Steuergeld verspekuliert: Salzburg ist überall

Am Salzburger Finanzskandal offenbart sich die Unfähigkeit kapitalistischen Wirtschaftens.
Franz Neuhold

Es wäre alles so einfach: Eine Referatsleiterin der Finanzabteilung hat durch riskante Transaktionen viel Steuergeld versemmelt bzw. riskiert. Eine Einzeltäterin, quasi. Mittlerweile ist diese Darstellung der SPÖ-Spitze kollabiert. Dem Finanzbeirat lagen seit 2008 entsprechende Berichte vor. Eng wird's vor allem für SPÖ-Kronprinz Brenner. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Übrigens ist es keineswegs ein reiner SPÖ-Skandal. 2003 war es ÖVP-LH-Stellvertreter Eisl, durch den die Referatsleiterin alle Vollmachten für Risikogeschäfte bekommen hat. Ihr unmittelbar Vorgesetzter, der nunmehr suspendierte Paulus, gilt als ÖVP-nah.

Es wäre jedoch unzureichend, dieses Desaster mit der Abgehobenheit und Dummheit so mancher PolitikerInnen der bürgerlichen Parteien erklären zu wollen. Salzburg ist kein Einzelfall. In den letzten Jahren wurden bei Ländern und Gemeinden Fälle von Spekulation und entsprechender Verluste bekannt. Und auch wenn es mal „gutgeht“ ist das nur die Ausnahme von der Regel. Damit gehen Methoden „kreativer Buchführung“ einher. Die neuen gesetzlichen Beschränkungen werden daran kaum etwas ändern! Die Gelder, welche über den Finanzausgleich (= Verteilung der Steuergelder) verfügbar sind, reichen nicht mehr. „Viele soziale Aufgaben werden zunehmend vom Bund auf Länder, Städte und Gemeinden verlagert. Das bringt die Städte und Gemeinden mitunter in eine prekäre Situation.“ (Zitat Öst. Städtebund). Um Engpässe oder gar Pleiten abzuwenden, sucht man sein Heil in jenen Bereichen, in die sich auch große Konzerne und Banken stürzen.

Kapitalistisches Wirtschaften kann unsere moderne Gesellschaft nicht mehr weiterentwickeln. In der gegenwärtigen Krise werden die dem Kapitalismus zugrunde liegenden Tendenzen offensichtlich:

Untergrabung der industriellen Produktion: Aufgrund mangelnder Planung werden im Kapitalismus zu viele Waren hergestellt. Dabei sind dies oftmals nicht jene Güter, die die Menschen wirklich benötigen oder sich leisten können. Daraus folgt Überproduktion und damit kombiniert ein Überangebot an Kapital, welches nicht mehr profitabel investiert werden kann. Das manifestiert sich im Trend, dass immer weniger Menschen in der Produktion arbeiten. Dies drückt das Verhältnis von realisierbarem Profit im Verhältnis zur Investition weiter. Als Folge gibt es einen weitreichenden „Investitionsstreik“ der Unternehmen und eine Erhöhung der Instabilität an den Finanzmärkten aufgrund verstärkter Spekulation mit überschüssigem Kapital. Für Staaten und deren Budgets bedeutet dies zunehmende Verschuldung aufgrund sinkenden Wachstums. Im Vergleich zu den 50er Jahren muss heute eine etwa 5-fache Verschuldung für gleiches Wachstum in Kauf genommen werden. Hinzu kommen immer weniger Steuereinnahmen aus Vermögen und Besitz. Genau hier liegt Österreich weit unter dem EU-Schnitt. Zig Milliarden werden in steuerschonenden Stiftungen gebunkert. Garniert wird die Lage mit Korruption, Querelen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und der Tatsache, dass alle bürgerlichen Parteien sich am Interesse der Reichen und Unternehmen und nicht am Wohle der Bevölkerungsmehrheit (ArbeitnehmerInnen und Arbeitslose) orientieren.

Dass es auch völlig anders geht, zeigt Liverpool in den 80er Jahren. Der Finanzausgleich zwischen britischer Zentralregierung und den verarmten ehemaligen Industrie-Hochburgen lief über viele Jahre zuungunsten Liverpools. Die neoliberale Regierung Thatcher leitete Geld hauptsächlich in jene privilegierten Gebiete, wo sie sich eine Mehrheit bei Wahlen erwartete. 1984 brach die damalige Vorgängerorganisation der englischen Schwesterpartei der SLP in Liverpool im Bündnis mit anderen Linken die Mehrheit der Labour Party und gewann Wahlen. Der nunmehr von echten SozialistInnen geführte Stadtrat setzte ein Programm um, welches mit der kapitalistischen Logik brach. Anstatt zu spekulieren, mobiliserte er Tausende zu Stadtteilversammlungen, Demos und Streiks, um einen höheren Finanzausgleich zu erkämpfen. In der Zwischenzeit handelte er: 5.000 neue Sozialwohnungen wurden gebaut, im Öffentlichen Dienst wurde (bei vollem Lohn) die Arbeitszeit verkürzt und Kindergärten und Schulen ausgebaut. Die getätigten Maßnahmen und Finanzierungsmodelle wurden transparent gemacht. Die Einbindung der betroffenen Menschen in die politische Gestaltung war von Anfang an ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur Politik der bürgerlichen Parteien. Mittels undemokratischer Gesetze aus der Zeit der Monarchie konnte Thatcher die Stadtregierung letztlich entmachten. Die Labour-Führung hatte mehr Angst vor der linken Opposition als vor dem Neoliberalismus. Anstatt Liverpool zu unterstützen und landesweit eine Alternative zu bieten, half sie Thatcher. Heute ist Labour, wie die SPÖ, eine kapitalistische Partei wie jede andere.

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