Semperit: Lernen aus der Vergangenheit

Kämpfen heißt die Zukunft!
Michael Gehmacher

Seit langem ist Semperit in Traiskirchen das Thema öffentlicher Debatten. Spätestens seit 1996, als das Werk erstmals ernsthaft von der Schließung bedroht war und eine Welle der Empörung durchs Land ging. Seitdem ist Semperit für viele Menschen zu einem Symbol für die Auswirkungen der "Gloablisierung" geworden. Schließlich war es auch die drohende Werksschließung, durch die die Debatte über die "Globalisierungsfalle", so der Titel eines Bestsellers, in Österreich Einzug hielt. Semperit bedeutet aber noch mehr: Den offensichtlichen Sieg der Wirtschaft über die etablierte Politik und eine falsche, zu zögerliche Gewerkschaftspolitik.

Semperit-Traiskirchen gehört zum deutschen Multikonzern Continental. 1985 kaufte der Multi das Werk aus dem Abverkauf der damals noch im Staatsbesitz befindlichen Creditanstalt. Zusätzlich als kleine Draufgabe streifen sie von der damaligen SPÖ-FPÖ Regierung noch ordentliche Subventionen ein.

"Blauer Brief" vom Weihnachtsmann

Die Herangehensweise, mitten in der Weihnachtszeit lapidar bei einer Pressekonferenz die Werksschließung anzukündigen spricht Bände. War man/frau 1996 auch von Seiten der Konzernleitung noch zögerlich und zumindest nach außen verhandlungsbereit, gab es jetzt gleich gar nichts mehr zu diskutieren. Das zeigt, vor wem sich der Continental-Vorstand am wenigsten fürchtet - den österreichischen Gewerkschaften!
Bereits Anfang der 90er wurde deutlich, dass Continental dem Werk in Traiskirchen keine große Zukunft gibt. Scheibchenweise wurde technisches "Know-How" aus der Semperit abgezogen und in den Aufbau von Werken in Osteuropa investiert.
Einen ersten Höhepunkt erreichte die Krise, als 1994 beschlossen wurde, die Abteilung für Forschung und Entwicklung in Traiskirchen zu schließen und in das Continental Stammwerk nach Hannover zu verlegen. Die Angestellten aus dem technischen und kaufmännischen Bereich wurden vor die Wahl gestellt, entweder mit nach Hannover zu gehen, oder schlichtweg aus dem Betrieb auszuscheiden. Damals wiesen wir in einem Flugblatt darauf hin, dass die Auslagerung des "Know-How" Zentrums, das Werk in Traisksirchen zu einer verlängerten Werkbank machen würde. Ebenso offenbarte sich die falsche, konfliktscheue Gewerkschaftspolitik. Eine angesetzte Betriebsversammlung wurde nicht zur Planung und Vorbereitung von Kampfmaßnahmen, sondern als Werbeveranstaltung für die Abstimmung zum EU-Beitritt Österreichs missbraucht. Neben dem Continental Vorstand schworen die damaligen Politiker, wie Kanzler Vranitzky, der NÖ-Landeshauptmann Pröll und diverse ÖGB-Vertreter die Belegschaft auf ein "Ja" bei der Abstimmung ein. Kritische Wortmeldungen zur Situation bzw. Zukunft von Semperit wurden erst gar nicht zugelassen.

"Kompromisse" halten nicht lange!

