Südafrika: neue sozialistische Arbeiterpartei

Die „Workers and Socialist Party“ (WASP) gründete sich erfolgreich
CWI-Südafrika

Die Gründung der „Workers & Socialist Party“ (WASP) war die direkte Folge des Kampfes der Bergarbeiter Südafrikas, der das ganze letzte Jahr über stattfand.

Das Blutbad von Marikana, bei dem die Polizei mit automatischen Waffen das Feuer eröffnete und 34 streikende Bergleute erschoss, markiert einen Wendepunkt für das Südafrika der Nach-Apartheid-Zeit. Dementsprechend lautete dann auch eine Zeitungsüberschrift nach der Gründung der neuen Partei WASP: „Aus der Wut über Marikana heraus geboren, betritt die Workers & Socialist Party die politische Bühne Südafrikas.“

Der wichtigste Aspekt des Bergarbeiterstreiks von 2012 war die Organisierung unabhängiger Streikkomitees der „einfachen“ ArbeiterInnen, die sich außerhalb der bestehenden Gewerkschaften und sozialpartnerschaftlicher Gepflogenheiten zusammen schlossen. Überall im Land – im Platin-Gürtel, auf den Goldfeldern und andernorts – bildeten sich von Mine zu Mine eigenständige Strukturen, die eine neue und kampfbereite Schicht von KollegInnen hervorbrachten. Die Bergarbeitergewerkschaft „National Union of Mineworkers“ (NUM), die mit den Bergwerksfirmen kollaborierte, wurde mit einem Schlag vor die Tür gesetzt. Auf Initiative der „Democratic Socialist Movement“ (DSM, Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Südafrika) organisierten die in den einzelnen Bergwerken ansässigen Komitees zuerst im Zentrum des Bergbaus rund um die Stadt Rustenburg und dann auf landesweiter Ebene ein Streikkomitee der Bergleute.

Die ANC-Regierung und ihre Bündnispartner aus der „Tripartite Alliance“, zu der noch die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) und der Gewerkschaftsbund Kongress der Südafrikanischen Gewerkschaften (COSATU) gehören, deren größte Einzelgewerkschaft die NUM ist, lehnten es ab, die BergarbeiterInnen zu unterstützen. Aber nicht nicht nur eine Unterstützung der Bergleute wurde verweigert, sondern diese Organisationen, die sonst immer behaupten, für die ArbeiterInnen einzustehen, verunglimpften und dämonisierten die KollegInnen sogar. Es besteht kein Zweifel, dass sie mit ihrer Kampagne gegen die unabhängigen Streikkomitees der Bergleute das Fundament lieferten, auf dem das Massaker von Marikana schließlich stattfand. Die Feststellung der BergarbeiterInnen, vollkommen alleine und ohne politische Stimme dazustehen, war für die Entstehung der WASP entscheidend.

Die Bergbaubranche ist der Grundpfeiler der südafrikanischen Volkswirtschaft und die BergarbeiterInnen sind das Rückgrat der Arbeiterklasse. Aber nicht nur in diesem Industriezweig verdichten sich die Klassenkämpfe. Die LandarbeiterInnen aus der Provinz Western Cape (um Kapstadt; Erg. d. Übers.) haben seit Ende 2012 in verschiedenen Protestwellen der Arbeitgeberseite die Stirn geboten und höhere Löhne gefordert. Sie folgen dem Modell, das die Bergleute etabliert haben, und sind dazu übergegangen, unabhängige Streikkomitees zu organisieren. Auch sie haben der Regierung und den Großgrundbesitzer Zugeständnisse abgerungen. In einem Wohngebiet nach dem anderen finden täglich Proteste gegen die mangelhafte Grundversorgung statt, man fordert Straßen, Kanalisation, Strom und Wasser. In Sasolburg kam es zur sozialen Explosion, als ein Massenbewegung gegen die Versuche ausbrach, die öffentliche Finanzierung noch weiter herunterzufahren. Im Sektor des öffentlichen Dienstes drohen unter dem Druck eines wachsenden Haushaltsdefizits mächtige Kämpfe hinsichtlich der Bezahlung und gegen Vorhaben, einzelne Bereiche auszulagern.

Das ist das Südafrika, das vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) regiert wird. Als Folge der Kämpfe der Arbeitermassen war der ANC 1994 an die Macht gekommen und schon vor dem Blutbad von Marikana war seine Unterstützung deutlich zurück gegangen. Der Grund dafür, lag im Versagen der Partei, den Hoffnungen und Wünschen der Massen zu entsprechen. Jetzt, nach den schrecklichen Vorfällen von Marikana und bis zum Hals im Korruptionssumpf steckend, hat er ganze Schichten seiner „traditionellen Basis“ unter den Leuten aus der Arbeiterklasse und den verarmten Menschen verloren. Der Gewerkschaftsbund COSATU ist von Spaltungen zersetzt und der Prozess der Desintegration ist bereits in vollem Gange. Die ArbeiterInnen lassen es nicht zu, dass die sklavische Verbundenheit der COSATU-Führung zur „Tripartite Alliance“ ihre Kämpfe behindert. Es gründen sich neue, unabhängige Gewerkschaften und die Unzufriedenheit unter den Basis- Mitgliedern und den Vertrauensleuten des COSATU schlägt durch.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der anhaltend weit verbreiteten Unterstützung, die der Sozialismus unter den Massen genießt, ist die „Workers & Socialist Party“ entstanden. Die Gründungsveranstaltung und die Zeit danach zeigten eindeutig, wie die WASP organisch aus den Schlussfolgerungen heraus entstanden ist, die die ArbeiterInnen aus dem Verrat des ANC und den jüngsten Erfahrungen des Kampfes gezogen haben.

