Taxi Orange

Brot und Spiele
Martin Birkner

Brot und Spiele sind seit der Antike unverzichtbarer Bestandteil jeder Herrschaftsideologie. Selbst wenn sich die Produktionsverhältnisse seither fundamental verändert haben; der Grund des Spektakels, von den Gladiatorenkämpfen bis zu Taxi Orange, ist doch im wesentlichen der gleiche geblieben: das Herstellen von Einverständnis mit den herrschenden Zuständen – diesmal nicht mit der Peitsche sondern mittels Zuckerbrot.

Der “bessere Privatsender” ORF kopiert also den grossen Bruder und sorgt mittels Wiener Schmäh und heimatlicher Gemütlichkeit für einen Ausgleich zum parallelen “fremdländischen” Robinson-Abenteuer. Die Demokratie ist wiederhergestellt, die Regierung vergessen, alle dürfen anrufen, Dodo Rosic ist Klestil.
Die Fakten: Ein kapitalistisches Unternehmen ist zu führen; die TeilnehmerInnen sind angehalten, exakt dem Durchschnittsgeschmack des Publikums anzupassen, DER Angepassteste wird gewählt (angeblich nicht sehr demokratisch!!!) und darf eine Konkurrentin bzw. einen Konkurrenten rauswerfen; viel echtes (Privat)Leben; Liebe; Tränen. Die Taxi-Orange-“Ellbogengesellschaft”, ein Synonym für sozialdarwinistische Gesellschaftskonzepte (“survival of the fittest”), passt schön zur Ellbogenregierung.

Nur ja nicht zu ernst

Bei Taxi Orange werden die TeilnehmerInnen von Informationen über Politik und Gesellschaft bewußt abgeschnitten, diskutiert werden soll ja nicht über so perfide Dinge wie Sozialabbau, Rassismus, Antisemitismus, etc. Die Frauen des “TXO” haben erkannt, dass sie diskriminiert werden. Nicht nur in der Show! Das genügt, weiter zur Werbung. In einer Gesellschaft des standardisierten Massengeschmacks kann Marktanteile nur gewinnen, wer sich an den beiden Extremen der Mittelmäßigkeit – “lebensnahe” Gewalt inklusive viel Blut oder die totale Belanglosigkeit des “Privaten” - orientiert, ohne das ganze Spektakel in Frage zu stellen. Arbeitsbedingungen von TaxilenkerInnen, der mehr als nur latente Rassismus österreichischer Durchschnittstaxler, die rassistischen Übergriffe auf ausländische TaxilenkerInnen, werden bewußt ausgeklammert. Zuwenig Unterhaltungswert. KeinE TeilnehmerIn von Taxi Orange ist “AusländerIn”, doch wen wundert´s, hat doch ein “schwuler” Teilnehmer ohnehin schon die nötige Exotismus-/Pluralitätsrate sichergestellt.

Alles durchorganisiert

Das Ende der Dichotomie von Hoch- und Populärkultur führte zum Phänomen einer durchkapitalisierten Massenkultur. Technische Möglichkeiten führten zu immenser Verbreiterung (massen-)kultureller Inhalte. Die Möglichkeit, breiten Bevölkerungsschichten die Teilhabe am “kulturellen Diskurs” zu ermöglichen, wurde durch die Standardisierung des Massengeschmacks durch den Kapitalismus mehr als nur überlagert (“Das Leben ist ein Hit”). Seit der halbherzige “Bildungsauftrag” öffentlich-rechtlicher Medien endgültig dem “Quotanauftrag” gewichen ist, zeichnet sich immer klarer die Notwendigkeit des Aufbaus alternativer Medienstrukturen auf. Bespitzelt aber wird überall.

PS: Das Screenshots-Magazin gibt´s am Zeitungskiosk, der D-Wagen ist manchmal orange und der Media-Markt hat die Taxi Orange-CD sicherlich besonders billig abzugeben...

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