter Versuch statt, das System von Tarifverträgen zu brechen.

  11. In Frankreich reagierte de

    Villepin auf den erfolgreichen Generalstreik im Oktober in dem er sagte,

    er würde “zuhören“. Das alles bedeutet nicht, dass sich die Bourgeoisie

    leicht von ihrer neoliberalen Politik abbringen lassen wird, aber

    Widerstand der Massen kann einen vorübergehenden Rückzug erzwingen, wie es

    vor allem im Kampf um die Renten in Britannien, aber auch anderswo,

    deutlich geworden ist.

  12. Des Weiteren ist es möglich,

    dass, wenn es zu einer Implosion der Weltwirtschaft kommt, die

    Auswirkungen so gravierend sein könnten, dass die Bourgeoisie zumindest

    vorübergehend diese Pläne auf Eis legt, zugunsten verstärkter

    Staatsinterventionen und außerdem auch um den Preis wachsender  Inflationsraten

    auf höhere Staatsausgaben setzt. Eine Phase, in der dies zum dominanten

    Trend innerhalb der herrschenden Klassen wird, ist zu einem zukünftigen

    Zeitpunkt unvermeidbar. Aber wie bereits angedeutet ist der Spielraum für

    klassische keynesianistische Methoden eingeengt, sie können nur zum Preis

    steigender Inflation eingeführt werden.

  13. Der Ausbruch massiver

    Krawallen in Frankreich war eine Reaktion auf die neoliberale Politik von

    Chirac und deVillepin sowie die katastrophalen sozialen Bedingungen in den

    Ghettos, die es am Rande der meisten französischen Städte gibt. Sie

    widerspiegeln die tiefen sozialen Gegensätze und Klassengegensätze und

    auch den aggressiven Rassismus des französischen Staates. Diese sozialen

    Unruhen waren keine „rassischen oder ethnischen“ Bewegung wie es die französischen

    Rechten behauptet haben. Sie waren eine Explosion der Wut der ärmsten und

    am stärksten unterdrückten Schichten der Gesellschaft – darunter auch eine

    Schicht von armen Weißen.

  14. Es war eine rudimentäre

    Bewegung derjenigen, die keinen politischen Ausdruck für ihre Wut haben. Für

    einen solchen Wutausbruch ist der französische Kapitalismus verantwortlich,

    ebenso wie die herrschende Klasse und die Sozialistischen und

    Kommunistischen Parteien die die ArbeiterInnenklasse und die Jugend de

    facto verlassen haben. Es ist auch ein Armutszeugnis für LCR und LO, die

    es - jeweils aus opportunistischen bzw. aus sektiererischen Motiven heraus

    - versäumt haben, eine politische Alternative aufzubauen die die Wut und

    die Empörung, der an den Unruhen beteiligten Jugendlichen, kanalisieren könnte.

  15. Die französische Regierung

    hat dennoch diese Ereignisse als Rassenunruhen dargestellt und versucht,

    sie zu nutzen um rassistische Stimmungen zu schüren. Sie hat mit brutaler

    Repression reagiert, unter anderem mit dem Verhängen des Ausnahmezustandes

    (zum ersten Mal seit 1961 für einen längeren Zeitraum) und mit

    Ausgangssperren. Diese wurden selektiv in 30 Bezirken verhängt. Im

    Zusammenhang damit wurden CRS (Bereitschaftspolizei), Polizisten auf der

    Straße, Hubschrauber und Ausgangssperren eingesetzt. Es gab über 3.000

    Festnahmen, unter anderem auch von Eltern von Jugendlichen, die an den

    Unruhen beteiligt waren.

  16. Der Griff zu solchen

    Mitteln ist ein Ausdruck der halb-bonapartistischen Charakterzüge des

    französischen Staatsapparates. Gleichzeitig werden repressive und

    anti-demokratische Maßnahmen auch durch andere Staaten ergriffen, etwa in

    Britannien, in den USA, Australien und in anderen Ländern.

  17. Bis jetzt haben Britannien,

    Irland und Schweden eine de facto „Politik der offenen Tür“ in Sachen

    Einwanderung betrieben. Dies geschah mit dem Ziel, Arbeitskräfte aus

    anderen Ländern zu holen um sie als billige Konkurrenz zur Senkung der Löhne

    einzusetzen. Die erbitterten Kämpfe der Besatzungen von Fähren auf Korsika

    und in Irland zeigen die Wichtigkeit die diese Frage in der kommenden

    Zeitperiode haben wird.

  18. In der gesamten EU wird

    sich die Praxis des Missbrauchs migrantischer Arbeitskräfte, um Löhne und

    Arbeitsbedingungen zu drücken, noch weiter ausbreiten. Die dramatischen

    Auswirkungen dieser Veränderungen könnten bedeuten, dass Einwanderung und

    Rassismus zentrale Themen werden. Es ist möglich dass sich die Ängste der

    ArbeiterInnen in den betroffenen Ländern verstärkt werden, und von

    rechtsextremen Kräften benutzt werden könnten, um rassistische Stimmungen

    und Ressentiments zu schüren..