Bei der Gründungsveranstaltung drückte es ein Redner, der auch Mitglied des Arbeiterkomitees der Goldmine von Carletonville im Süden von Johannesburg ist, so aus: „Es ist an der Zeit, aufzubauen und sich auf den Kampf vorzubereiten. […] Im Zuge des Streiks durften wir erleben, wie weder die NUM, noch der COSATU, der ANC oder die SACP zu uns gekommen sind oder uns verteidigt hätten. Stattdessen haben sie uns angegriffen. Es war allein die DSM, die – als wir uns in die Hügel zurückgezogen hatten – zu uns gekommen ist und mit uns dort ausharrte um zu kämpfen“.

Die Bergleute begreifen die WASP als „unsere Partei“. In diesen Worten bekundeten Delegierte aus unterschiedlichen Bergwerken bei der Gründungsveranstaltung ihre Unterstützung für die WASP. Unter den weiteren RednerInnen waren auch Arbeiter-Delegierte von „Klerksdorp Uranium“, „Kumba Iron Ore“, „Bokoni Platinum“, „Gold Fields KDC“, „Harmony Gold“, aus den Kohlebergwerken von Mpumalanga und von „Anglo Gold Ashanti“. Weil die Gründungsveranstaltung der WASP im Fernsehen ausgestrahlt wurde, rief dann ein führender Bergarbeiteraktivist einer Mine, die keine Delegierten schicken konnte, an, um zu berichten, dass dutzende ArbeiterInnen zu ihm ins Büro gekommen waren, um in Erfahrung zu bringen: „Wie können wir UNSERER Partei beitreten?“!

Auch der Vorsitzende und Vorstandsmitglieder der neuen Transportarbeitergewerkschaft „National Transport & Allied Workers Union“ (NATAWU) gehörten zum Podium der Gründungsversammlung. Die NATAWU ist eine linke Abspaltung der SATAWU, die wiederum Mitgliedsgewerkschaft des COSATU ist. Mittlerweile übersteigt die Zahl ihrer Mitglieder die der SATAWU, weil die NATAWU in den letzten Wochen einfach Willens war, den Kampf in einer Reihe von Streiks im Transport- und Verkehrssektor entschlossen anzuführen.

Die Zahl der TeilnehmerInnen an der Gründungsveranstaltung überstieg alle Erwartungen. Der Ort der Zusammenkunft, Pretoria/Tshwane, befindet sich außerhalb des wichtigsten Bergbaugebiets des Landes. Die Mehrzahl der rund 600 TeilnehmerInnen machten die kommunalen Beschäftigen von Tshwane aus, die – gemeinsam mit der DSM – einen Kampf gegen Entlassungen geführt und diesen gewonnen haben. Hunderte waren Kilometer weit gelaufen, um an der Gründung IHRER Partei teilnehmen zu können. Jetzt schon etabliert sich die WASP als eine Partei des Kampfes, die Erfolge verzeichnen kann.

Auch Studierende und junge Leute nahmen lange Anreisewege in Kauf, um bei der WASP-Gründung dabei sein zu können. Elmond Magedi, ein Aktivist der DSM und Initiator der kürzlich gegründeten „Sozialistische Jugendbewegung“, sagte in seiner Rede, dass junge Leute unter den schärfsten Attacken eines Systems zu leiden haben, das sich in der Krise befindet. Vor allem sie sind Opfer von Massenarbeitslosigkeit, einem nicht funktionierenden Bildungssystem, Vergewaltigungen und Gewalt. Sie sind es, denen eine Schlüsselrolle dabei zukommt, die WASP aufzubauen und für eine sozialistische Zukunft zu kämpfen.

Und nicht nur in Südafrika schlägt die WASP große Wellen. Ein Lehrer aus Namibia, der Mitglied eines Lehrerkomitees ist, nahm trotz des Todes seines Sohnes einige Tage zuvor eine mehrtägige Anfahrt auf sich, um bei der WASP-Gründung dabei zu sein. Anlässlich der Gründung der WASP kamen unter anderem von einer Gruppe von LandarbeiterInnen und einer Gruppe von Beschäftigten im Gesundheitswesen Anfragen, wie sie der WASP beitreten und an ihrem Aufbau mithelfen können.

Die großen Unternehmen und die kapitalistische Klasse in Südafrika stellen fest, dass Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse herrscht, und sie realisieren auch das bestehende politische Vakuum. Deshalb sind sie verzweifelt darum bemüht, die Glaubwürdigkeit ihres Systems wieder herzustellen, indem sie im ANC, in der neoliberalen Partei Democratische Allianz und nun auch noch mit der gerade erst angekündigten neuen Partei ANANG, die von einer von Afrikas reichsten weiblichen Kapitalisten, Mamphela Ramphele, angeführt wird, „neue“ Gesichter liefern. Die WASP wird die damit verknüpften Hoffnungen, dass sich um derartige Versuche eine substanzielle Anzahl an Menschen scharen wird, schwer enttäuschen. Während die herrschende Klasse alles in allem mit beklemmendem Schweigen reagierte, geben die wenigen Versuche bürgerlicher Analysten, die WASP zu diskreditieren, dennoch Aufschluss darüber, wie beträchtlich ihr Unbehagen doch ist.

Die Reaktion der Arbeiterklasse besteht in dem guten Start, den die Gründungsveranstaltung der WASP darstellt. Ein Arbeiter von der Mine „Sishen Kumba Iron Ore“ in der Provinz Northern Cape fasste die Stimmung in seiner Rede zusammen: „Wir sind so glücklich, heute hier zu sein, um unsere Organisation zu gründen, die wir zu einer Kraft machen müssen, die für uns kämpft. Jetzt müssen wir zurückgehen in unsere Bergwerke und unseren Beitrag zum Aufbau leisten“.