Rote Seitenblicke: Adelige Delogierung

Helga Schröder

Der Neffe war gnadenlos, der Sitzstreik vor dem Justizpalast half nicht und auch der Bundespräsident wollte sich nicht für die 300m²-Wohnung einsetzen. Johannes Schwarzenberg, auch „Erbprinz Aki“ genannt, vertrat die Familienstiftung und delogierte seine Tante. Gertrud Festetics – ungeachtet der Adelsaufhebung vor 95 Jahren von Medien als „Gräfin“ betitelt – benötigte dann aber offenbar doch keine Notschlafstelle. Derlei familiäres Ungemach erleiden viele mangels Familienbesitz nicht. Nein, die werden „ganz normal“ auf die Straße gesetzt, weil sie die Miete nicht zahlen können. Etwa tausend mal geschah dies im Jahr 2011, und das nur aus Wiener Gemeindewohnungen. Private VermieterInnen oder Banken sind schneller beim Klagen und Räumen, also ist das nur ein kleiner Teil. Ohne Medienaufmerksamkeit und völlig unadelig werden Familien zwangsgeräumt, die ein Kind mit besonderen Bedürfnissen haben. Obwohl zwischen zahllosen Einrichtungen und Behörden Informationen fließen (angeblich um „Lösungen zu finden“), wird den Betroffenen weder geholfen, noch sind genaue Zahlen verfügbar. 2012 wurde eine Familie wegen „unleidlichem Verhalten“ unter Mitwirkung all dieser „vernetzten“ Einrichtungen auf die Straße gesetzt. Dass der Sohn Epilepsie hat, wurde nicht geglaubt. Besser ist „Vernetzung“ von unten, Solidarität genannt: Wenn sich etwa in Köln hunderte Menschen dagegen wehren, dass im Profitinteresse von ImmobilienbesitzerInnen ein Mieter aus seiner Wohnung vertrieben wird (Alle für Kalle!) und dabei die gesamte Wohnungsmisere angreifen (Kalle für Alle!).

 

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