  19. In einigen Ländern hat die

    extreme Rechte Wahlniederlagen erlitten, zum Beispiel in Österreich. Es

    war bedeutsam dass bei der Bundestagswahl das Bündnis aus WASG und PDS

    einen Wahlerfolg der extremen Rechten verhinderte. Dies bedeutet aber

    nicht dass die Gefahr gebannt ist. Wahlerfolge rechtsextremer Kräfte könnten

    wieder drohen, vor allem vor dem Hintergrund einer Verschlechterung der

    wirtschaftlichen Lage, indem sie auf die Ängste der ArbeiterInnen

    anspielen und rassistische Stimmungen und Gefühle zu schüren, besonders

    da, wo es keine starke linke oder sozialistische Alternative gibt.

  20. Wir müssen darauf

    vorbereitet sein, die Frage des Rassismus aufzugreifen und, insbesondere

    in den Ländern für die es relevant ist, es zu einem zentralen Bestandteil

    unserer Jugendarbeit zu machen. Es wird notwendig sein, in unseren

    Kampagnen vor allem zwei Themen in den Vordergrund zu stellen, um den

    Rassismus zu bekämpfen. Auf der einen Seite die Arbeit innerhalb der

    ArbeiterInnenbewegung um migrantische ArbeiterInnen für die Gewerkschaften

    und ArbeiterInnenorganisationen zu gewinnen und um für sie die üblichen Löhne

    und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Anderseits wird auch eine Kampagne

    gegen Rassismus, reaktionären Nationalismus und ethnische Vorurteile

    notwendig sein.

  21. Das Wesen des Wutausbruchs

    in Frankreich erlaubte es der Regierung zunächst, verstärkte Unterstützung

    für ihre repressiven Maßnahmen zu erhalten. Es ist allerdings nicht Chirac

    der davon profitiert hat sondern de Villepin und Sarkozy. Obwohl

    ArbeiterInnen und Jugendliche verstehen, dass die Ursachen der Krawallen

    in den sozialen Bedingungen und dem Rassismus des Staates liegen, unterstützen

    laut einer CSA-Umfrage 68% die Verlängerung des Ausnahmezustandes. In der

    selben Umfrage waren sogar 75% der WählerInnen von LCR und LO für den

    Ausnahmezustand.

  22. Solche Stimmungen sind aber

    eine temporäre Reaktion auf die Krise und sie können sich rapide verändern,

    vor allem in Frankreich, während die Regierung versucht, weiter ihre

    neoliberale Politik zu betreiben. Die PSF hat in der aktuellen Krise einen

    Schwenk nach „links“ gemacht. Sie ist aber nach wie vor eine bürgerliche

    Partei und stellt keine Alternative für die ArbeiterInnenklasse dar. 69%

    glauben dass die PSF die nächsten Wahlen nicht gewinnen kann, ein ähnlicher

    Prozentsatz meint, dass die PSF die selbe Art von Politik wie die aktuelle

    Regierung betreiben würde, wenn sie jetzt an der Regierung wäre. Die

    Erfahrungen mit der letzten „sozialistischen“ Regierung sind immer noch im

    Bewusstsein der Massen präsent..  

  23. Diese Erfahrungen in

    Deutschland und Frankreich sind für die sich entfaltende Lage in Europa

    von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig sind andere Länder in eine Phase der

    Krise und der sozialen Zerwürfnisse eingetreten. Italien ist der kranke

    Mann Europas sowohl ökonomisch als auch politisch. Die Regierung Berlusconis

    ist in einer Krise nach der anderen verstrickt und hat nun versucht sich

    dadurch zu retten, dass sie einfach das Wahlsystem für die im April

    stattfindenden Parlamentswahlen so verändert, dass sie ihre Chancen auf

    den Verbleib im Amt verbessert.

  24. Trotz dieser Änderungen

    zeigen die Umfragen dass es eine starke Wahrscheinlichkeit gibt, dass das

    oppositionelle Mitte-Links Bündnis „Union“ diese Wahlen gewinnen wird. Es

    ist nicht ausgeschlossen, dass Einige in der Führung der PRC die

    verzweifelte anti-Berlusconi Stimmung als Vorwand benutzen werden, um über

    eine Unterstützung des Mitte-Links Bündnisses hinaus zu gehen und

    eventuell einer Mitte-Links Regierung beizutreten. Wenn sie das machen,

    dann werden wir dagegen opponieren müssen. Eine solche Entwicklung würde

    zu einem gewissen Zeitpunkt eine neue Krise in der PRC heraufbeschwören,

    wenn eine neue Mitte-Links Regierung mit der ArbeiterInnenklasse und der

    Jugend in Konflikt gerät..

