Rote Seitenblicke: Opernball und Bürgerkrieg

Franz Neuhold

Der Opernball. Superreiche verprassen ungeniert Jahreseinkommen normaler ArbeiterInnen im ¾-Takt: Eine Rangloge im Zuschauerraum kostet ca. 40.000 €. Was soll's? Herr Lugner und sein gekaufter Superstar begleiten unser Leben nun mal wie die gelegentliche Durchfallerkrankung. Doch 2015 feiert das Besitzbürgertum samt buckelndem Anhang seinen kulturellen Stillstand just am 12. Februar, dem Jahrestag des BürgerInnenkriegs von 1934. Schon in der Zwischenkriegszeit war es der Ball des bürgerlich-kapitalistischen Staates und seiner Elite. Ebendiese schlachtete im Jahr 1934 ArbeiterInnen ab und zerstörte die letzten Reste demokratischer Errungenschaften. Dem zuvorgegangen waren Massenarbeitslosigkeit, halb-staatliche Terrorangriffe auf Kundgebungen, der Börsenkrach 1929 und kurz darauf der Zusammenbruch der Creditanstalt. Die TeilnehmerInnen des Opernballs 2015 haben genauso keine schlüssigen Lösungen für die strukturelle Krise ihres Systems, gleich welcher Fraktion sie angehören. Demgegenüber gab es schon in den 1930ern eine Bewegung, die durch koordinierte Streikmaßnahmen das ganze Land in eine andere Richtung hätte führen können. Ein wesentlicher Teil der Bevölkerung stand damals hinter der Idee einer sozialistischen Systemänderung. Doch die Spitzen der Sozialdemokratie steckten schandvoll zurück und ermutigten so den Austrofaschismus (Nachfolgepartei: ÖVP) zum Entscheidungsschlag. Heute tanzt die SP-Spitze selbst am Opernball, während sie zum Bürgerkrieg auf die ÖVP-These der „geteilten Schuld“ eingeschwenkt ist.

 

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