Thatcher ist tot – Der Neoliberalismus lebt

Trotz Banken- und Wirtschaftskrise und Tod der Eisernen Lady setzen die Herrschenden auf Neoliberalismus
Jan Rybak

Als Margaret Thatcher und Ronald Reagan Ende der 1970er/Anfang der 1980er-Jahre mit Privatisierungs- und Kürzungsprogrammen antraten, nannte man das noch „Monetarismus“. Im Mittelpunkt stand die monetäre Stabilität der jeweiligen Länder, die durch genannte Maßnahmen zu erreichen sei. Mehr als dreißig Jahre später, Millionen Arbeitslose und Milliarden Profite mehr, kurz nach einer Banken- und mitten in einer Wirtschaftskrise, macht es Sinn, kurz Bilanz zu ziehen. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien sind ebenso wie alle anderen Länder in einer tiefen Staatsverschuldung gefangen. Die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und Betriebe hat weder zu deren Sanierung noch zu einer Verbesserung geführt. Der Abbau ehemals gut bezahlter (Industrie-)Arbeitsplätze und, wie im Falle Großbritanniens, die Zerstörung fast der gesamten Industrie sind Resultate dieser Politik. Gleichzeitig wurden die Finanzmärkte mit aus der sogenannten „Realwirtschaft“ abgezogenem Kapital versorgt. Dem Kollaps der Märkte ab 2008 ging deren rasanter Aufstieg in den Jahrzehnten davor voraus.

Angesichts dieser eindeutigen Bilanz machte sich auch das Feuilleton bürgerlicher Zeitungen in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Weg, um den Neoliberalismus zur letzten Ruhe zu betten. Die an Keynesianismus erinnernden Maßnahmen der Regierungen (wie Stimulationspakete und Bankenverstaatlichungen) wurden als Bruch mit dem Neoliberalismus gedeutet. Diese „Erkenntnis“ hätte aber schon anhand der Wortwahl revidiert werden können. So wurde die erste Bankenverstaatlichung im Zuge der Krise (Royal Bank of Scotland 2008/09) wurde von der Regierung treffend als „pre-privatisation“ bezeichnet. Öffentliche Gelder wurden verwendet, um private Profite zu retten, die Bank zu sanieren und sie ehestmöglich zu reprivatisieren. Auch in staatlicher Hand unterscheidet sich die Finanzgebarung der RBS und aller anderen (teil)verstaatlichten Banken nicht von „normalen“ kapitalistischen Privatbanken. Es ist also zu früh für das letzte Geleit (sieht man von Baronesse Thatcher ab).

Auch Österreich war und ist keine Insel der Seligen. Mit Privatisierungsprogrammen und „Sparpaketen“ startete die sozialdemokratisch geführte Regierung bereits in den 1980er Jahren. Auch die 1990er waren eine Zeit des fröhlichen Sozialkahlschlags und der Veräußerung öffentlichen Eigentums. Ab 2000 begannen ÖVP und FPÖ/BZÖ die Überbleibsel zu veräußern. Während man gleichzeitig ParteifreundInnen mit Posten versorgte und auf Jahrzehnte hinweg Arbeitsplätze in der Korruptionsstaatsanwaltschaft sicherte wurde keines der postulierten Ziele erreicht. Es gab kein Nulldefizit und keinen dynamischen Wirtschaftsaufschwung. Dafür Arbeitslosigkeit und Milliardenprofite. Noch heute bilanziert ÖVP-Generalsekretär Rauch die Privatisierungen als „Erfolgsstory“ und will diese „ohne Scheuklappen“ weiterführen. Aber Neoliberalismus bedeutet heute nicht mehr schlicht Privatisierung. Die strukturelle Unterfinanzierung zentraler öffentlicher Bereiche (wie Bildung, Gesundheit und Pflege) führt zur Entwicklung eines privaten Sektors in den jeweiligen Bereichen und damit zu einer Privatisierung über die Hintertür. Wenn öffentliche Schule und Krankenhäuser versagen, gibt es Nachfrage für private Angebote – wer es sich leisten kann, sichert sich gute Bildung und Gesundheitsvorsorge. Privat, versteht sich. Dass der Neoliberalismus nicht der Vergangenheit angehört, zeigt sich jeden Tag. Der Widerstand gegen ihn muss darum auch weitergehen.

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