Spinnen die ItalienerInnen?

Sonja Grusch

Knapp 19 Millionen Menschen haben in Italien für das Wahlbündnis von Berlusconi gestimmt. 19 Millionen haben ihre Stimme einem Mann gegeben, der offensichtlich denkt, er sei der Nabel der Welt, der sich das Gesetz zurechtbiegt, um nicht ins Gefängnis zu müssen, der WählerInnen beschimpft und Unwahrheiten verbreitet. Sind 19 Millionen ItalienerInnen verrückt?
Ähnliches haben sich Viele nach dem Wahlerfolg der ÖVP 2002 gefragt. Blau-Schwarz hatte eine Welle von Angriffen gefahren, es wurde privatisiert, bei den Arbeitslosen gekürzt, die Anzahl der LehrerInnen reduziert und ein Mann als Frauenminister eingesetzt. Und trotzdem fuhr die ÖVP einen historischen Wahlsieg ein. Sind 42,3 % der österreichischen WählerInnen masochistisch?
Die Antwort ist simpel: sie sind weder verrückt noch masochistisch, auch nicht dumm oder vergesslich. Im Gegenteil: die italienischen WählerInnen können sich noch an die letzte Prodi-Regierung und ihren Sozialabbau erinnern. Die österreichischen WählerInnen haben die Sparpakete der letzten SPÖ-geführten Regierung auch nicht vergessen.
Sehr häufig haben es die WählerInnen mit einer negativen “Qual der Wahl” zu tun: keine der kandidierenden Parteien vertritt ihre Interessen. In Italien gibt es eine linke Partei - die PRC (Partito della Rifondazione Comunista - Partei der kommunistischen Wiedergeburt). Sie hat bei diesen Wahlen zugelegt. Aber sie ist auch Teil von Prodis Mitte-Links-Bündnis. Die PRC-Führung unter Bertinotti hat einen schwammigen Wahlkampf unter dem Motto “Wetten, dass sich Italien wirklich verändern kann!” betrieben. Und geiert nun nach hohen Posten. Der Streit im Mitte-Links-Bündnis wird auch von der PRC zur Zeit nicht um Inhalte, sondern um Posten geführt. Die ItalienerInnen brauchen nicht eine weiter Partei, die sich an den Notwendigkeiten der Wirtschaft orientiert und faule Kompromisse eingeht. Wenn die PRC das macht, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein rechtes Bündnis - mit oder ohne Berlusconi - wieder an die Macht kommt. Nicht weil ihr Programm besser wäre oder es den fescheren Spitzenkandidaten hat, sondern weil es beim Wählen immer mehr darum geht, die letzte Regierung zu bestrafen. Weil die Unterschiede zwischen den neoliberalen Privilegienrittern immer kleiner werden. Die Phrasen von Schüssel und Gusenbauer unterscheiden sich ja auch nicht wirklich …

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