Südtirol/Alto Adige

Rechter Terror statt Selbstbestimmungsrecht
Moritz Erkl

In letzter Zeit kam es vor allem in Salzburg vermehrt zu einer neuerlichen Debatte rund um die Südtirolfrage. An Bahnunterführungen und Straßenschildern tauchten Plakate und Aufkleber auf, deren Slogans ("Südtirol gehört nicht zu Italien" etc.) eine Rückkehr Südtirols in deutsch-österreichische Gefilde fordern. Eindeutig rechte Hetze.

Eine Auseinandersetzung mit der „Südtirolfrage“ aus sozialistischer Sicht

Viele der Slogans stammen aus der Feder der Partei "Südtiroler Freiheit, Freies Bündnis für Südtirol", also aus der rechtsextremen Szene. Rückendeckung bekommt diese aus den Reihen der FPÖ. Vor allem der 3. Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ und Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Olympia) verlangt diesen Schritt zur angeblichen "Selbstbestimmung" der Südtiroler Bevölkerung.

Historisch war Südtirol seit dem Zusammenbruch der Donaumonarchie ein ständiger Streitpunkt, da das damals allgemein verkündete nationale Selbstbestimmungsrecht gegenüber den strategischen Interessen des Imperialismus zurücktreten musste. Durch Mussolinis frühe faschistische Machtergreifung 1922 hatte Südtirol als eine der ersten Regionen Europas unter dem Faschismus zu leiden. Was hier allerdings oft „vergessen“ wird: Neben der „Italienisierung“ (Unterdrückung der deutschen und ladinischen Sprache in Italien) wurde vor allem die politische Linke – gleich ob sie italienisch oder deutsch sprach – vernichtet; und zwar in ganz Italien. Diese wäre aber – mit ihren internationalistischen Ideen – tatsächlich der einzig mögliche Schutzschirm gegenüber der brutalen Unterdrückung durch den Faschismus gewesen. Mit Hitlers Machtergreifung hofften deutsch-nationalistische Strömungen in Südtirol mit auf eine Versetzung der Grenzen und massiven wirtschaftlichen Aufschwung. Tatsächlich führte die nationale Rechte die Region in die totale Katastrophe: Hitler und Mussolini einigten sich nämlich darauf, dass der deutschsprachige Teil der Bevölkerung entweder auswandern oder total angepasst werden sollte.

Heute geht die Forderung, Südtirol von Italien abzuspalten und an Österreich zu anzuschließen am Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung selbst vorbei. Wirtschaftlich profitiert Südtirol von seinem Sonderstatus. 90% der Steuern werden von Italien an die autonome Provinz Bozen/Bolzano rückerstattet. Seit 2001 können die SüdtirolerInnen den Landtag direkt wählen. Diese Errungenschaften und Autonomien wären durch die von rechten Kräften so hochgepriesene „Wiedervereinigung“ verloren.

Jetzt stellt sich die Frage ob und warum diese Frage/Forderung heute „eine rechte Angelegenheit“ ist. Aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen waren die Vorstellungen von (deutscher) Selbstbestimmung für Südtirol zunächst kaum von der ArbeiterInnenbewegung oder sozialistischen Ideen beeinflusst. Während in Europa ArbeiterInnenkämpfe tobten erhielt bei den italienischen Parlamentswahlen 1921 ein Bündnis aus Volkspartei und Deutschnationalen 90%. Sie setzte dem italienischen Nationalismus Deutschnationalismus entgegen – und ging damit im Strategiespiel Italiens und Deutschlands unter. Trotz ihres Südtirol-Desasters wurde nach dem 2. Weltkrieg die Südtirolfrage, wie man an rechten Hetzern wie Martin Graf sieht, ein Steckenpferd der extremen Rechten v.a. in Österreich.

Besonders der in den 50er Jahren gegründete "Befreiungsausschuss Südtirol" versuchte immer wieder durch gewalttätige Attentate eine "Befreiung" Südtirols durchzusetzen. Die als “Bumser" bekannten großdeutschen Fanatiker mordeten für die „Rückkehr“ Südtirols und verübten zahlreiche Attentate. In 32 Jahren wurden von der extremen Rechten 361 Attentate verübt. Die Anschläge kosteten 21 Menschen das Leben, 157 Personen wurden dafür verurteilt, darunter 40 Österreicher – die aber von der österreichischen Justiz im Regelfall nicht ausgeliefert wurden und daher ungeschoren davon kamen. Die Verbindung zum rechten Lager in Österreich knüpfte der BAS mit Personen wie Norbert Burger, welcher von einem italienischen Gericht in Abwesenheit wegen seinen Terroranschlägen in Italien zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Von einem österreichischen Gericht wurde er freigesprochen. Norbert Burger gründete 1967 mit Gleichgesinnten die 1988 wegen NS-Wiederbetätigung verbotene Nationaldemokratische Partei (NDP). Dieser gehörte u.a. auch Horst Rosenkranz (Ehemann der FPÖ-Präsidentschaftskandidatin) an.

Das erneute Anknüpfen an dieser Traditionen in der Südtirolfrage ist nun v.a. auf den Burschenschafterkommers 2009 zurückzuführen. Bei dieser Veranstaltung kam es zu einem Treffen zwischen Burschenschaftern und ehemaligen Südtirolterroristen, welche als " FreiheitskämpferInnen" gefeiert wurden. So traf der Festredner Martin Graf hier mit einigen der ehemals führenden Mitglieder des "Befreiungsausschuss Südtirol“, wie Herwig Nachtmann oder Erhard Hartung zusammen.

Auch die heutigen “KämpferInnen für Südtirols Freiheit“ schrecken vor Gewalt nicht zurück. In den vergangenen Monaten gab es zwei gewalttätige Anschläge auf den antifaschistischen Kulturverein „Infoladen“ in Salzburg. Diese sind relativ eindeutig den „neuen“ SüdtirolaktivistInnen zuzuordnen.

Für SozialistInnen kann die Lösung der „Südtirolfrage“ nicht in nationalistischer Spaltung und dem „Anschluss“ Südtirols als Patentlösung liegen. Die ArbeiterInnenklasse und Jugend in Südtirol stehen vor völlig anderen Problemen. Durch die Wirtschaftskrise wurden dort tausende Arbeitsplätze vernichtet. Die italienische Regierung bereitet Hand in Hand mit der Regierung in Bozen Kürzungspakete vor. Eine Situation die in Österreich nur allzu gut bekannt ist. Darum steht v.a. der gemeinsame internationale Kampf für soziale Rechte, gegen Arbeitsplatzabbau und Lohnraub auf der Tagesordnung. Das wir es übrigens – im Gegensatz zur extremen Rechten - ernst meinen mit Minderheitenrechten, beweisen wir als SozialistInnen, dass wir gerade auch in Österreich für deren Rechte eintreten. Zynisch spielt demgegenüber z.B. Martin Graf mit dem Begriff „nationale Selbstbestimmung“ während die grundlegendsten Rechte der Kärntener SlowenInnen mit Füßen getreten werden. Wir arbeiten aktiv daran solche Spaltungen durch gemeinsame Aktionen zu beenden; gegen die extreme Rechte und für andere, sozialistische Geselllschaft die weder soziale, noch nationale Unterdrückung kennt.