Nach dem reibungslosen Ablauf 1994, folgte zwei Jahre später die Ankündigung einen Teil der Produktion nach Tschechien zu verlagern. Continental hatte dort aus der "Konkursmasse" des ehemaligen Ostblocks ein Werk gekauft, um noch billiger produzieren zu können. Einer ersten öffentlichen Protestwelle folgten massive Einschüchterungsversuche seitens der Konzernleitung mittels Briefen und anderen Drohgebärden an die Belegschaft. Trotzdem wäre damals ein Streik, eine Besetzung des Werks und eine Verhinderung des Abtransports der Maschinen möglich und notwendig gewesen. Die Kampfbereitschaft der Belegschaft war vorhanden und die Solidarität innerhalb der Bevölkerung zu den Semperit - Beschäftigten groß. Nach langwierigen Verhandlungen zum Teil mit der damaligen Bundesregierung wurde "nur" ein Teil der Maschinen nach Tschechien transportiert und die Beschäftigtenzahl um ca. 500 Arbeitsplätze verringert. Was aber letztendlich blieb, war wieder eine vergebene Chance, um der Konzernleitung Einhalt zu gebieten.

Semperit: Ein Riesengeschäft

Der offizielle Grund war die Behauptung, dass Continental auf seinen Reifen sitzen bleiben würde. Trotzdem wurden aber gleichzeitig die Produktionskapazitäten vor allem in Ländern Osteuropas weiter ausgebaut. Und auch die Behauptung das Werk wäre nicht rentabel konnte von Seiten der Gewerkschaft wiederlegt werden. Rechnet man/frau zu den bekannten Gewinnen von Semperit die erhaltenen Subventionen und Erlöse, die aus dem Verkauf diverser Semperit-Töchter erreicht werden konnten, ergibt das in etwa 6 Milliarden Schilling! Ein gutes Geschäft also für Continental, ein schlechtes für die Beschäftigten!

Unternehmerlogik oder Widerstand

Gewerkschaften und Betriebsräte - national und international - spielten das Spiel der Konzernleitung "Wer produziert am schnellsten und am billigsten" immer mit. So meinte angesichts der Krise von 1996 der Angestellten-Betriebsratsvorsitzende Julius Böheimer, er wolle mithelfen das Werk "Fit für 2005" zu machen und damit die Belegschaft um 20% zu reduzieren.
Der "Schlüssel" zum Erhalt eines Werks bzw. jedes einzelnen Arbeitsplatzes liegt nicht darin, sich der Unternehmerlogik zu beugen. Es wird immer jemanden geben, der billiger, schneller oder besser produziert! Ganz im Gegenteil, das "Zauberwort" heißt: Internationale Solidarität. Gerade jetzt ist neben Semperit auch noch ein Werk in Gislaved, Schweden, von der Schließung betroffen und im Stammwerk selbst, in Hannover-Stöcken, soll Kurzarbeit eingeführt werden. Ein Streik bei Semperit-Traiskirchen könnte verbunden mit einer Werksbesetzung bzw. Verhinderung des Abtransports der Maschinen ein erster Schritt hin zu einer internationalen Widerstandsbewegung sein.
Natürlich ist die Situation nach den vergangenen Niederlagen, vor allem für die Belegschaft schwer. Aber durch die Ur-Abstimmung im Herbst hat auch der ÖGB einen klaren Kampfauftrag: Die große Mehrheit der Beschäftigten in Traiskirchen beteiligten sich daran und ergab ein klares Votum für Kampfmaßnahmen im Notfall. Und um genau so einen "Notfall" handelt es sich jetzt bei Semperit. Continental wird sich nicht durch die besten Argumente und "Rentabilitäts-Studien" seitens des ÖGB und AK überzeugen lassen!
Keine Frage, Arbeitsstiftungen sind wichtig. Es kann aber nicht im Sinn einer aktiven Gewerkschaftspolitik liegen, sich von vornherein darauf zu beschränken und der Vernichtung von Arbeitsplätzen kampflos zu zusehen.
Die internationale Vereinigung der Continental-Betriesräte müsste als Koordinationsgremium für internationalen Widerstand und Solidarität genutzt werden. Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks in Traiskirchen könnten der Auftakt zu einer Vernetzung und Bewegung der Betroffenen des Continental-Konzerns werden. Die andere Möglichkeit besteht letztlich nur darin sich von vornherein geschlagen zu geben. Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!

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