  25. Portugal steht, angesichts

    einer verzweifelten wirtschaftlichen Situation, mit Sicherheit an der

    Schwelle einer sozialen Explosion. Zusammen mit der Streikwelle in Belgien

    und der sich entwickelnden Opposition gegen die Regierung Blair in

    Britannien weisen diese Ereignisse auf eine explosivere und günstigere

    Situation die sich in Europa entwickelt hin, in der wir unsere Sektionen

    aufbauen und stärken können.

Schlussfolgerungen und Aufgaben

  1. In Europa und international

    ist es klar, das eine neue und günstigere Phase zunehmender

    Schwierigkeiten für den Kapitalismus und wachsender Stimmung für

    Widerstand durch die ArbeiterInnenklasse nun begonnen hat. Die nächste

    Periode wird unvermeidlich auch viele widersprüchliche Merkmale haben, die

    zur Folge haben, dass die ArbeiterInnenklasse durch Kämpfe, Organisation

    und politisches Bewusstsein Fortschritte macht, während es gleichzeitig

    andere Komplikation und Rückschläge gibt. Allerdings bieten sich neue und

    größere Möglichkeiten die unseren Sektionen Gelegenheiten geben werden

    wichtige Fortschritte zu machen, unseren Einfluss zu stärken und die

    Mitgliedschaft vieler unserer Sektionen zu stärken.

  2. Es wird nötig sein, dass

    unsere Sektionen unsere Interventionen schärfen und kühne Initiativen

    ergreifen. Wir werden in der Lage sein, in den sich entwickelnden Klassenkämpfen

    eine wichtige Rolle zu spielen, wenn wir auf korrekter Weise

    intervenieren. Dies ist deutlich geworden an dem Beispiel der großartigen

    Intervention von Joe Higgins und den GenossInnen in Irland beim

    Arbeitskampf der Beschäftigten von Irish Ferries. Es ist besonders wichtig

    dass wir bei solchen Interventionen nicht nur unser allgemeines Programm

    und unsere Methoden erklären. Wir werden in der Lage sein, einen großen

    Einfluss in Kämpfen der ArbeiterInnenklasse zu haben wenn wir richtige und

    spezifische Vorschläge machen, wie die stattfindenden Kämpfe organisiert

    und geführt werden können. Wenn wir in betrieblichen und sonstigen

    Bewegungen intervenieren, müssen wir gewährleisten dass unsere Taktik und

    unsere Forderungen auf allen Ebenen der Sektionen vollständig diskutiert

    und bilanziert werden.

  3. Die nächste Periode wird

    uns viel bessere Möglichkeiten bieten, unsere Sektionen aufzubauen, als es

    irgendwann in Laufe des letzten Jahrzehnts der Fall war. Wir müssen uns

    auf schnelle Veränderungen und Sprünge im politischen Bewusstsein gefasst machen

    und bereits sein, die notwendigen Schritte zu unternehmen um zu

    intervenieren, wenn solche Veränderungen stattfinden.

  4. Das CWI hat keine

    allgemeingültige Taktik die in jedem Land angewendet wird ohne die

    spezifischen vorherrschenden Bedingungen zu berücksichtigen. Allerdings drängt

    sich in vielen Ländern die Frage des Bedürfnisses nach neuen

    ArbeiterInnenparteien als zentrale Frage auf. Es ist von entscheidender

    Wichtigkeit dass unsere Sektionen die Taktiken, die wir anwenden müssen,

    um mit dieser wichtigen Frage umzugehen, immer wieder überprüfen und

    bilanzieren.

  5. Die Wenden hin zur WASG in

    Deutschland und zur P-SOL in Brasilien haben bereits wichtige Gewinne für

    die jeweiligen Sektionen gebracht. Die Initiativen die wir in Britannien

    und Belgien gestartet haben um große Kampagnen zum Aufbau neuer

    ArbeiterInnenparteien anzustoßen, zeigen die Art von Initiativen, die wir

    ergreifen müssen, wenn es nötig ist.

  6. Vor allem ist es wichtig,

    dass alle Sektionen besondere Aufmerksamkeit der Gewinnung und Ausbildung

    einer neuen Generation von GenossInnen widmen. Die Intensivierung der

    Jugendarbeit muss eine der Hauptprioritäten unserer Sektionen sein. Wir müssen

    besondere Maßnahmen ergreifen um die neue Generation von Mitgliedern

    politisch zu integrieren und zu entwickeln. Dies muss die wichtigste

    Priorität in der Arbeit aller Sektionen und Mitglieder in der nächsten

    Periode sein.

  7. Die nächste Periode wird

    und wesentlich bessere Gelegenheiten geben um unsere Sektionen zu stärken

    und um die Bekanntheit des CWI zu steigern.

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